Fahrradfahren in Bonn Überall gefährliche Ecken

BONN · Die Zahl der Unfälle mit Radfahrern ist im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Neuralgische Punkte sind Belderberg, Bertha-von-Suttner-Platz und die Kennedybrücke.

 Für Autofahrer eine unübersichtliche Stelle - und für Radfahrer eine Gefahrenstelle: Am Koblenzer Tor fehlt aus Sicht des ADFC eine bessere Straßenmarkierung.

Für Autofahrer eine unübersichtliche Stelle - und für Radfahrer eine Gefahrenstelle: Am Koblenzer Tor fehlt aus Sicht des ADFC eine bessere Straßenmarkierung.

Foto: Simon Bartsch

Schwere Verletzungen, ein zerstörtes Fahrrad, ein dicker Blechschaden: Ein Autofahrer hatte Mitte Mai am Bertha-von-Suttner-Platz beim Abbiegen auf den Belderberg einen von der Kennedybrücke kommenden Radfahrer übersehen. Der junge Mann musste nach dem Zusammenstoß ins Krankenhaus gebracht werden. Nur wenige Wochen zuvor war an gleicher Stelle ein 66 Jahre alter Radfahrer nach ähnlichem Muster verunglückt und trug ebenfalls schwere Verletzungen davon.

"Diese Stelle gehört schon zu den auffälligen Ecken in Bonn", sagt Werner Böttcher, Sprecher der Verkehrsplanungsgruppe des ADFC Bonn/Rhein-Sieg. "Es gibt zwei Arten von Gefährdung für Radfahrer: die objektive, die wirklich da ist. Aber auch die subjektive, die der Radfahrer empfindet." Und die ist rund um den Suttner-Platz groß. Gerade Richtung Beuel: Rechtsabbieger müssen mit ihren Wagen über den Radweg die Spur wechseln. Der Radweg über die Kennedybrücke ist an der Ecke Belderberg beidseitig befahrbar. "Passive Radfahrer fahren dort schon aus Angst möglichst weit rechts. Dann haben sie aber keine Ausweichmöglichkeit mehr. Der Streifen ist breit genug, sie sollten links fahren, dann haben sie noch Platz", sagt Böttcher. Hinzu kommt ein unübersichtlicher Fußgängerübergang und Radweg an der Kreuzung. Dort hatte es im Mai den Unfall gegeben. "Die Ecke ist für die Autofahrer schon ziemlich unübersichtlich", sagt Böttcher. "Manchmal muss man sich fragen, ob ein Leben weniger Wert ist als das Blech eines Autos."

In Bonn ist die Zahl der Unfälle mit Radfahrern im vergangenen Jahr deutlich gestiegen. Die Polizei verzeichnete in ihrem Gebiet, zudem neben Bonn auch Königswinter, Bad Honnef und der linksrheinische Rhein-Sieg-Kreis gehören, 731 Unfälle mit Radfahrbeteiligung und damit 128 mehr als noch 2013. Ein Anstieg von 17,3 Prozent. "Das liegt nicht daran, dass Bonn etwa besonders gefährlich für Radfahrer wäre. Das ist es nicht", relativiert Böttcher. "Man muss einfach sehen, dass deutlich mehr Menschen Fahrrad fahren. Das bedeutet leider auch, dass es mehr Unfälle mit Radfahrern gibt." Immerhin sieht die Polizei für die ersten Monate 2015 keinen weiteren markanten Anstieg.

Nur wenige hundert Meter weiter gibt es auf der Beueler Seite der Kennedybrücke einen weiteren gefährlichen Punkt: An der Ecke Hermannstraße gefährden Rechtsabbieger Radfahrer. "Hier ist das Nadelöhr ein Problem. Ich wünschte mir, dass wir hier ein Stoppschild hätten. Das wäre im Sinne der Radfahrer", sagt Böttcher. Dass die Stadt auch im Sinne der Radfahrer handelt, sieht man ein paar Meter weiter östlich an der Ecke St.-Augustiner-Straße/Professor-Neu-Allee. "An solchen Stellen gilt normalerweise ,Vorfahrt achten', was wir an dieser Stelle wegen Unfällen in ein Stoppschild geändert haben", sagt Axel Reiß von der Straßenverkehrslenkung. "An der Hermannstraße ist der Verkehr von der Brücke der Abbieger und muss deshalb gemäß der StVO den Vorrang des gradlinig fahrenden Verkehrs beachten." Weitere Problemstellen stünden bei der Stadt auf der Agenda. Im Zuge des Arbeitskreises Infrastruktur habe es zwei Rundfahrten mit Vertretern von ADFC und Polizei gegeben. Verschiedene unfallträchtige Punkte im Stadtgebiet seien begutachtet worden, unter anderem die Kreuzung Belderberg/Suttner-Platz sowie am Brückenforum. Verbesserungsvorschläge seien umgesetzt worden, weitere würden folgen. "Gefahren bestehen überall da, wo Rechtsabbieger die geradeaus fahrenden Radfahrer übersehen können. Zum Beispiel an der Reuterstraße", weiß Böttcher.

Eine weitere Gefahr sieht er rund um den Hauptbahnhof. Dort sei es für die Radfahrer unübersichtlich und von daher gefährlich. "Meiner Meinung nach wird es nach der kostenspieligen Umgestaltung des Hauptbahnhofs auch keine Verbesserung geben, es wird eher noch schlimmer", sagt Böttcher. Das sieht die Verwaltung anders. "Wir schlagen dort die Einrichtung eines Zweirichtungsradweges vor dem Bahnhofsgebäude vor, der die Situation des Radverkehrs dort erheblich verbessern wird", so eine Pressesprecherin der Stadt. ADFC-Vertreter hätten eine Schutzstreifenlösung bevorzugt, diese habe aber den entscheidenden Nachteil, dass der Radverkehr in den Konflikt mit Bussen und Bahnen komme.

"In vielen Fällen ist einfach die Streckenführung unfallgefährdend. Zum Beispiel bei Kreisverkehren oder am Koblenzer Tor, wo stadteinwärts dem Autofahrer nicht klargemacht wird, dass er sich mit dem Radfahrer die Engstelle teilt", erklärt Böttcher. "An anderen Stellen wissen Autofahrer nicht, wie sich der Radfahrer verhalten darf." Zum Beispiel bei Fahrradstraßen, die es an vielen Stellen in Bonn gibt. Diese dürfen Radfahrer entgegen der Einbahnstraße beidseitig benutzen, wie im Florentiusgraben. "Hier fahren die Autos schon einmal zu schnell durch", sagt Böttcher.

An der falschen Verkehrserziehung liege es aber nicht. "In diesem Fall kann es sich um Unwissenheit handeln. Es mangelt aber vor allem am Willen, die bekannten Regeln auch einzuhalten, und an der Rücksichtnahme auf andere Verkehrsteilnehmer."

Das sieht die Stadt ähnlich und hat Maßnahmen ergriffen. "Vor zwei Jahren hat Bonn als erste Stadt in NRW die Rücksichtskampagne übernommen und weist damit noch gezielter auf die Notwendigkeit gegenseitiger Rücksichtnahme hin", so die Pressesprecherin. Auch für Böttcher eine unabdingbare Sache. "Defensives, vorausschauendes Fahren als Schwächerer ist immer angesagt: ,Er war es nicht schuld' auf dem Grabstein stehen zu haben, nützt mir nichts."

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Erfolg bemisst sich an Taten
Kommentar zur Bonner Klimaplan-Bilanz Erfolg bemisst sich an Taten
Aus dem Ressort