Deutsches Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen Forschungen schneller für die Menschen nutzbar machen

BONN · Gesundheitsminister Hermann Gröhe steht vor einem riesigen Kasten, in dessen Inneren ein Roboterarm vollautomatisch Nervenzellen auf kleinen Platten hin- und herträgt. Neben Gröhe steht Pierluigi Nicotera, Vorstandsvorsitzender des Deuschen Zentrums für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) und erklärt, was diese Maschine in den Laboren der Forschungseinrichtung Caesar macht: Etwa 2000 Experimente pro Tag, die der Suche nach Krankheitsursachen und neuen Wirkstoffen dienen. Das sogenannte Screening.

 Gesundheitsminister Hermann Gröhe (links) lässt sich die Geräte im Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen erklären.

Gesundheitsminister Hermann Gröhe (links) lässt sich die Geräte im Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen erklären.

Foto: Nicolas Ottersbach

Gröhe besuchte am Montag das DZNE, um sich über die aktuellen Forschungen zu informieren. "Mein Wunsch ist es, die Erkenntnisse aus Laboren schneller im Gesundheitssystem nutzbar zu machen", sagte er. Die Roboter sind dafür wichtig. Erst durch die Automatisierung können so viele Wirkstoffe getestet werden, dass die Forschung an Nervenzellen schnell voran kommt. "In diesem neuronalen Bereich scheitern fast 100 Prozent aller neuen Wirkstoffe", erklärte Dr. Eugenio Fava, Leiter der zentralen Forschungsabteilung. Aktuell gibt es keine Medikamente, die beispielsweise die Ursachen von Demenz bekämpfen, sondern nur Medikamente, die lediglich Symptome lindern. Ohne die Untersuchungen in wissenschaftlichen Einrichtungen würde es noch weniger Fortschritte geben. "Denn für die Pharmaindustrie ist es nicht wirtschaftlich, bei so einer hohen Scheiterungs-Rate zu arbeiten", sagte Fava. Das teuerste am raumfüllenden weißen Kasten mit Plexiglasscheiben ist das Gehäuse. Darin muss es völlig steril sein, Lüftung und Filterung sind aufwendig. Insgesamt 42 Geräte greifen ineinander, alleine der Roboterarm kostet rund 90.000 Euro.

Es fallen große Datenmengen an, bis zu 150.000 Fotos werden täglich durch ein Mikroskop geschossen. Computer werten sie aus, was wesentlich länger dauert als die eigentliche Messreihe. Letztendlich werden so Substanzen entziffert, die in Nervenzellen bestimmte Reaktionen auslösen und als potenzielle Pharmastoffe infrage kommen. "Das funktioniert wie eine Gesichtserkennung. Ein Algorithmus analysiert die Bilder und wandelt sie in statistisch nutzbare Daten um", erklärte Dr. Philip Denner.

Nach dem Rundgang durch die Labore sprach Nicotera mit dem Minister über die künftige Zusammenarbeit. "Unsere Stärke ist es, dass wir in allen Bereichen der Forschung tätig sind", sagte Nicotera. Man untersuche die Grundlagen, finde neue Behandlungswege, verbessere die Lebensqualität von Erkrankten und schaue, wie sich Krankheitsbilder in der Bevölkerung entwickelten. Gröhe sieht in der internationalen Kooperation viele Chancen, Impulse kommen vor allem aus Großbritannien. Nicotera vertritt den deutschen Forschungsraum im kürzlich von den G 7-Staaten gegründeten World Dementia Council, dem Welt-Demenz-Rat. Finanziert werden könnte die Arbeit bald nicht nur durch die öffentliche Hand, sondern auch Partnerschaften mit Unternehmen.

Das DZNE in Bonn

Das Deutsche Zentrum für neurodegenerative Erkrankungen (DZNE) hat in Bonn 400 seiner insgesamt 800 Mitarbeiter, die auf neun Standorte in Deutschland verteilt sind.

Es erforscht Ursachen von Erkrankungen des Nervensystems wie Demenz und entwickelt Strategien zur Prävention, Therapie und Pflege. Die Einrichtungen gehören zur Helmholtz-Gemeinschaft.

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