57-jähriger Mediziner aus Bonn Arzt half Tochter nach Suizidversuch nicht

BONN · Als Arzt hat er sich verpflichtet, Leben zu retten, doch als seine eigene Tochter am 22. Mai vergangenen Jahres nach einem Selbstmordversuch seine Hilfe gebraucht hätte, soll er ihr nicht geholfen haben.

Davon ist die Staatsanwaltschaft überzeugt und hat den 57-jährigen Mediziner aus Bonn nun wegen unterlassener Hilfeleistung angeklagt, wie Behördensprecherin Monika Volkhausen auf Anfrage mitteilte.

Seit längerem lebte der 57-jährige Mediziner mit seiner 15-jährigen Tochter und seinem zehnjährigen Sohn allein in der Wohnung in Bonn, nach Aktenlage war die Mutter der Kinder gestorben. Und am Tag, als sich die Familientragödie zugetragen haben soll, stand die 15-Jährige morgens nicht auf und klagte darüber, dass es ihr nicht gut gehe. Der Vater sah kurz nach ihr und verließ schließlich das Haus. Gegen 14.20 Uhr ging er laut Anklage noch einmal in ihr Zimmer, sah sie immer noch im Bett liegen und ging wieder hinaus.

Da hatte seine Tochter laut Anklage in Selbstmordabsicht bereits 100 Schmerztabletten, die sie selbst besorgt und gehortet hatte, geschluckt. Doch ihr Vater kümmerte sich laut Anklage nicht weiter um sie. Erst ihr kleiner Bruder schlug eine Stunde später Alarm und rief einen Freund der Familie an. Als der kam und sah, in welchem Zustand die 15-Jährige war, rief er den Rettungsdienst, der das Mädchen ins Krankenhaus brachte. Dort wurde es dann vier Tage lang stationär behandelt. Der Vater aber erklärte der Polizei, er habe nicht bemerkt, in welchem Zustand seine Tochter gewesen sei. Als er nachmittags in ihrem Zimmer gewesen sei, habe sie jedenfalls keine Vergiftungserscheinungen gehabt.

Er habe das alles ohnehin nicht so ernst genommen, denn er sei davon ausgegangen sei, dass sie nur deshalb im Bett gelegen habe, weil sie sich vor dem Sportunterricht habe drücken wollen, denn den habe sie gehasst. Die Staatsanwaltschaft geht jedoch davon aus, dass er gerade als Arzt sehr wohl mitbekommen habe, in welch ernstem Zustand seine Tochter gewesen sei. Und deshalb wirft sie dem Vater nun vor, weder einen Notarzt gerufen, noch sein Kind ins Krankenhaus gebracht zu haben.

Wann sich der 57-Jährige vor dem Bonner Jugendschöffengericht als Jugendschutzgericht verantworten muss, steht noch nicht fest. Wie Amtsgerichtsdirektorin Birgit Niepmann als Sprecherin ihrer Behörde auf Anfrage erklärte, liegen die Akten dieses besonderen Falls noch beim Familiengericht, weil für die minderjährige 15-Jährige ein Ergänzungspfleger bestellt werden muss.

Weil die Mutter des Kindes tot und der Vater angeklagt ist, muss nun ein Bevollmächtigter wichtige Entscheidungen für das Mädchen treffen. So muss entschieden werden, dass die behandelnden Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden werden, um über den Zustand der 15-Jährigen aussagen zu können. Laut Niepmann müsse zudem "geprüft werden, ob das Mädchen die Bedeutung einer Aussage oder einer Aussageverweigerung vor Gericht erkennt". Das Mädchen lebt zurzeit bei einer Tante.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort