Stadtleben in Bonn Der strenge Herr auf dem Münsterplatz

BONN · Warum schaut der Kerl nur so grimmig? Steht erhaben auf dem Münsterplatz und macht ein Gesicht, als hätte der Götterfunken bei ihm niemals eingeschlagen. Hat Beethoven etwa geahnt, wie schwer sich seine Geburtsstadt mit der Würdigung des Musik-Titanen tun würde?

Schon im 19. Jahrhundert waren die Bonner bekanntlich so knauserig, dass das Geld für sein Denkmal auf dem Münsterplatz ohne die Großzügigkeit von Franz Liszt nicht zusammengekommen wäre. Rund 150 Jahre später strich der Rat den Zuschuss fürs Beethovenfest, das deshalb für einige Zeit ausfiel. Und heute diskutiert die Stadt mit großer Ausdauer, ob Beethoven wirklich ein eigenes Festspielhaus braucht.

Bonn und seine Skulpturen: Das ist anregender Stoff für einen Stadtrundgang. Wenn es sich um eher abstrakte Kunstwerke handelt, frage ich mich zwar manchmal, welche Gedanken deren Schöpfer bewegt haben mögen. Aber das ist ja gut so. Ob die als "Knethoven" verspottete Lüpertz-Skulptur am Alten Zoll oder das fast sechs Meter hohe Bronzewerk "Mean Average" von Cragg am Remigiusplatz: Einen interessanten Anblick bietet diese brachiale Kunst allemal. Und wer ein wenig stehenbleibt und den Kommentaren der Passanten lauscht, kann sich königlich amüsieren.

Weniger auffällig, aber auch ein Schwergewicht: die Stahlkonstruktion "De Musica IV" des baskischen Bildhauers Eduardo Chillida vor dem Hauptportal der Münsterbasilika. Der langjährige Oberbürgermeister Hans Daniels war von dem Werk so begeistert, dass er zu den Anschaffungskosten von damals einer Million Mark stolze 100.000 Mark aus eigener Tasche beisteuerte.

Neugierig wie ich bin, habe ich nachgelesen, was die zehn Tonnen schwere Plastik darstellen soll. Sie gehört, wie ich nun weiß, zu einem Zyklus, in dem sich der Bildhauer mit dem Frühwerk "De Musica" des Philosophen und Theologen Augustinus beschäftigt hat. Meine neunjährige Tochter liebt die Skulptur. Aber nicht wegen Augustinus, sondern weil Kinder wunderbar auf dem U-förmigen Oberteil sitzen und die Beine baumeln lassen können. So ist das mit der Kunst: Jeder erobert sie sich auf seine Weise.

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