Interview Staatssekretär Georg Schütte: "Es gibt noch Luft nach oben"

Bonn · Über den Wissenschaftsstandort Bonn sprach mit dem Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Georg Schütte, Cem Akalin.

Als früherer Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung kennen Sie die Region und im speziellen den Wissenschaftsstandort sehr gut. Was ist Ihr Eindruck?
Georg Schütte: Der Standort hat sich dynamisch entwickelt. Bonn ist ein Standort mit einer herausragenden Universität, die eingebettet ist in eine Landschaft mit etlichen anderen Instituten und Forschungseinrichtungen. Bonn ist exzellent vernetzt mit einer forschungsstarken Universität Köln und der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen. Insofern gibt es hier Potenzial, wie es nur in wenigen anderen Regionen Deutschlands vorzufinden ist.

Was fehlt denn noch, um diesen Schwerpunkt auszubauen beziehungsweise überregional und international sichtbarer zu machen?
Schütte: Man muss diesen Forschungs- und Wissenschaftsstandort in der Welt so bekannt machen, dass die klügsten jungen Leute, die Nachwuchswissenschaftlerinnen und Nachwuchswissenschaftler, hierherkommen. Die Reputation ist gestiegen, aber es gibt noch Luft nach oben.

Humboldt-Stiftung (AvH), Akademische Austauschdienst (DAAD), Forschungsgemeinschaft (DFG) und Fraunhofer Gesellschaft (FhG) arbeiten auf einigen Feldern bereits eng zusammen: Zum Beispiel im Verbund Internationales Forschungsmarketing "Research in Germany - Land of Ideas", mit dem im In- und Ausland für den Forschungsstandort Deutschland geworben wird. Warum kommen sie damit nicht weiter?
Schütte: Doch, wir kommen ja weiter. Gerade diese Forschungsmarketingkampagne, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert wird, hat Fortschritte gebracht. Es gibt gezielte Kampagnen in einzelnen Ländern, aber auch für einzelne Wissenschaftszweige. Aber das sind dicke Bretter, die man bohrt.

Nämlich?
Schütte: Hier geht es ja nicht darum, kurzfristig mit einem Auftritt auf einer Bildungsmesse ein Strohfeuer zu entzünden, sondern darum, nachhaltiges Interesse zu erzeugen. Und Einrichtungen wie die Humboldt-Stiftung oder der DAAD sind Gold wert, weil sie Brücken des Vertrauens aufbauen. Da werden Beziehungen zwischen Personen aufgebaut, die weiterwirken. Aus Forschungsaufenthalten erwachsen Ideen für internationale Graduiertenkollegs, die dann von der DFG gefördert werden. So erwachsen aus dem Saatkorn des einen Aufenthaltes hier Strukturen der Zusammenarbeit. Daran müssen wir weiterarbeiten.

Dennoch muss man auch verzeichnen, dass es viele deutsche Forscher und Wissenschaftler gibt, die ins Ausland gehen. Das Land NRW hat zum Beispiel ja sogar ein Rückkehrerprogramm, mit dem es Wissenschaftler, die im Ausland forschen, zur Rückkehr nach NRW bewegen will. Da läuft offensichtlich etwas falsch?
Schütte: Nein, überhaupt nicht. Ich finde das sogar sehr richtig. Wir können uns doch als Innovationsstandort überhaupt nicht leisten, wenn unsere wissenschaftlichen Eliten nicht den Weg in die Welt finden würden. Wissen hat keine nationalen Grenzen. Es gibt inzwischen überall Forschungsschwerpunkte. Die Wissenschaftswelt hat sich geändert.

Inwiefern?
Schütte: In der Zeit des Kalten Krieges gab es eine bipolare Welt - auch bei den Wissenschaften. Klare Forschungszentren waren die USA und die damalige Sowjetunion, heute dagegen haben wir eine multipolare Wissenschaftswelt - mit Zentren der Exzellenz in Japan, China, Australien und Neuseeland, in den USA, in Lateinamerika, in Europa und sogar in Standorten einiger sogenannter Entwicklungsländer in Afrika. Und da ist es wesentlich, dass wir Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben, die sich in diesen Ländern auskennen und Verbindungen aufbauen.

Aber sind wir auch attraktiv genug, um diese Leute wieder hierherzubekommen?
Schütte: Richtig, das ist eine zentrale Frage. Aber erstens sind wir auch für Studierende aus dem Ausland hochattraktiv. Deutschland steht an dritter Stelle weltweit für international mobil Studierende. Wir sind eine der Topadressen weltweit, und das auch für renommierte internationale Wissenschaftler. Die Humboldt-Professuren etwa zeigen, dass es gelingt, jedes Jahr Spitzenwissenschaftler zu identifizieren, die bereit sind, auf mittlere Sicht hier zu bleiben oder sogar ihre Karriere dauerhaft in Deutschland fortzusetzen.

Aber?
Schütte: Aber wir müssen uns anstrengen, angemessene Karrieremöglichkeiten für Nachwuchswissenschaftler anbieten zu können. Wir standen mal schlechter da, aber mit der Exzellenzinitiative haben wir in Deutschland Karriereperspektiven aufgebaut.

Es gibt auch kritische Stimmen zu den Exzellenzclustern, weil diese zu einer Zwei-Klassen-Gesellschaft unter den Unis führen.
Schütte: Was mit einer solchen Initiative gewünscht ist, ist eine Differenzierung der Hochschullandschaft. Es sind eben nicht alle gleich, und das war der internationalen Wissenschaft schon seit Jahren bewusst.

Wie meinen Sie das?
Schütte: Wenn Sie sich die Förderstatistiken beispielsweise der Humboldt-Stiftung oder der DFG anschauen, dann sehen Sie, dass es Universitäten gibt, die international attraktiv sind. Und es gibt solche, die andere Schwerpunkte setzen, zum Beispiel in der Lehre oder der unternehmensbezogenen Ausbildung. Und diese Art der Differenzierung ist gewollt. Deshalb gibt es in der Exzellenzinitiative ganz unterschiedliche Förderlinien, nämlich die Graduiertenschulen und die Forschungscluster, und es sind Universitäten für ihre Zukunftsprojekte gefördert worden. Die Exzellenzinitiative hat einen Schub ausgelöst, der auch in die Fläche hineinwirkt.

Zurück zu Bonn: Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, die DFG und die Stadt Bonn haben im Juli ein gemeinsames Strategiepapier zum Ausbau der Wissenschaftsstadt vorgestellt. Dabei geht es darum, die vielen Einrichtungen besser zu vernetzen. Was halten Sie davon?
Schütte: Ich halte das für eine exzellente Initiative. Sie war überfällig. Das Potenzial, das in der Region da ist, ist noch nicht hinreichend gehoben worden. Es ist unbedingt nötig, dass Stadt und Akteure der Wissenschaft an einem Strang ziehen. Wir als Forschungsministerium unterstützen die Initiative, und das Land war ja auch beteiligt.

Finanziell?
Schütte: Finanziell, und zwar in Form von anderen Netzwerkpartnern, die hier sind: etwa die Universität der Vereinten Nationen.

...mit der Sie gerade den Vertrag wieder verlängert haben. Der Bund wird die UNU bis 2017 jährlich mit einer Million Euro unterstützen. Was bringt das?
Schütte: Das haben wir gemacht, weil wir es für wesentlich halten, dass das Europasekretariat dieser UN-Universität weiterhin hier in Bonn angesiedelt ist. Damit ist Bonn der Ausgangspunkt für die strategischen Überlegungen zur Weiterentwicklung dieses weltweiten Universitäts- und Forschungsverbundes für Europa und den afrikanischen Kontinent.

Wie kann die Region ihr "Alleinstellungsmerkmal" weiter ausbauen? Was braucht es dazu?
Schütte: Eine Chance besteht sicherlich darin, die Potenziale in den einzelnen Wissenschaftsgebieten noch stärker zu profilieren und international darzustellen.

Zum Beispiel?
Schütte: Zum Beispiel ist das Thema Nachhaltigkeit etwas, was über den Bereich Umwelt und Wissenschaft in der Universität der Vereinten Nationen seinen Platz gefunden hat. Auch auf dem Campus der Hochschule Bonn/Rhein-Sieg in Sankt Augustin ist das Konzept Nachhaltigkeit ein Leitmotiv und Schwerpunkt dieser Hochschule. Und das findet sich auch in den Naturwissenschaften der Universität Bonn wieder, und gebündelt und angewandt in den Umweltwissenschaften. Das ist etwas, was man weiterentwickeln kann. Die Klimaforschung ist ein weiterer Bereich oder die Gesundheitsforschung, die sicherlich eine große Zukunft hat. Und das gilt auch für die Informationstechnologie.

Die richtige Strategie für Bonn ist...?
Schütte: ...genau die Stärken zu nutzen, die der Standort hat. Und die sind so groß, dass die Stadt Anziehungskraft besitzt.

Sollte Bonn ein Lobby-Büro in Berlin haben?
Schütte: Bonn muss seine eigene Forschungslandschaft pflegen und ausbauen. Das ist der richtige Weg.

Zur Person

Georg Schütte, 1962 in Rheine geboren, studierte Journalistik in Dortmund und New York, volontierte beim General-Anzeiger und forschte über Bildschirmmedien an der Uni Siegen und der Harvard University. Er war Generalsekretär der Alexander von Humboldt-Stiftung und ist seit 2009 Staatssekretär im Bundesforschungsministerium.

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