Countdown zum Beethovenjahr Auf der Suche nach dem Götterfunken

BONN · Der Countdown zum Jubiläumsjahr 2020 läuft. Doch die Vorbereitungen der Stadt Bonn stecken noch in den Anfängen.

Im Jahre 1970 pilgerte nach Bonn, was in der musikalischen Welt Rang und Namen hatte. Karl Böhm dirigierte die Wiener Philharmoniker, Herbert von Karajan die Berliner, Wilhelm Kempff, Emil Gilels, Arturo Benedetti Michelangeli, Claudio Arrau spielten Beethoven am Klavier, ebenso der eigenwillige Österreicher Friedrich Gulda, der nach der pianistischen Mount-Everest-Besteigung mit der "Hammerklaviersonate" des Bonner Meisters sein ehrfürchtig lauschendes Publikum in der Beethovenhalle mit eigenen Variationen über "Light my Fire" von den Doors als Zugabe verschreckte.

Das "Internationale Beethovenfest 1970" dürfe "mit Fug und Recht als das großartigste und bedeutendste aller weltweiten Beethovenfeste bezeichnet werden", heißt es in dem von Manfred van Rey, Ernst Herttrich und Thomas Daniel Schlee herausgegebenen Band "Die Beethovenfeste in Bonn".

Grund dafür, dass sich Bonn so ins Zeug gelegt hatte, war der 200. Geburtstag des größten Sohnes der Stadt, den das Beethovenfest mit drei übers Jahr verteilten großen Konzertzyklen beging, bei denen sich nicht nur die internationalen Koryphäen der Beethoven-Interpretation die Klinke in die Hand gaben, sondern auch die lokalen Institutionen wie das Orchester der Beethovenhalle und sogar Heribert Beissels Chur Cölnisches Orchester mit großen Aufführungen Beethoven'scher Werke einband.

Der 200. Geburtstag als Vorbild

Das damalige Festivaljahr, das noch viele weitere Highlights und ein schillerndes musikalisches Rahmenprogramm auch mit neuer und neuester Musik enthielt, könnte noch heute als Blaupause für die Festlichkeiten zum 250. Geburtstag des Komponisten im Jahr 2020 dienen, den Bonn erneut mit einem üppigen Strauß an Konzerten, Ausstellungen und weiteren Veranstaltungen feiern möchte und den die Bundesregierung als "nationale Aufgabe" festgeschrieben hat.

Die Frage ist: Wird es gelingen? Das endgültige Aus für das Festspielhaus-Projekt im Juni und die klamme Finanzlage Bonns sind da nicht eben hilfreich, um ein Jubiläumsjahr zu gestalten, das weit über Bonn hinaus ausstrahlen sollte. Zwar steht fest, dass die Beethovenhalle zentraler Veranstaltungsort wird, doch in welchem Zustand ist derzeit noch offen.

Die Pläne für die ab Oktober 2016 angedachte aufwendige Sanierung der Halle hat der kommende Bonner Oberbürgermeister Ashok Sridharan gerade im GA-Interview mit einem kräftigen Fragezeichen versehen. "Die Beethovenhalle muss so saniert werden, dass wir sie nicht schließen müssen", sagte er dieser Zeitung. Das bedeutet im Klartext: Es sollte nur das Allernötigste gemacht werden.

Kulturdezernent Martin Schumacher hat gerade erst dem Kulturausschuss die Grundzüge seines Konzeptes vorgelegt. Darin solle "der Anspruch ,Kultur für alle' so weit wie möglich eingelöst werden". In der Kulturszene wird das Papier (mehr als im Rat der Stadt) allerdings noch mit einiger Skepsis beäugt. Als "enttäuschend und ohne erkennbares Bonner Profil" kanzelte der Vorsitzende des Vereins "Bürger für Beethoven", Stephan Eisel, gar Schumachers konzeptionelle Ideen für 2020 ab.

Gegen den mottohaften, auf Beethovens Wirken und Wirkung bezogenen Dreiklang "Internationalität - Innovation - Emanzipation" ist natürlich wenig einzuwenden, auch nicht dagegen, die Feierlichkeiten vom Tauftag Beethovens am 17. Dezember 2019 bis zum 17. Dezember 2020 über ein ganzes Jahr zu erstrecken oder das Beethovenjahr unter doppelte Schirmherrschaft zu stellen. Denkbar wäre neben dem Bundespräsidenten eine repräsentative Künstlerpersönlichkeit wie zum Beispiel Daniel Barenboim.

Die Suche nach Geldgebern ist schwierig

Doch vieles in dem Papier wirkt tatsächlich noch recht vage. Immerhin will Schumacher die Projektbeschreibung auch als Bewerbungsmappe für die Einwerbung öffentlicher und privater Drittmittel für das Beethovenjubiläum verstanden wissen. Doch es ist kaum möglich, Geldgeber für Projekte zu finden, deren Realisierung absehbar schwierig werden.

Wie soll zum Beispiel gewährleistet werden, das Beethoven Orchester, wie Schumacher es vorschlägt, schon ab 2018 als Botschafter Bonns auf Tour zu den "führenden Konzerthäusern der Welt" zu entsenden, an denen das Beethoven-Haus mit einer Wanderausstellung gastieren will? Schließlich steht Bonn derzeit bei der Suche nach einem Nachfolger für den 2016 aus dem Amt scheidenden Generalmusikdirektor Stefan Blunier wieder ganz am Anfang.

