Konzert in der Beethovenhalle Nur mit Mimik und Bewegung singen

BONN · Gebärdensprachchöre aus Brescia, Dublin, Köln und Prag gestalten am Sonntag ein Konzert in der Beethovenhalle.

 Spannende Probe: Felix ist gehörlos und verfolgt deshalb auf dem Notenblatt das Spiel von Martin Piechotta, dem Paukisten des Mahler Chamber Orchestra.

Spannende Probe: Felix ist gehörlos und verfolgt deshalb auf dem Notenblatt das Spiel von Martin Piechotta, dem Paukisten des Mahler Chamber Orchestra.

Foto: HOLGER TALINSKI

Elisabeth Creutz springt von ihrem Stuhl auf, lacht über das ganze Gesicht und wedelt immer wieder mit ihren Händen aufgeregt neben ihrem Kopf hin und her. Auch Denis, Mohamed, Calvin und Asra stimmen mit ein und bald haben alle 15 Kinder lachend ihre Hände hochgezogen und winken überschwänglich mit. "Das war perfekt" lobt Regina Jakob und freut sich mit den Acht- bis Zehn-jährigen im Proberaum der Beethovenhalle.

Kurz zuvor hatten die Schüler der Johann-Joseph-Gronewald-Schule aus Köln den letzten Ton des Volksliedes "Die Gedanken sind frei" angestimmt - doch kein einziger Laut war zu hören. Nichts. Mucksmäuschenstille. Denn die kleinen "Sänger" sind alle gehörlos oder schwerhörig. Gemeinsam mit dem Essener Mädchenchor und dem Mahler Chamber Orchestra bereiteten sich die Kölner Schüler auf ihr gemeinsames Konzert "Feel the Music" am Sonntag vor. Gebärdensprachchöre aus Brescia, Dublin, Köln und Prag präsentieren dann gemeinsam mit dem Mädchenchor am Essener Dom Volks- und Kinderlieder aus ihren Ländern. Während der Mädchenchor singt, übersetzen die gehörlosen Kinder das Lied in ihre ganz spezielle Ausdrucksweise.

Gehörlosigkeit oder Hörschädigung schließen das Erleben oder gar das Praktizieren von Musik keineswegs aus. Mit dem Projekt hat das Mahler Chamber Orchestra ein Projekt initiiert, das hörgeschädigte Kinder aus ganz Europa dazu einlädt, die Welt der Musik mit allen Sinnen zu erkunden.

Ralph Caspers, bekannt aus der Sendung mit der Maus, wird durch das Konzert führen und beispielsweise erklären, wie sich "Der Mond ist aufgegangen" für einen Gebärdensprachchor übersetzen lässt und worauf man beim Zusehen und Zuhören besonders achten kann.

"“Der Mond ist aufgegangen„ war wirklich eine große Herausforderung", erzählten gestern die beiden Kölner Lehrerinnen Elisabeth Creutz und Regina Jakob bei den letzten Proben. "Seit Mai haben wir regelmäßig geübt und das Thema auch in andere Unterrichtsfächer eingebunden." Denn die Pädagoginnen mussten nicht nur den Text des Volksliedes übersetzen, sondern sie wollten auch die ganz besondere Stimmung vermitteln. Eine Herausforderung war auch das zweite Lied, das die Kölner Kinder am Sonntag vorstellen werden: Die Gedanken sind frei. "Wir haben uns dafür entschieden, den Text nicht wörtlich in die Gebärdensprache zu übersetzen sondern nur sinngemäß. Das ist einfacher für die Kinder."

Überhaupt ist das gemeinsame Musizieren eine ganz besondere Herausforderung. Denn die Kinder wandeln Liedtexte nicht einfach nur in Bewegung um, sondern sie versuchen gleichzeitig durch Mimik, Rhythmus und Ausdruck die besondere Poesie des jeweiligen Stücks einzufangen. "Und das ist wirklich sehr anstrengend. Die Kinder müssen sich dafür sehr konzentrieren. Nur so können sie sich ihren eigenen Zugang zur Musik erarbeiten", weiß Elisabeth Creutz nur allzu gut.

Die Proben waren perfekt, Denis, Mohamed, Calvin freuen sich bereits auf das Nachmittagsprogramm. Denn dann bekommen alle Schüler eine Führung in Gebärdensprache durch das Beethovenhaus. "Nicht nur das Singen macht sehr viel Spaß. Ich freue mich auch, dass wir alle zusammen ein paar Tage in Bonn sind und gemeinsam viel erleben und sehen", lässt Mohamed von seiner Lehrerin übersetzen. Für Calvin und Denis ist hingegen das Konzert am Sonntag der Höhepunkt. "Meine ganze Familie kommt", freut sich Denis auf den Auftritt. "Selbst meine Geschwister und Großeltern werden dabei sein", ergänzt Calvin.

"Feel the Music", das Familienkonzert für alle Sinne, beginnt am morgigen Sonntag um 11 Uhr in der Beethovenhalle. Der Eintritt kostet neun, ermäßigt 4,50 Euro. Karten sind an der Kasse erhältlich. Das Konzert richtet sich an hörende und hörgeschädigte Kinder und Erwachsene zugleich und wird in die Deutsche Gebärdensprache übersetzt.

Die Zuschauer werden im Anschluss an die Aufführungen allerdings nicht nur laut applaudieren, sondern sie werden auch mit den Händen neben ihren Köpfen winken - denn so wird in der Gebärdensprache Applaus übersetzt.

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