Protest auf dem Bonner Marktplatz Eltern fordern Unterstützung für Hebammen

BONN · "Wo ist meine Hebamme?", schallte es am Samstagmittag fast 300-stimmig über den Marktplatz. In der Mitte des großen Menschenkreises hörte man aus einem Kinderwagen Babyweinen. Familien mit Kind und Kegel, Hebammen aus ganz Deutschland - allesamt mit roten Luftballons in den Händen - waren dem Aufruf der Bonner Elterngruppe "Familien fordern Hebammen" zu einer auch emotional aufgeladenen Protestaktion gefolgt.

"Familien fordern ihr Recht auf Hebammenbetreuung, wir fordern schnelle politische Lösungen", rief Melanie Becker für die Gruppe. Keiner könne das Fehlen der gefährdeten freiberuflichen Hebammen kompensieren, sagte sie unter Beifall auch des SPD-Bundestagsabgeordneten Ulrich Kelber und des SPD-Oberbürgermeisterkandidaten Peter Ruhenstroth-Bauer. Kleine Mädchen schwenkten Schilder mit der Aufschrift "Ich möchte auch mal mit Hebamme gebären".

Man sei empört über die städtische Einschätzung der aktuellen Situation, erläuterte Becker dem GA. "Die Lage der Eltern ist bis jetzt nicht erkannt. Die Stadt hat keine Daten über die tatsächliche Nachsorgesituation gesammelt", kritisierte Becker die Stellungnahme, die die Verwaltung im Hinblick auf die nächste Sozialausschusssitzung auf Anfrage der SPD veröffentlicht hat. Die hatte nach der Versorgung der Bonner mit freiberuflichen Hebammenleistungen gefragt. Und das vor dem Hintergrund, dass Hebammen ab Juli wohl keine Berufshaftpflicht-Versicherung mehr haben werden und sich deshalb viele wohl aus der Geburtsbegleitung zurückziehen müssen. Die Stadt behaupte, es bestehe keine Unterversorgung, so Becker. "Da widersprechen viele Hebammenpraxen und werdende Eltern. Hier wurde vermutet, nicht recherchiert."

Laut Verwaltung ist die Versorgung der Bevölkerung mit Hebammen sichergestellt. Viele Freiberufliche hätten ihr Tätigkeitsfeld eben in der Vor- und Nachsorge angesiedelt. Auch bestünden immer noch Möglichkeiten, Geburten durch Hebammen außerhalb der Kliniken begleiten zu lassen. In einer von bisher vier Kliniken würden weiterhin freiberufliche Beleghebammen tätig bleiben. Der Wegfall der anderen werde seitens der Kliniken teils bedauert, teils aber auch als Chance für einen "reibungsfreieren Ablauf der Versorgung" gesehen. Es werde nach neuen Wegen für die Betreuung etwa durch einen hebammengeführten Kreißsaal gesucht, so die Verwaltung. Aufgrund der Versicherungsproblematik sei nicht auszuschließen, dass künftig weniger Hebammen in der Lage sein werden, Geburten zu begleiten. "Dies kann jedoch durch die Bonner Kliniken kompensiert werden."

Die Elterngruppe widersprach am Samstag. "Keine Klinik kann eine Eins-zu-eins-Betreuung während der Geburt durch eine Hebamme garantieren. Schon jetzt sind angestellte Hebammen in Kreißsälen überlastet, Frauen werden teilweise nicht angemessen betreut", sagte Becker. Mehr interventionsreiche Geburten, mehr Stillprobleme seien die Folge. "Kliniken werden nicht die kommenden fehlenden häuslichen Nachsorgen auffangen. Gerade die häusliche Wochenbettbetreuung ist der Kompetenz- und Tätigkeitsbereich einer freiberuflichen Hebamme", so Becker. Studien wiesen auf die Bedeutung dieser Betreuung für die Gesundheit von Mutter und Kind hin. Es sei zudem das Recht jeder Frau, den Ort zu wählen, wo sie ihr Kind zur Welt bringen möchte. "Dieses Recht ist in Bonn bereits jetzt schon nicht mehr gegeben. Erste Frauen melden, dass sie keine Hebamme für eine Hausgeburt finden."

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