Laienmitbestimmung Die katholische Gemeinde St. Petrus startet ein bundesweit einzigartiges Modell

BONN · Es ist ein für die katholische Kirche geradezu revolutionäres Vorhaben, das deutschlandweit seinesgleichen sucht: Laien und Theologen leiten und gestalten gemeinsam ihre Pfarrgemeinde. Angestoßen wurde diese Umwälzung aber nicht von unten. Die Pfarrer selbst haben für dieses Modell geworben, das Christen in der Nordstadt jetzt mit Leben füllen wollen.

 Setzen das Petrus-Modell in die Tat um: die "Laien" Heinz Siegfried Stutz (links) und Birgit Völker mit Pfarrer Raimund Blanke.

Setzen das Petrus-Modell in die Tat um: die "Laien" Heinz Siegfried Stutz (links) und Birgit Völker mit Pfarrer Raimund Blanke.

Foto: Horst Müller

Der leitende Pfarrer Raimund Blanke, sein Kollege Peter Adolf und ihre 8500-Seelen-Gemeinde St. Petrus (St. Marien, Stiftskirche und St. Joseph) reagieren auf ein aus ihrer Sicht gravierendes Problem der katholischen Kirche: darauf, dass immer weniger Pfarrer immer mehr Verwaltungsarbeit leisten und kaum noch Zeit für die Seelsorge haben. Auch in St. Petrus hat der vom Erzbistum Köln geforderte Strukturwandel zu einer Zentralisierung geführt, die aus Sicht von Blanke und Adolf das viGemeindeleben in Petrus bedroht.

"Mit unserem Modell, dem sogenannten Petrus-Modell, kreist die Gemeinde nicht mehr um den Pfarrer", erklärt Blanke. Es geht ihm um nichts weniger als ein "ganz neues Miteinander", bei dem die Laien nicht untergeordnet, sondern neben den Theologen gleichberechtigt sind. "Denn wir trauen den Laien zu, dass sie selbstständig agieren können." Der Pfarrer versteht sich nicht mehr als "Kommandant", so Blanke, sondern als "Inspirator", der die Christen an ihre Berufung als "Akteure des Evangeliums" erinnert.

Dieser "Petrusdienst" - daher der Name für das Modell - ist in gewisser Weise eine Geburts- und Entfaltungshilfe für gute Ideen und Charismen, also Begabungen und Talente möglichst vieler Gemeindemitglieder - damit diese eine lebendige Gemeinde bilden, deren Strahlkraft im besten Fall ins ganze Stadtviertel hinein wirkt.

Eine zentrale Rolle in diesem Modell, das beim Zweiten Vatikanum in den 1960er Jahren angeregt wurde und Blanke und Adolf vor vielen Jahren im französischen Poitiers erlebten, spielen die "Equipen", Laien-Teams, die Leitungskompetenzen übertragen bekommen und als Motoren des Gemeindelebens wirken sollen. Die erste von drei Equipen wird an diesem Sonntag in einem festlichen Gottesdienst um 11 Uhr in St. Marien, Adolfstraße, eingesetzt.

Neben einem hauptamtlichen Theologen, dem "geistlichen Begleiter", und einem Moderator, im Falle von St. Marien Birgit Völker, 36 Jahre alt und Religionslehrerin, besteht die Equipe aus zunächst vier weiteren Laien (weitere Mitglieder sind erwünscht): Schwester Margret Fühles, Anja Ostrowitzki, Heinz Siegfried Stutz und Rainer Tigges. Sie sind jeweils für einen Glaubensbereich zuständig.

Agraringenieur Tigges beispielsweise wird in Sachen "Solidarität und Nächstenliebe" aktiv. Der junge Familienvater war mit seiner Frau einige Jahre Entwicklungshelfer in Afrika und hat dort gelernt, wie man aus ganz wenig so viel machen kann, dass es zum Überleben reicht. "Auch hier in der Nordstadt gibt es soziale Not. Ich will Menschen helfen, ihre Armut aus eigener Kraft zu bekämpfen." Und was in Afrika funktioniert hat, soll auch hier möglich sein: Tigges schwebt beispielsweise vor, "urbane Gärten" anzulegen, mit denen sich Bedürftige selbst versorgen.

Rentner Stutz (65), für "Begegnung und Gastfreundschaft" zuständig, hat viel Zeit. Oft ist der ehemalige Banker unterwegs und unterhält sich mit den Leuten auf der Straße - nach dem Motto: Kirche geht auf die Menschen zu. Doch diese Mission ist keine Einbahnstraße: "Ich will auch erfahren, was Andere uns als Kirche zu sagen haben."

Moderatorin Völker, die mitmacht, weil "ich unsere Gemeinde und das Viertel zusammenbringen will", ist das Bindeglied in der Equipe und zum Pfarrgemeinderat von St. Marien. Der hatte in einem aufwändigen Verfahren die Equipe-Mitglieder aus 40 Vorschlägen der Gemeinde gesucht. Um organisatorische Verkrustungen zu vermeiden, werden die Mitglieder alle drei Jahre ausgetauscht.

Bemerkenswert am Petrus-Modell ist nicht nur der Versuch, zentralistische, hierarchische Gemeindestrukturen auf eine möglichst breite Basis umzustellen. Bemerkenswert ist auch, dass das Erzbistum seinen Segen dazu gegeben hat, auch in Form finanzieller Zusagen. Und auch die protestantische Schwestergemeinde im Viertel, die Lukaskirchengemeinde, hat laut Blanke bereits Interesse an dem Modell gezeigt.

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