Synodenthema Ehe, Familie und Kirche Wo Kirche "menschenverachtend" handelt

BONN · Der Stadtdekanat veröffentlicht Rückmeldungen von Gläubigen zum Synodenthema "Ehe, Familie und Kirche". Viele Zuschriften sind herzzerreißend.

"Ich mache mir große Sorgen, meinen Job bei der Kirche zu verlieren", schreibt ein Katholik. Der Grund? Die leidvolle Scheidung droht, und als Strafe der Stellenverlust dazu.

"Völlig menschenverachtend" handle ihre Kirche, klagt eine Frau. "Da mein Mann sich von mir getrennt hat, bekomme ich schon bei der Überlegung, erneut zu heiraten, Probleme." Ihr homosexueller Sohn müsse sich von der Kirche regelrecht ausgegrenzt fühlen, schreibt sich eine Mutter ihr Leid von der Seele.

Und ein anderes Mitglied schildert das Schicksal seiner Familie so: "Dass meine Eltern aufgrund der von der Kirche nicht akzeptierten Scheidung meines Vaters von seiner ersten Frau von den Sakramenten ausgeschlossen sind, schmerzt mich sehr. Mein Vater hat die Kirche verlassen. Ich kann es verstehen."

Das Stadtdekanat hat in einer aktuellen Befragung zu "Ehe, Familie und Kirche" (der GA berichtete) sehr viele dieser schmerzlichen und zum Teil wütenden Antworten erhalten - und sie nun auch online gestellt.

"In Konsequenz unserer Zukunftswerkstatt “Auf!Trag Kirche„ hatten wir mit dem Katholikenrat dem päpstlichen Fragebogen von Ende 2013 einige Fragen angefügt, aus deren Beantwortung wir nun Schlüsse für die konkrete Arbeit der Kirche vor Ort ziehen wollen", erläuterte Stadtdechant Wilfried Schumacher.

Die Auswertung der mehr als 7000 Volltextantworten liege nun auf gut 500 Seiten vor. Sie könne als eine bundesweit einmalige Sammlung von differenzierten Rückmeldungen aktiver Katholiken gelten. "Es kommt jetzt darauf an, in einem weiteren offenen Dialog die richtigen Wege zu erkennen, die wir hier gemeinsam gehen müssen", betonte Schumacher.

Er werde zu einem öffentlichen Gespräch einladen. Quintessenz sei auf jeden Fall, dass die Bonner Katholiken von ihrer Kirche erwarten, dass sie sich mit ihnen auf den Weg zu einer "lebensnahen, evangeliumsgemäßen und jeden Menschen wertschätzenden Kirche" mache, so Schumacher.

2217 Personen hatten die Chance wahrgenommen, auch Themen wie Verhütung, Scheidung und Homosexualität anzusprechen. Kirche möge hier nicht weiter ihrem negativen Verbotsimage gerecht werden, sondern das Leben in seinen vielfältigen Ausprägungen akzeptieren, war Konsens bei vielen Teilnehmern. Ihre Ziele hießen: "Kirche wertschätzt alle Beziehungsformen, die Ausdruck der Liebe sind. Sie bejaht Körper und Sexualität."

Die Befragung bestätige die große Diskrepanz in Bezug auf Ehe, Partnerschaft und Sexualität zwischen der Lehre und der Lebenswirklichkeit auch der Menschen, die sich der Kirche verbunden fühlten, erläuterte Norbert Koch, Referent für Ehepastoral.

Mit ihrer Fixierung auf das "Ideal der Normalo-Ehe/Familie" wirke die Kirche für das Gros der Befragten weltfremd und verkenne die Vielgestaltigkeit heutiger Beziehungsformen. "Statt auszugrenzen, wünscht man eine Kirche, die lernfähig ist und in einer dem Evangelium entsprechenden Weise Anteil am Leben der Menschen nimmt." Neu sei, dass genau das im Bonner Antwortenkatalog innerhalb der Kirche so offen ausgesprochen werden durfte.

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