GA-Interview mit Ashok Sridharan "Ich plane Perspektiven, keine Grausamkeiten"

Bonn · Ashok Sridharan (CDU) wird am 21. Oktober die Amtsgeschäfte als Bonns neuer OB von Jürgen Nimptsch (SPD) übernehmen. Gut drei Wochen vor seinem ersten Arbeitstag stellte er sich in der GA-Redaktion den Fragen von Andreas Baumann, Ulrich Lüke, Helge Matthiesen und Andreas Mühl.

Neuer Oberbürgermeister und Altes Rathaus: Ashok Sridharan will in Bonn politisch mehr kommunizieren, um schneller zu Entscheidungen zu gelangen.

Neuer Oberbürgermeister und Altes Rathaus: Ashok Sridharan will in Bonn politisch mehr kommunizieren, um schneller zu Entscheidungen zu gelangen.

Foto: Roland Kohls

Herr Sridharan, nach Machiavelli sollte man politische Grausamkeiten möglichst zügig und geballt vollziehen. Was planen Sie in den ersten 100 Tagen?
Ashok Sridharan: Ich möchte eigentlich gar keine Grausamkeiten begehen, sondern mich erst einmal mit den Dezernenten, mit den Amtsleitern, mit den Fraktionen verständigen, wie wir mit dieser Stadt umgehen. Das ist nicht mit Grausamkeiten verbunden, aber mit Perspektiven.

Aber ein paar Themen müssen Sie sehr schnell anpacken....
Sridharan: Ja. Wir müssen ganz schnell mit den Planungen für das Beethovenjubiläum im Jahr 2020 vorankommen. Wir brauchen schnell ein zentrales Controlling in der Verwaltung, um frühzeitig Entwicklungen im städtischen Haushalt zu kommunizieren. Dazu gehört auch ein Projektcontrolling. Der Schulentwicklungsplan muss auf den Weg gebracht werden und wir müssen das Thema Bürgerdienste in den Griff bekommen. Und die Wirtschaftsförderung auf neue Beine stellen.

Damit sich eine Pleite wie mit den Firmen Haribo und Zurich nicht wiederholt?
Sridharan: Genau so meine ich das. Ich werde selber den Kontakt zu Firmen halten. Wenn der OB in ständigem Austausch mit der Wirtschaftsförderung ist, kann man frühzeitig Entwicklungen erkennen, forcieren oder gegensteuern. Die Thematik Haribo ist ja nicht plötzlich gekommen. Wenn man frühzeitig aktiv geworden wäre in der Nachbarschaft, mit Bornheim und Alfter zusammen ein Gewerbegebiet entwickelt hätte, dann hätte man Haribo Flächen anbieten können. Das sind viele Konjunktive, aber Haribo hätte ein attraktives Angebot gemacht werden können.

Bonn kümmert sich besonders um politiknahe Institutionen und Behörden. Ist das der richtige Fokus?
Sridharan: Wir sollten uns schon bei der Bundesregierung dafür einsetzen, dass wir noch ein paar Sekretariate der Vereinten Nationen nach Bonn holen. Damit wir auch einmal offizielle UN-Stadt werden können, wie Wien oder Genf. Das hätte eine andere Ausstrahlung. Daneben müssen wir verstärkt Unternehmen ansprechen, die in Branchen unterwegs sind, die hier schon stark sind. Das sind die Bereiche Logistik und IT-Telekommunikation. Die passen ins Portfolio und ins Stadtbild ähnlich gut wie der Wissenschaftsbereich. Natürlich setzen wir auf Handwerk und produzierendes Gewerbe. Allerdings stoßen wir in Bonn oft an Grenzen in Form von angrenzender Wohnbebauung.

Wie sehen Sie denn die Zukunft der politischen Arbeitsteilung zwischen Bonn und Berlin?
Sridharan: Wir müssen uns heute wie in den 90er Jahren regional und überparteilich aufstellen und an einem Strang ziehen. Die Inhalte des Berlin/Bonn-Gesetzes haben sich zu Lasten Bonns nach Berlin verlagert. Das muss neu austariert werden. Die vielen Einrichtungen, die als Ausfluss des Gesetzes nach Bonn gekommen sind, dürfen wir auf keinen Fall gefährden. Deswegen brauchen wir dauerhaft eine Präsenz der Bundesregierung in Bonn. Wir brauchen sie als Ansprechpartner, zum Beispiel für die UN. Wir sind in Bonn Hauptstadt der Nachhaltigkeit, sind Wissenschaftsstandort. Dieses Umfeld muss durch politische Institutionen in der Bundesstadt weiter bedient werden.

