Prozess um Suizidfahrt Bewährungsstrafe für 85-jährigen Beueler

Bonn · Der 85 Jahre alte Mann aus Beuel, der mit seiner demenzkranken Ehefrau im November vergangen Jahres mit dem Auto absichtlich gegen einen Baum gefahren war, ist am Montag zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden.

„Er hat sich selber so bestraft, wie es schlimmer gar nichtsein könnte.“ Dieser Satz des Schwurgerichtsvorsitzenden JosefJanßen bringt die Tragik des am Montag beendeten Prozesses gegeneinen 85 Jahre alten Rentner auf den Punkt.

Der Beueler wurde – wieauch vom Staatsanwalt gefordert - wegen Totschlags im minderschweren Fall rechtskräftig zu einer zweijährigen Bewährungsstrafeverurteilt.

Wie berichtet wollte sich der Angeklagte am Vormittagdes 9. November 2014 gemeinsam mit seiner 81 Jahre alten Ehefrauumbringen. Auf der B56 Richtung Hangelar fuhr er mit seinem Autogegen einen Baum. Doch nur die Ehefrau verstarb zwei Tage später imKrankenhaus an den Folgen des Aufpralls. Der 85-Jährige überlebteund wurde stark selbstmordgefährdet bis in den Januar hinein in derLandesklinik behandelt.

Der Kammervorsitzende sprach in derUrteilsbegründung immer wieder von einem „Ausnahmefall“. Derehemalige Chemiearbeiter habe einen „untadeligen“ Lebenslaufvorzuweisen. Die Beziehung zur Ehefrau, mit der er mehr als 60 Jahreverheiratet war, sei auch deshalb „außergewöhnlich“ gewesen, weilsie „bis zum Schluss von inniger Liebe getragen war“. Das Leben desAngeklagten war laut Urteil geprägt von der Fürsorge um dieEhefrau, die an Demenz erkrankt war und unter Angstzuständen litt. „Er hat sich immer um seine Frau gekümmert – auch als es im Alterschwierig wurde“, so Janßen.

Die Richter sind überzeugt: „Nicht dasIch stand im Vordergrund, sondern seine Frau.“ Daher sei es auchbei der Tat nicht um den 85-Jährigen, sondern um den Wunsch seinerFrau gegangen, dass er sie nicht alleine lassen soll. Dies drohtein den Augen des Rentners, da ihm zur Tatzeit zwei Operationenbevorstanden und er befürchtete, dass er selber dement oder zumPflegefall werden könnte. Der Kammervorsitzende: „In dieser Sorgeum seine Frau war er derart eingeengt, dass er spätestens in derNacht auf den 9. November nur noch eine Lösung sah: Gemeinsam ausdem Leben scheiden.“ In jener Nacht schlief er so gut wie gar nicht undverfasste noch einen Abschiedsbrief an die beiden Kinder. In diesenschrieb er: „Wir haben Euch immer lieb gehabt. Denkt nur gut anuns.“

Die Richter gingen von einer eingeschränkten Schuldfähigkeitaus, da es objektiv Alternativen gab, diese für den im Haus seinesSohnes in einer eigenen Wohnung lebenden Rentner aber nichterkennbar waren, da er „in einem Tunnel“ stand. Janßen: „DieserFall ist derart außergewöhnlich gelagert, dass es ein minderschwerer Fall des Totschlags ist.“ Dem krebskranken Angeklagtenwarf das Gericht zwar vor, dass er nicht mit seiner Frau überseinen Plan gesprochen und somit ihr Vertrauen missbraucht habe.Allerdings habe er dies gerade deshalb nicht gemacht, damit siekeine Angst bekommt. Von Anfang an stand der Rentner laut Urteil zudem, „was er angerichtet hat“. Janßen dazu: „Wer einen anderenumbringt, lädt schwerste Schuld auf sich. Bei ihm ist das auch so.Er weiß das.“ Begleitet von seinen beiden Kindern, die ihn währenddes gesamten Prozesses unterstützten, verließ der Angeklagte nachder Urteilsverkündung das Gericht.

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