Bonner Stiftskirche Taufkirche für missionierte Franken

BONN · "Die Stiftskirche ist gewiss nur ein kleiner Flecken in unserer Stadt. Aber man hat doch hier versucht, das verschandelte Antlitz der von Gott großartig gedachten und gefügten Erde zu erneuern - in einem zwar schmalen, doch aus der Fahlheit herausgehobenen Raum: Un de Ääd kritt e janz neu Jeseesch."

 Im Jahre 1925 bekommt die Stiftskirche neue Glocken. Die alten waren im Ersten Weltkrieg für Kanonen eingeschmolzen worden. In einer Prozession bringen Bonner die Klangkörper zum "Kuhlen Dom".

Im Jahre 1925 bekommt die Stiftskirche neue Glocken. Die alten waren im Ersten Weltkrieg für Kanonen eingeschmolzen worden. In einer Prozession bringen Bonner die Klangkörper zum "Kuhlen Dom".

Foto: ARCHIV STIFTSKIRCHE

Mit diesem rheinischen Psalm schließt Heinrich Lützeler (1902-1988) seine humorvolle Betrachtung über die Bonner Stiftskirche, die im Volksmund "Kuhle Dom" genannt wird.

Der "Kuhle Dom" ist seit mehr als 125 Jahren das Herzstück der heutigen Pfarrei Sankt Petrus, deren Ursprünge indes viel älter sind. Die Katholiken in Nord- und Altstadt feiern in diesem Jahr "1000 Jahre Kirche im Bonner Norden". Anlass ist eine Urkunde, die Kaiser Heinrich II. am 25. Februar 1015 dem Nonnenkloster des Heiligen Petrus ausstellte, das die damalige Dietkirche - auch Volkskirche - in der südwestlichen Ecke des römischen Legionslagers unterhielt. In der Urkunde vermacht der Kaiser dem Frauenstift eine Besitzung in Königswinter.

"Die Bezeichnung Dietkirche spricht eindeutig dafür, dass die Kirche nicht nur vom dort ansässigen Benediktinerinnen-Konvent, sondern auch als Pfarrkirche genutzt wurde", erläutert die Bonner Historikerin Alheydis Plassmann. Dies sei somit der erste urkundliche Beleg der Vorgänger-Pfarrei, die in ihrer Funktion als Taufkirche sogar Menschen aus dem Vorgebirge anzog. Bei Sankt Petrus geht Plassmann davon aus, dass die Pfarrei schon im fünften Jahrhundert bestand. Jedenfalls habe damals in der südwestlichen Ecke des alten Römerlagers vermutlich ein kirchlicher Saalbau gestanden. "Die Stiftspfarrei gilt also zu Recht als älteste Bonner Pfarrei", folgert die Historikerin. "Im Laufe des neunten Jahrhunderts wurde sie jedoch vom Cassius-Stift ,überschattet', da sich der Stadt-Mittelpunkt verschob."

Beim Jubiläum geht es um die Institution der Pfarrgemeinde, die zwar 1015 noch von einem Nonnenkloster getragen wurde, aber gestern wie heute christliches Leben und soziale Integration organisiert. Ganz bewusst hat die Konzeptgruppe der Pfarrei das Jubiläum nicht mit der Überschrift "1000 Jahre Stift" versehen, um das Augenmerk auf die vielfältige kirchliche Entwicklung im Viertel zu lenken. Archäologische Funde mit christlichem Interpretationsspielraum waren im Römerlager selten, berichtet Plassmann.

Man könne aber davon ausgehen, dass im Zuge der Christianisierung der Franken das christliche Leben im alten Castrum schrittweise in Gemeindeleben überging und dass die Taufkirche eine Anziehungskraft auf das Umland ausübte. Der Stadtmittelpunkt Bonns entfernte sich jedoch vom alten Römer-Castrum. Die zunehmende Verehrung für die mit der Thebäischen Legion verbundenen Märtyrer Cassius, Florentius und Mallosus habe zu einer Verschiebung des religiösen Mittelpunktes und des Stadtzentrums geführt - nämlich um das heutige Münster herum, führt Plassmann aus.

Schon 1021 lag das alte Römerlager außerhalb der Stadt, wie eine weitere Kaiser-Urkunde für das Stift bezeugt. Die 1015 beschenkte Dietkirche ist der Vorgängerbau der gotischen Kirche, deren Reste man heute noch im Rosental sehen kann. 1483 wurde der Benediktinerinnen-Konvent in ein freiadliges Damenstift umgewandelt. Die religiöse Gemeinschaft war zum Chordienst verpflichtet. Die Frauen mussten kein Gelübde ablegen; sie konnten also auch heiraten. Um Kirche und Stift bildete sich später das Dorf Dietkirchen mit Höfen, einer Mühle und einigen Gassen.

Bei der Belagerung Bonns im Truchsessischen Krieg flohen die adligen Damen 1583 in die engere Stadt und kamen in einem Haus an der Kölnstraße unter. Beim Ausbruch der Pest flohen sie nach Sechtem und zeitweise sogar nach Köln. 1672/73 wurden die Stiftsbauten für die neue Verteidigungsanlage Bonns niedergelegt, und man behalf sich mit der Pauluskapelle.

Auf dem heutigen Grundstück der Stiftskirche ließ Kurfürst Clemens August 1729 für das Damenstift einen barocken Neubau errichten. Mit der Franzosen-Zeit und der Auflösung des Stiftes 1802 trat dann die Gemeinde mehr in den Vordergrund.

Da Bonn auch im 19. Jahrhundert stark wuchs, wurde der Barockbau zu klein. Man plante einen Neubau in neugotischem Stil, zunächst unter Einbeziehung der Kuppel des Barockbaus. Doch im Verlauf der Bauarbeiten unter Leitung von Heinrich Wiethase erwies sich die Kuppel als zu brüchig und wurde abgerissen. 1886 wurde der heutige Bau geweiht.

Die Stiftskirche wurde im Verlauf des Zweiten Weltkriegs stark beschädigt, konnte aber wieder völlig restauriert werden. So ist der "Kuhle Dom" auch heute noch das Zentrum des Viertels und ein wichtiger Bestandteil der Pfarrei St. Petrus mit ihren insgesamt fünf Kirchen.

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