Ein Beruf in Gefahr Schwierige Zeiten für Hebammen

BONN · Birte Schrein ist wütend. "Das aktuelle Hebammensterben auch hier in Bonn ist ein Skandal. Warum redet niemand darüber?", fragt die Schauspielerin.

Ihre drei Söhne hat die Charakterdarstellerin, die seit 1995 zum Bonner Ensemble gehört, allesamt mit Hilfe von freien Hebammen zu Hause zur Welt gebracht. Sie sei immer in Obhut einer Frau gewesen, die sie auch nach der Geburt habe umarmen können.

"Ich fühlte mich von der ersten Minute an in besten Händen und beschützt. Ich würde mich immer wieder für diesen Weg entscheiden", sagt Schrein und streicht ihrem Jüngsten, dem elf Monate alten Sammy, zärtlich übers Haar.

Es gebe zwar bundesweit Proteste, um die Politiker auf die Not hinzuweisen. "Und doch müssen immer mehr freie Hebammen aus Geldnot aufgeben. Das bedeutet doch letztlich einen Einschnitt in das Freiheitsrecht jeder Frau."

Friederike Haas, die Sammy auf die Welt geholt hat, nickt. Der Hebammenladen in der Colmantstraße, den Haas mit drei Kolleginnen betreibt, wird ab Mitte 2015 keine Geburtsbegleitung mehr anbieten können. Alle Dienste um die Geburt herum könne man finanziell noch durchhalten. "Aber die Versicherung für Geburten können wir uns nicht mehr leisten.

Ich zahle ja schon jetzt weit mehr Versicherung als ein Apotheker, der aber ein Vielfaches mehr verdient", sagt Haas. Der Bund habe der Misere mitnichten ein Ende gemacht, obwohl das der Minister verkünde.

Eine Erhöhung der Haftpflicht sei nur zeitweise gedeckelt. "Ab Juni 2015 müssen wir endgültig mehr zahlen." Die Folge: 2015 werden sich mehr als die Hälfte aller freien Hebammen Bonns aus dem Metier zurückgezogen haben, sagt Haas. Weil Kliniken keine Unterstützung leisteten und weil der Staat weder die Versicherungssumme senke noch einen Fonds einrichte, wie es andere Länder vormachten.

Birte Schrein hatte es sich mit der Wahl des Ortes, wo sie ihr erstes Kind zur Welt bringen wollte, nicht leicht gemacht. Sie schaute sich Kreissäle und Praxen an und blieb dann beim Hebammenladen hängen. "Ich brauche bei der Geburt einfach die Hand, die ich stundenlang festhalten kann. Ich will wissen, wer dann an meiner Seite ist".

Schließlich fasste Schrein Vertrauen, dreimal sogar zu Hause zu gebären. "Mein Mann und ich wussten genau, wenn es Komplikationen gegeben hätte, wären die Hebammen mit uns sofort in die Klink gefahren." So aber erlebte Schrein ihre drei Geburten "in Würde", natürlich mit den dazugehörenden Schmerzen, aber auch mit größten Glücksgefühlen. "Ich war entspannt, ich konnte mich bei der mir bekannten Hebamme fallen lassen. Ich war nie alleine." Sie strahlt. "Und danach gab es eine richtige kleine Feier um mein Bett herum."

Genau diese Wahlfreiheit liegt Birte Schrein am Herzen. Sie habe sich für die Hausgeburt entschieden. Andere wollten, dass ihre Hebamme sie in ein Belegkrankenhaus begleitet. Wieder andere Frauen vertrauten auf das dortige Personal. "Und das sollte auch so bleiben. Jede Frau muss weiterhin das Recht haben, frei über die Art und den Ort ihres Gebärens entscheiden zu können."

Schrein wird wieder kämpferisch. Es sei tragisch, dass die öffentliche Hand sich auch hier aus wichtigen Aufgaben zurückziehe, dass sie zulasse, dass so fundmentales Wissen wie das von Hebammen verloren gehe "Ja, ich erwarte auch von der Stadt, dass sie sich beim Bund dafür einsetzt, dass Hebammen ihren Beruf weiter ausüben können."

Die Situation

Hebammen sind verpflichtet, eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. 2003 zahlten sie noch 453 Euro Prämie im Jahr. Seitdem sind die Kosten um das Zehnfache gestiegen. Bei einem durchschnittlichen Stundenlohn von acht Euro lohnt es sich kaum mehr, Geburtshilfe anzubieten. Seit 2010 haben sich rund 20 Prozent der Hebammen aus der Geburtshilfe verabschiedet. Dieses Jahr wurde eine weitere allgemeine Steigerung der Haftpflichtprämie durch einen einzigen Anbieter abgewendet. Ab Sommer 2015 will aber auch er die Prämie erhöhen.

Freie Hebammen

Freie Hebammen bauen schon vor der Geburt ein Vertrauensverhältnis zur Schwangeren auf. Bei beginnender Wehentätigkeit wird die Gebärende bis über die Geburt des Kindes hinaus persönlich begleitet. Der Geburtsort richtet sich nach den Wünschen und Bedürfnissen der Frau. Bei einer Hausgeburt wird sie von zwei Hebammen betreut. Sie kann mit ihrer Hebamme aber auch eine Klinikgeburt mit ambulanter Entbindung oder eine Entbindung mit stationärem Aufenthalt wählen. Dort lässt sich dann auch ein Familienzimmer buchen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort