Kommentar Schwer verständlich

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass das Grundrecht auf Meinungsfreiheit und freie Religionsausübung ein hohes und unbedingt zu schützendes Gut ist. Dass diesen Schutz selbst Extremisten beanspruchen dürfen, die gegen die Werte des Grundgesetzes angehen, ist zuweilen schwer verständlich.

Regelmäßig werden sie von Gerichten in dieser Haltung bestätigt, wenn es etwa um die Durchführung von Demonstrationen geht. Die plurale Demokratie des Grundgesetzes, heißt es dann, müsse das aushalten.

Beinahe überflüssig erscheint vor diesem Hintergrund die Frage, ob es zulässig ist, an einem Klapptisch religiöse Schriften wie etwa den Koran zu verteilen. Dass die jüngsten Entwicklungen in diesem Zusammenhang gleichwohl Fragen aufwerfen, liegt an der Doppelzüngigkeit staatlicher Organe wie Justiz und Politik. So weisen die Sicherheitsbehörden gebetsmühlenartig darauf hin, dass es bei den Koranverteilungen eben nicht nur um die Verbreitung einer Schrift geht. Sondern dass Salafisten dabei die Strippen ziehen, deren Wunschvorstellung die Einführung der Scharia ist, und die jungen Männern den Weg in den Heiligen Krieg weisen. Indirekt, so lassen die Gerichtsurteile schlussfolgern, ist also offenbar auch das von den Grundrechten gedeckt.

Es scheint, als habe die Rechtsordnung zu den neuesten Erscheinungsformen des Extremismus noch keine schlüssige Antwort gefunden. Die Quittung bekommt die Justiz neuerdings regelmäßig in Gerichtssälen präsentiert, wo Salafisten in den einschlägigen Prozessen aus ihrem Spott und ihrer Verachtung für die freiheitlich-demokratische Grundordnung keinen Hehl machen.

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