Interview mit "German Doctors" "Wir können uns nicht vor Ebola verstecken"

BONN · Nach Weihnachten machen sich Dorian Jungmann (31) und seine Freundin Teresa De La Torre (28) auf den Weg ins westafrikanische Sierra Leone.

Ein Jahr lang wollen die beiden jungen Ärzte im Südosten des Landes im Serabu Community Hospital für die in Bonn ansässige Organisation German Doctors (siehe auch nächste Seite) arbeiten. Über Angst, Verantwortung und das Elend im Schatten des Virus sprachen sie mit Johanna Heinz.

Warum haben Sie sich entschieden, mit German Doctors nach Sierra Leone zu gehen?
Dorian Jungmann: Als wir uns für ein Jahr verpflichtet haben, war Ebola noch kein Thema. Wir wollten uns im Krankenhaus in Serabu in Sierra Leone um Menschen kümmern, die keinen Zugang zu medizinischer Versorgung haben.
Teresa De La Torre: Eigentlich wollten wir schon im August dort anfangen, aber damals wurden gerade ganze Stadtteile unter Quarantäne gestellt. Gemeinsam mit der Organisation haben wir entschieden, dass die Lage zu unsicher ist.

Warum fahren Sie nun doch?
Jungmann: Viele Menschen reagieren, auch wegen der Darstellung in den Medien, völlig irrational: Die Ansteckungswege von Ebola sind im Vergleich zu anderen Viruserkrankungen, wie beispielsweise Masern, leichter zu kontrollieren. Einer Ansteckung kann somit besser und leichter vorgebeugt werden. Das Risiko ist kalkulierbar. Und wir als Ärzte können uns nicht vor einer Krankheit verstecken. Wir haben uns entschieden, dort humanitäre Hilfe zu leisten. Und die wird jetzt umso mehr gebraucht. Da entwickelt man ein Verantwortungsgefühl. Dabei geht es gar nicht darum, Ebola zu bekämpfen - Nothilfe ist ja gar nicht das Anliegen von German Doctors. Aber Sierra Leone ist eines der ärmsten Länder der Welt und immer noch vom Bürgerkrieg gezeichnet. Und was meist ausgeblendet wird: Neben den rund 2000 Ebola-Toten insgesamt sterben wöchentlich wahrscheinlich tausend Menschen an Malaria. Während in dem Krankenhaus vor dem Ebola-Ausbruch 20 Notfallkaiserschnitte im Monat durchgeführt wurden, sind es jetzt vielleicht noch zwei. Die Menschen bleiben den Krankenhäusern fern, aus Angst, sich anzustecken. Die Grundversorgung ist zusammengebrochen, es gibt im Land fast keine Ärzte mehr. Die Lebensmittel sind knapp, viele Kinder seit Monaten nicht in die Schule gegangen. Bei unserer Arbeit werden wir aber sicherlich auch mit dem Ebola-Virus in Berührung kommen, beispielsweise wenn Verdachtsfälle zu uns kommen. Und wir werden Aufklärungsarbeit leisten.

Wie bereiten Sie sich auf einen solchen Einsatz vor?
Jungmann: Wir haben wirklich jedes einzelne wissenschaftliche Paper, jeden wissenschaftlichen Artikel, der in den vergangenen Monaten zum Thema erschienen ist, gelesen. Mit Tod und Leid können wir umgehen. Worauf wir uns nicht vorbereiten können, ist die soziale Situation. Die Menschen können sich nicht berühren. Man kann sich keinen Kugelschreiber ausleihen, keine Hand schütteln, keinem vertrauen.
De La Torre: Eine schwierige Situation ist, dass unsere Eltern und Freunde sich großen Sorgen machen und sagen: Ihr seid verrückt, dort hinzugehen. Da arbeiten wir gerade noch am Verständnis. Es würde sich nicht gut anfühlen, anderen Menschen zu helfen, während man die eigene Familie unglücklich macht.

Hilft es in einer solchen Situation, dass Sie zu zweit sind?
Jungmann: Auf der einen Seite ist das natürlich schön, auf der anderen birgt es auch ein Risiko. Wir werden uns nicht komplett voneinander fernhalten. Wir haben uns schon überlegt, dass unser Haus eine Art "panic room" sein muss - nur wir dürfen es betreten und an der Tür werden die Klamotten ausgezogen.
De La Torre: Hoffentlich wird sich die Situation ab Mitte des kommenden Jahres entspannen. Beruhigend ist: Wenn wir nach sechs Monaten sagen "Wir können nicht mehr", können wir jederzeit zurückkommen.

Zu den Personen

Teresa De La Torre, 28, wurde in Spanien geboren. Sie hat in Barcelona Medizin studiert und lebt seit 2011 in Deutschland. Dorian Jungmann, 31, wurde in Hamburg geboren. Er hat in Wien und Barcelona Medizin studiert. Die beiden haben sich 2009 bei einem Praktikum auf der indonesischen Insel Sumatra kennengelernt und wohnten zuletzt in Braunschweig.

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