Wir haben in Bonn eine Situation, die von vielen wahrgenommen wird wie Mehltau, der über der Stadt liegt. Es geht wenig voran. Wo wollen Sie da ansetzen?
Sridharan: Die Kommunikation zwischen Verwaltung und Rat muss besser werden. Ich werde mich regelmäßig mit den Fraktionsspitzen zusammensetzen. Im Koalitionsvertrag von CDU, Grünen und FDP stehen viele gute Sachen, den hätte ich so unterschrieben. Jetzt müssen wir Entscheidungen herbeiführen. Nicht nur mit der Mehrheit der Jamaika-Koalition, auch mit breiter Mehrheit.

Die Erwartungshaltung in der Stadt ist riesig....
Sridharan: Das zeigt sich schon am Wahlergebnis mit dem sensationellen Abstand zu den Mitbewerbern. Andererseits daran, dass viele Menschen und Institutionen auf mich zukommen. Die wollen noch vor dem 21. Oktober mit mir sprechen, damit ich dann ab 22. Oktober ihre Interessen berücksichtige.

Wollen Sie denn wie einige Bürger eine Südtangente oder nicht?
Sridharan: Das entscheidet vor allem der Bundesverkehrsminister. Ich habe aber mehrfach gesagt, dass ich mir eine neue Schnellstraße durch Bonn nicht vorstellen kann. Trotzdem müssen wir die Erreichbarkeit der Stadt verbessern, unter anderem durch eine Verbesserung des ÖPNV und der Infrastruktur für Radfahrer. Natürlich muss man von der A 3 besser nach Bonn kommen. Ob auf vorhandenen Trassen oder neuen Verkehrsanlagen, werden wir sehen. Wir bedauern zu Recht, dass der ICE an Bonn vorbeifährt. Möglicherweise ergibt sich auf dem Schienenweg eine neue Anschlussmöglichkeit an die rechtsrheinische Seite über die geplante Brücke bei Wesseling. All das gehört auf die Agenda.

Also keine Südtangente und auch keinen Venusberg-Tunnel....
Sridarhan: Das Kosten-Nutzen-Verhältnis des Venusberg-Tunnels hat mir noch niemand erklären können. Wir müssen aber nach Alternativen suchen, um die Reuterstraße zu entlasten. Wir brauchen eine Straßenbahn in den Westen und den ÖPNV-Ringverkehr zwischen Kennedy- und Südbrücke.

In welcher Form soll denn die Beethovenhalle nun saniert werden?
Sridharan: Wir müssen Beethoven 2020 so feiern, dass das in der Welt wahrgenommen wird, beginnend am 17. Dezember 2019. Wir haben nicht das Geld, 70 Millionen Euro in die Sanierung der Beethovenhalle zu stecken. Wir können das Jubiläum auch feiern, wenn die Beethovenhalle nicht saniert ist. Es gibt ja einige Szenarien: Eine Schmalspursanierung für 30 Millionen Euro, was ja sehr viel Geld ist. Wir haben die hochwertige Sanierung für 70 Millionen Euro und die konzertante für 90 Millionen Euro. Bei der letzten Variante landet man schnell im dreistelligen Millionenbereich. Das kann ich mir im Moment noch nicht richtig vorstellen. Die Beethovenhalle muss so saniert werden, dass wir sie nicht schließen müssen.

Wie führen Sie Bonn aus der Schuldenfalle?
Sridharan: Da gibt es den Schuldenberg von 1,7 Milliarden Euro. Dabei sind wir anders als die Stadt Düsseldorf nicht in der Lage, durch Veräußerungen von Anlagevermögen diesen Schuldenberg abzutragen. Uns muss daran gelegen sein, dass wir eine weitere Neuverschuldung vermeiden. Beim Anlagevermögen müssen wir trotzdem schauen, was wir veräußern können. Da werden wir bestimmt fündig. Verkaufserlöse dürfen wir nicht in Projekte stecken, sondern damit sind Schulden zu tilgen. Wir stecken pro Jahr 100 Millionen Euro in den Schuldendienst. Das ist unser strukturelles Defizit. Wir müssen also in allen Bereichen sparen. Außen vor bleibt nur der Bereich Kinder und Jugendliche, da sollten wir sogar investieren.

Und für ein Kombibad suchen Sie einen privaten Investor, der es für 30 Millionen Euro realisiert und schließen im Gegenzug einige alte städtische Einrichtungen. Oder?
Sridharan: Das hört sich einfach an, aber dafür braucht man eine Mehrheit im Rat. Und ein Grundstück. Wir können aber zu signifikanten Einsparungen kommen. Es geht ja nicht um ein Spaßbad, sondern ein kombiniertes Hallen- und Freibad, das aus meiner Sicht auf der linken Rheinseite stehen muss. Erst wenn es fertig ist, sollten wir andere Bäder schließen.

Ihr Modell öffentlich-privater Partnerschaft im Badebereich hat in Königswinter nicht funktioniert....
Sridharan: Da muss man trennen zwischen Bau und Betrieb eines Bades. In Königswinter haben wir eine Ausschreibung für beides gemacht. Das würde ich so in Bonn nicht wiederholen wollen.

