Insolvenz des IVG-Konzerns Bonn soll auf 102 Millionen Euro verzichten

BONN · Die Rettung der insolventen IVG Immobilien AG hängt offenbar von einem formalen Steuerverzicht der Stadt Bonn ab. Das Unternehmen hat beantragt, rund 102 Millionen Euro an Gewerbesteuern erlassen zu bekommen.

Die Stadtverwaltung will dem Finanzausschuss des Rates heute empfehlen, diesem Antrag zu folgen, um die Rettung des taumelnden Konzerns nicht zu gefährden. Sollten der Ausschuss und der Stadtrat dem nicht folgen, heißt es in einem vertraulichen Papier der Verwaltung, werde es ohnehin keine Steuerzahlung geben. Denn die 102 Millionen Euro würden - sozusagen nur theoretisch - auf den "Sanierungsgewinn" anfallen (siehe Kasten).

Die IVG hatte sich mit Großprojekten wie dem Bürohaus "The Squaire" am Frankfurter Flughafen übernommen. Im August 2013 stellte der Konzern den Insolvenzantrag wegen Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit. Das zuständige Bonner Amtsgericht eröffnete ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung (Schutzschirmverfahren) und bestellte einen externen Sachwalter.

Im März stimmten Gläubiger und Aktionäre einem Insolvenzplan zur Rettung der Firma zu: Die Aktionäre verlieren ihr Kapital dabei weitgehend, die Gläubiger - Hedgefonds und andere Finanzinvestoren - verzichten teilweise auf ihre Forderungen und werden im Gegenzug am Eigenkapital der IVG beteiligt. Der Bonner Steuerverzicht gehört laut Stadtverwaltung zu den Bedingungen des Insolvenzplans: Weigere sich die Stadt, platze die Vereinbarung. Gerichtlich festgesetzte Frist: 13. Juni. Bis dahin müssten auch eine weitere betroffene Kommune und das Finanzamt (Körperschaftssteuer) den Verzicht erklären.

IVG-Sprecher Jürgen Herres bestätigt: Ziehe Bonn nicht mit, drohe "mit hoher Wahrscheinlichkeit" die so genannte Regelinsolvenz. "Das dürfte Auswirkungen auf die bisher nicht betroffenen Tochtergesellschaften haben und bundesweit den Verlust von mehreren hundert Arbeitsplätze bedeuten", so Herres. Derzeit habe die IVG Immobilien AG 86 Mitarbeiter in Bonn. Bundesweit beschäftige der Konzern etwa 430 Personen. Gelingt die Rettung, soll das Unternehmen in Bonn noch etwa 40 Mitarbeiter haben.

In einem ähnlichen Fall hatte der Rat im Dezember 2013 der Solarworld AG rund zehn Millionen Euro Gewerbesteuern erlassen. Die Linkspartei sieht das Thema jedoch kritisch. Sie beantragt in der nächsten Ratssitzung, künftig Steuern auf "Sanierungsgewinne" zunächst nur zu stunden. "Die Ratsmehrheit hat das bisher zu schnell durchgewunken", kritisiert Fraktionschef Michael Faber.

Steuererlass komme nur zur Rettung von Jobs in Bonn als letztes Mittel in Frage. Die Stadt müsse sich einen Widerruf vorbehalten, falls die Firma später ihren Sitz aus Bonn abziehe oder weitere Jobs abbaue. Faber: "Diese Sicherheit ist das Mindeste, was man von Finanzinvestoren als Gegenleistung für millionenschweren Steuerverzicht erwarten kann."

Fiktive Steuern auf "Sanierungsgewinn"

Gläubiger und Aktionäre der IVG Immobilien AG haben sich auf einen Insolvenzplan geeinigt. Demnach verzichten die Geldgeber auf Teile ihrer Forderungen - nach Unternehmensangaben auf rund 2,2 Milliarden Euro. Diese Reduzierung der Schulden wird in der Bilanz als "außerordentlicher Ertrag" erfasst. Dieser "Sanierungsgewinn" steigert das Betriebsvermögen.

Dies wiederum löst eine Steuerpflicht aus, obwohl dem Unternehmen kein frisches Geld zugeflossen ist: Es werden Gewerbesteuer und Körperschaftssteuer fällig. Für die Körperschaftssteuer hat das Bundesfinanzministerium bereits 2003 in einem Erlass geregelt, unter welchen Bedingungen sie erlassen werden darf.

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