Stadtkonservator führt durchs Haus der Bildung Alte Substanz, moderner Anbau

Bonn · Die beiden Uhren hängen längst wieder im Turm, behutsam wurde alte Bausubstanz mit moderner Architektur verbunden: Das Alte Stadthaus hat in den vergangenen Jahrzehnten viele Epochen erlebt und überstanden. Besatzung, Kriegswirren, moderne Stadtplanung und Abriss eines Teils in den 1960er Jahren.

 Die Teilnehmer der Führung besichtigen mit Franz-Josef Talbot (r.) das Haus der Bildung.

Die Teilnehmer der Führung besichtigen mit Franz-Josef Talbot (r.) das Haus der Bildung.

Foto: Barbara Frommann

"Wir haben hier vor fast 60 Jahren geheiratet", sagen Änne und Hans Kunz. Deshalb haben sie die Einladung von Bonns Stadtkonservator Franz-Josef Talbot gerne angenommen.

"Wie es früher aussah, das wissen wir ja. Wir wollen uns jetzt einmal ansehen, was daraus gemacht worden ist", so die 84-jährige Bonnerin. Allerdings musste wegen des Regens das Programm geändert werden. Der Außenbereich wurde nicht besichtigt, im Inneren konnte nur ein kleiner Teil inspiziert werden.

Deshalb gab der Konservator im Sitzungssaal einen Überblick über die Nutzung des Areals vom Mittelalter an. "An diesem Standort trafen schon immer zwei Welten aufeinander", so Talbot. Denn das Gelände des heutigen Bottlerplatzes trennte einst die historische Innenstadt mit dem Münster als Mittelpunkt von der Neustadt.

Die Kaserne der kurfürstlichen Reiter mit Stallungen und Unterkünften stand ab 1750 nebenan, später waren die Münsterknaben- sowie die Münstermädchenschule in der Nachbarschaft untergebracht. Um 1900 veränderte die Stadt ihr Aussehen. Die Rheinbrücke wurde eröffnet, ein Durchbruch zum Bahnhof (die heutige Poststraße) entstand, die Kaserne wurde verlagert.

Verwaltungsgebäude für die französische Besatzungsmacht

"Mit der starken wirtschaftlichen Entwicklung veränderte sich auch das Aussehen der Innenstadt", so Talbot. Das Alte Stadthaus wurde schließlich 1922 von dem Münchener Architekten German Bestelmeyer geplant. Der Bau war als Verwaltungsgebäude für die französische Besatzungsmacht vorgesehen, die im Gefolge des Ersten Weltkrieges das Rheinland besetzt hatte. 1925 wurde das Gebäude, dessen Ostflügel sich bis zur heutigen Vivatsgasse erstreckte, vollendet.

Ende der 1960er, Anfang der 1970er Jahre erlebte das Ensemble, das auf einer erhaltenen Bastion der barocken Stadtbefestigung errichtet worden war, erneut eine Veränderung. Denn im Zuge der Innenstadtplanung mit dem Neubau von Karstadt (ehemals Hertie) und der Cassiusbastei wurde auch ein Teil des Alten Stadthauses (heute C&A) abgerissen.

"Hätte es einen Investor für den Rest gegeben, dann stünde er heute auch nicht mehr", ist sich der Stadtkonservator sicher. Als die Verwaltung 1975 in das neue Stadthaus umzog, wurde das Gebäude erneut grundlegend verändert: Im Erdgeschoss wurden Wände eingerissen und die Räume neu gestaltet.

Noch einmal - Anfang 2000 - gab es Debatten über die Zukunft des Hauses. Damals war mit der Erweiterung der Karstadtfiliale auch eine Ansiedlung von Einzelhandelsgeschäften im Erdgeschoss des ehemaligen Verwaltungsgebäudes im Gespräch. Dafür sollten die Fenster vergrößert und das Kellergeschoss tiefer gelegt werden. Allen Planungen zum Trotz "rettete" sich das Alte Stadthaus mit seiner Fassade in die heutige Zeit.

Es wurde ein einzigartiger Synergieeffekt geschaffen

Zwar bedauern viele, dass das Siemens-Haus an der Ecke zur Münsterstraße abgerissen und durch einen modernen Kubus im Zuge der Umgestaltung ersetzt worden ist, aber: "Durch den neuen Eingang, der das alte und das neue Gebäude miteinander verbindet, wurde ein einzigartiger Synergieeffekt geschaffen. Es musste etwas Wuchtiges sein, damit das Gebäude gegenüber der angrenzenden Bebauung nicht untergeht", so Franz-Josef Talbot.

Allerdings kann er sich mit dem neu gestalteten Außenbereich noch nicht ganz anfreunden. "Ich hätte mir hier etwas Grünes gewünscht." So habe man rund um die Tiefgaragenausfahrt eine minimalistische Lösung gewählt. "Sind die schon fertig oder kommt noch was?", frage er sich manchmal, wenn er den Außenbereich betrachtet. Als Stadtkonservator leitet Franz-Josef Talbot die Untere Denkmalbehörde. Sie berät in allen Fragen im Zusammenhang mit Denkmalschutz und Denkmalpflege.

Sie ist zuständig für die Eintragungen in die Denkmalliste, das denkmalrechtliche Erlaubnisverfahren, ordnungsbehördliche Maßnahmen, für die Ausstellung von steuerlichen Bescheinigungen sowie die Erteilung von Zuschüssen.

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