Fahren ohne Fahrschein Schwarzfahrer zahlen ab heute 20 Euro mehr

BONN · Schwarzfahrer zahlen ab heute deutlich mehr, wenn sie in Bus und Bahn ohne gültigen Fahrschein erwischt werden. 60 statt bislang 40 Euro sind dann fällig. "Ziel ist es, vorsätzlich handelnde Täter stärker abzuschrecken", sagt Veronika John von den Stadtwerken Bonn (SWB). Längst sei es nötig gewesen, das erhöhte Beförderungsentgelt anzupassen. Denn die Chance, einen Schwarzfahrer zu erwischen, sei gering.

 Die Fahrscheinkontrolle ist für diesen Fahrgast kein Problem. Er kann dem Kontrolleur der Stadtwerke einen gültigen Fahrausweis präsentieren. FOTO: NICOLAS OTTERSBACH

Die Fahrscheinkontrolle ist für diesen Fahrgast kein Problem. Er kann dem Kontrolleur der Stadtwerke einen gültigen Fahrausweis präsentieren. FOTO: NICOLAS OTTERSBACH

Foto: Nicolas Ottersbach

Zur Zeit kontrollieren bei den SWB 25 hauptamtliche und sieben Prüfer in Teilzeit. Und die schaffen es, von den rund 90 Millionen Fahrgästen pro Jahr nur etwa 0,5 bis 0,6 Prozent nach dem Ticket zu fragen, also etwa 450 000 Menschen. "Die Quote ist gering, aber man darf auch nicht vergessen, dass der Großteil unserer Kunden ordnungsgemäß zahlt", sagt John. Deutlich wird das, wenn man sich die Zahlen im SWB-Netz genauer anschaut. 2013 wurden 3,94 Prozent der Fahrgäste ohne gültigen Fahrschein angetroffen, etwas mehr als 17 000. Seit Jahren liegt man unter vier Prozent.

Die Kontrollen zu verstärken, erachten John und die Geschäftsführung aus zwei Gründen für nicht sinnvoll. Zum einen würden die Fahrgäste, die ein Ticket haben, ebenfalls öfter überprüft. "Wenn ein Pendler jeden Morgen zweimal gefragt wird, nervt das irgendwann", findet sie. Zum anderen hebe es auch die Personalkosten, was in keinem Verhältnis zu Mehreinnahmen des erhöhten Beförderungsentgeltes (EBE) stehe. Deshalb liege die Steigerung auf 60 Euro weit über der Inflationsrate und verfolge ein eher pädagogisches Ziel: Abschreckung.

Zuletzt wurde Schwarzfahren 2003 teurer, aus 30 wurden 40 Euro. 2014 empfahl der Bundesrat dem Verkehrsminister erneut, das EBE zu erhöhen. Das Erschleichen sei kein Kavaliersdelikt, sondern Hinterziehen von Gemeingut. Dadurch entgehen den Verkehrsbetrieben dem Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) zufolge bundesweit eine Viertelmilliarde Euro. "Diese ÖPNV-Nutzer handeln nicht nur unsolidarisch gegenüber den zahlenden Fahrgästen, sondern sie belasten zudem die bereits finanziell angespannten Haushalte der Kommunen", sagt Holger Klein vom Verkehrsverbund Rhein-Sieg (VRS).

Laut den Richtlinien in den Tarif- und Beförderungsbestimmungen für den Nahverkehr NRW muss der Fahrausweis bis Fahrtende aufbewahrt werden. Das Personal kann den Fahrgast jederzeit auffordern, das Ticket zur Kontrolle auszuhändigen. "Da kommt es auch schon mal zu Problemen, oft wird diskutiert, in seltenen Fällen werden die Schwarzfahrer handgreiflich", berichtet der ehemalige Kontrolleur Thomas Richter. "Bei mehrmaligem Fahren ohne gültiges Ticket stellen wir Strafantrag", erklärt John. Strafrechtlich ist Schwarzfahren eine Leistungserschleichung. 2013 gab es etwa 1900 Fälle, die vor Gericht landeten. Grundsätzlich stellen die SWB erst Strafantrag, wenn man zum zweiten Mal erwischt wird. Mit einer Ausnahme: Wer "ganz vorsätzlich" ohne Fahrschein unterwegs sei, weil er etwa die Preise für zu teuer halte. Fällt ein Schwarzfahrer öfter auf, droht Hausverbot.

In Zeiten globaler Vernetzung organisieren sich Schwarzfahrer auch im Internet: "5 Kontros in Bad Godesberg am Bahnhof warten auf die nächste Bahn Richtung Bonn", wird in der Facebook-Gruppe "Schwarzfahren Bonn" veröffentlicht. Tatsächlich stehen dort seit wenigen Sekunden fünf Kontrolleure der SWB, sie sind dort für einen Pressetermin ausgestiegen. Fast 3500 Menschen haben die Nachrichten der Seite abonniert. Und es gibt die App "BlackDriver". Die ist in Bonn aber (noch) nicht einsatzfähig.

Kurz gefragt

Thomas Richter kontrollierte mehrere Jahre lang in den Bahnen und Bussen der Stadtwerke die Fahrscheine. Der 57-Jährige erlebte pöbelnde Schwarzfahrer und jede Menge Ausreden, aber auch Fahrgäste, die ihn um Hilfe baten.

Waren Sie in Uniform und allein unterwegs?

Thomas Richter: Ich bin eigentlich fast immer in Dienstkleidung unterwegs gewesen - und kann mich als Mitarbeiter der SWB Bus und Bahn ausweisen. Zudem trat ich den Dienst nie allein an. Wir sind mindestens zu zweit unterwegs.

Wie gehen Sie und Ihre Kollegen bei Kontrollen vor?

Richter: Wir steigen zum Beispiel an einer Bushaltestelle jeweils an einer der Türen ein und verteilen uns so im Innenraum. Dann wenden wir uns an die Fahrgäste und fragen sie nach ihren Tickets und Fahrausweisen, die wir mit unseren Geräten prüfen. Wir bedanken uns und wenden uns dem nächsten Fahrgast zu oder erklären einem Fahrgast ohne gültiges Ticket, wieso es ungültig ist. Je nach Fall kann man dann auch noch nachträglich ein Ticket kaufen. Hat der Kunde keins, stellen wir den Bescheid für das erhöhte Beförderungsentgelt aus.

Gibt es oft längere Diskussionen?

Richter: Wir führen zum Teil lange Gespräche, wenn Tickets nicht korrekt gelöst sind oder gar kein Ticket erworben worden ist. Vertreten ist jede Bevölkerungsschicht, Jugendliche, der Geschäftsmann oder auch die ältere Dame. Wir sind aber in Deeskalation geschult, das hilft bei schwierigen Gesprächen.

Gibt es mehr oder weniger Beschimpfungen als früher?

Richter: Wir bemerken schon, dass Fahrgäste ohne Fahrschein zum Teil aggressiver als früher reagieren oder lange und heftig diskutieren. Und das, obwohl völlig klar ist, dass kein Ticket gekauft worden ist. Wenn wir bedroht oder beschimpft werden, helfen Routine und natürlich die Kollegen.

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