Viele begrüßen, dass Herr Pause mit dem Pantheon in die Halle Beuel gehen möchte. Bedingung aus Sicht des Pantheons und des Theaters ist aber eine Bestandsgarantie für die Kammerspiele in Godesberg...
Sridharan: Die Kammerspiele kann man emotional und sachlich diskutieren. Die emotionale Ebene ist, dass Bad Godesberg seit Jahrhunderten mit der Redoute ein Theaterstandort ist und die Kammerspiele ein belebender Faktor für die Fußgängerzone sind. Auf der sachlichen Ebene: Wenn wir die Kammerspiele von Godesberg wegholen, müssen wir in Bonn neu bauen. Das würde mindestens 30 Millionen Euro kosten. Ich würde es begrüßen, wenn das Schauspiel in den Kammerspielen bleibt.

Ihre Amtszeit wird auch von einem Thema dominiert, das wir in der aktuellen Dramatik nicht auf der Agenda hatten. Die Flüchtlinge.
Sridharan: Ja, dieses Thema wird meine Amtszeit prägen. Es kommen weitere 600 Flüchtlinge nach Bonn. Wir sind aber in der glücklichen Situation, dass wir auf Bundesliegenschaften zurückgreifen können.

"Ich habe kein Problem, wenn der Alexander jetzt wieder wegfällt"

Herr Sridharan, Sie sollen im Linienbus mit Ashok-Ashok-Gesängen gefeiert worden sein....
Sridharan: Das stimmt. Ich war auf dem Weg zum Straßenfest in Poppelsdorf.

Hat Ihnen die Kanzlerin zum Wahlsieg gratuliert?
Sridharan: Ich habe noch nicht alle Briefe gelesen. Aber das Ergebnis ist in der CDU bundesweit auf Resonanz gestoßen.

Auch in Indien, wo ja zum Teil Ihre familiären Wurzeln liegen?
Sridharan: Da hat es sehr viele Reaktionen gegeben. Das hat mich schon überrascht. Zeitungen haben ausführlich berichtet. Viele Inder haben mich auf Beiträge hingewiesen.

Hat Ihnen Ihr Migrationshintergrund im Wahlkampf genutzt?
Sridharan: Durch meine Hautfarbe war der Wiedererkennungswert deutlich höher als bei den Mitbewerbern. Das hab ich schon zu Beginn der Kampagne gemerkt.

Aber ohne Ihren zweiten Vornamen "Alexander" wollten Sie nicht wahlkämpfen...
Sridharan: Ja, darauf habe ich Wert gelegt. Das steht in meinem Pass und stand auf dem Stimmzettel. Ich wollte deutlich machen, dass es deutsche Wurzeln gibt. Die Vorfahren meiner Mutter leben schließlich seit dem 16. Jahrhundert in der Region. Mein Rufname war und wird aber Ashok sein. So kennen mich meine Freunde. Deswegen habe ich kein Problem, wenn der Alexander jetzt wieder wegfällt.

Sind Sie ein bönnscher Jung, ein indischer Jung oder ein bönnscher Inder?
Sridharan: Ich bin ein bönnscher Jung. Mein Vater kommt zwar gebürtig aus Südindien, und ich bin mit der Familie oft dort, doch ich möchte authentisch bleiben. Ich bin stolz auf meine Wurzeln, aber ich habe dort nie gelebt, spreche keine indische Sprache.

Gibt es bald eine Partnerschaft mit einer indischen Stadt?
Sridharan: Vielleicht können wir uns besser vernetzen mit Kommunen in Indien, ohne daraus gleich eine Städtepartnerschaft zu machen.

Wie sieht der Tagesablauf an Ihrem ersten Arbeitstag als OB aus?
Sridharan: Morgens gehe ich zum ökumenischen Gottesdienst ins Münster. Danach beziehe ich mein Büro im Stadthaus, treffe mich mit den Dezernenten. Dann folgt ein Gespräch mit dem Personalrat, danach bereite ich mich auf meine erste Ratssitzung am 22. Oktober vor. Abends ist ein Treffen mit den Fraktionschefs geplant.

Zur Person

Mit 50,06 Prozent der Stimmen wurde Ashok Sridharan am 13. September im ersten Wahlgang zum künftigen Oberbürgermeister Bonns gewählt. Sridharan wurde 1965 in Bonn geboren und wohnt in Röttgen. Er ist katholisch und mit Petra Fendel-Sridharan verheiratet. Das Paar hat drei Söhne.

Der 50-jährige Jurist ist seit 1996 für die Stadt Königswinter tätig, seit 2002 als Erster Beigeordneter sowie Stadtkämmerer. Sridharan gehört der CDU seit 20 Jahren an. Sein Amt wird er am 21. Oktober antreten. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger will Sridharan vor allem im Büro im Stadthaus arbeiten.

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