Für Verhandlungen mit den Intendanten dieser Häuser, die wegen der langen Vorlaufzeit im internationalen Konzertbetrieb schon jetzt geführt werden müssten, ist das eine denkbar ungünstige Basis.

Schumachers Papier nennt noch weitere konkrete Projekte. Das sind zum Beispiel Ausstellungen in der Bundeskunsthalle, im Haus der Geschichte, im Bonner Kunstmuseum und im LVR-Landesmuseum. Mit Ausnahme des Kunstmuseums handelt es sich jedoch nicht um städtische Einrichtungen.

Das von Umzug und erheblicher Raumreduzierung bedrohte Stadtmuseum spielt bei den Überlegungen Schumachers keine Rolle. In den nichtstädtischen Einrichtungen wird relativ unabhängig von der Kulturverwaltung geplant. So koordiniert zum Beispiel das Beethoven-Haus unter Federführung seines Direktors Malte Boecker die Vorhaben von insgesamt elf Bundeseinrichtungen.

Bei Oper und Beethovenfest muss die Stadt ebenfalls nicht selbst initiativ werden: Die angedachte Neuinszenierung von Beethovens "Fidelio" und der noch zu vergebende Auftrag für die Komposition eines ganz neuen "Fidelio" liegen in der Verantwortung des Generalintendanten der Bonner Bühnen, Bernhard Helmich.

Die Intendantin des Beethovenfestes, Nike Wagner, plant neben der Aufführung von Auftragswerken zum Thema "mein Lieblings-Beethoven" die Versammlung aller großen deutschen Rundfunksinfonieorchester. Dass das Beethovenfest selbst wie 1970, ausgestattet mit erheblichen finanziellen Zusatzmitteln, seine Aktivitäten übers Jahr ausdehnen soll, davon ist nicht die Rede.

Es mangelt noch an lokalen Akzenten

Längst Tradition ist die in Schumachers Auflistung angeführte Beethoven-Woche des Beethoven-Hauses. Für die Erneuerung der Dauerausstellung in Beethovens Geburtshaus muss die Kommune erst Geldmittel locker machen, damit man auf die vom Bund bereits fest in Aussicht gestellten 1,5 Millionen Euro überhaupt zugreifen kann.

Doch wo können die Stadt und deren Anfang des Jahres installierte "Geschäftsstelle Beethoven 2020" unabhängig von den kommunal (mit)finanzierten Institutionen aktiv werden? Schumachers Konzept zeigt hier durchaus einige Ansätze auf.

Zum Beispiel mit der Einrichtung eines Musik-Campus, der neben den etablierten Institutionen wie Beethoven Orchester und Beethovenfest eine Beethoven-Akademie des Beethoven Orchesters und eine Opernakademie des Theaters sowie einen Education-Bereich und eine Art Kunst-Laboratorium enthalten soll.

Vor allem mangelnde lokale Akzente vermisst dennoch Stephan Eisel, Vorsitzender des Vereins "Bürger für Beethoven". "Das Bonner Jubiläumsprogramm muss sich deutlich von dem unterscheiden, was andernorts 2020 geschieht", fordert er.

Leitfaden müsse die Frage sein: "Was kann man zu Beethoven nur in Bonn erleben?" Gestern stellte er einen Acht-Punkte-Plan zur Diskussion, der sich der künstlerischen Prägung Beethovens durch seine Heimatstadt widmet, wo der Komponist 22 Jahre in einem politisch aufgeklärten und den Künsten zugewandten Klima lebte.

Die Veranstaltungen sollen sich an alle Bürger richten

Von der Stadt selbst organisierte Veranstaltungen fallen vor allem in den Sommer des Jubiläumsjahres und sollen sich an alle Bürger richten. Ein Open-Air-Konzert auf der Hofgartenwiese ist ebenso vorgesehen wie die "Verwandlung der Stadt" durch "vielfältige Kunstprojekte".

Ein Blick zurück ins Jahr 1970 zeigt, wie's geht. Selbst die "Zeit" lobte Bonn: "Wer da glaubte, die Kulturverantwortlichen der Stadt Bonn hätten sich angesichts der 200-jährigen Geburtstagsfeiern ihres genius loci von der fast schon pathologischen Einfallslosigkeit ihrer Kollegen in Salzburg, Wien oder anderswo anstecken lassen, irrte gewaltig."

Unter anderem gefiel es, dass Joseph Anton Riedl mit einer Klanginstallation den Marktplatz beschallte. Selbst der U-Musik wurde Eintritt ins Bonner Beethoven-Elysium gewährt, in Gestalt der Münchner Krautrockband Amon Düül II. "Aus Rücksichtnahme, auch um Protesten in Hinsicht auf mögliche ,Lärmbelästigungen' zu begegnen, waren die Bewohner rund um den Marktplatz - einschließlich der Insassen des wohl am meisten betroffenen ,Sternhotels' - schon im Vorhinein brieflich um Verständnis gebeten worden", berichtete die "Zeit". Ob solcherlei Maßnahmen heute ausreichen würde, erscheint hinsichtlich aktueller Lärmbeschwerden aber sehr fraglich.

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