Neues Behandlungskonzept bei Erschöpfung am Arbeitsplatz Mehr psychische Erkrankungen in Bonn und der Region

Bonn · Zu schnell, zu viel, zu hoher Druck: Immer mehr Menschen sind den ständig wachsenden Anforderungen in Beruf und Alltag nicht mehr gewachsen. Die Folge: Die Zahl derer, die unter psychischen Erkrankungen wie Depression und Angstzuständen leiden, nimmt stetig zu.

 Auch in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis sind psychische Erkrankungen mittlerweile der häufigste Grund für eine Krankschreibung.

Auch in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis sind psychische Erkrankungen mittlerweile der häufigste Grund für eine Krankschreibung.

Foto: Barbara Frommann

Auch in Bonn und dem Rhein-Sieg-Kreis sind psychische Erkrankungen mittlerweile der häufigste Grund für eine Krankschreibung.

"Bei mehr als jedem fünften Fehltag war das die Ursache", sagte Ingrid Adam gestern, als sie den DAK-Gesundheitsreport 2015 präsentierte. Mit einem Anteil von 21,6 Prozent sind demnach die psychischen Erkrankungen immer noch die häufigste Ursache für Arbeitsausfälle in Bonn und der Region.

2013 waren es noch 18,7 Prozent. In Nordrhein-Westfalen stiegen die Fehltage wegen psychischer Erkrankungen seit dem Jahr 2000 sogar um 120 Prozent. Häufige Ursache sind Erschöpfungsreaktionen, die landläufig als Burn-out bezeichnet werden.

"Doch Burn-out ist keine Diagnose, sondern ein Prozess", erklärte Professorin Franziska Geiser, Direktorin an der Uniklinik. Erst daraus würden sich Depression, Sucht- oder Angsterkrankungen entwickeln. "Eine akute Überforderungssituationen im Beruf hat oft eine lange Vorgeschichte, in der überhöhte Ansprüche an sich selbst oder Schwierigkeiten, sich abzugrenzen, eine Rolle spielen", sagte die Ärztin. Zudem sei die Sorgen um den Arbeitsplatz weit verbreitet.

Um den Anforderungen gerecht zu werden, greifen immer mehr Menschen zu Medikamenten. Diesen Trend zum "Hirndoping" belegt auch die DAK-Studie. Dabei unterschätzten viele die Suchtgefahr der Medikamente und die mögliche Langzeitfolgen. Seit 2008 hat laut DAK Hirndoping bei Erwerbstätigen kontinuierlich zugenommen. Die Dunkelziffer liegt in Nordrhein-Westfalen bei mittlerweile 10,8 Prozent, bundesweit bei zwölf Prozent.

Besser als Medikamenten zu schlucken ist es, im Zuge einer Psychotherapie neue Wege der Bewältigung zu finden. Für Patienten in einer akuten Krisensituation bietet die Bonner Klinik für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie ab nächstem Jahr ein neues Behandlungsprogramm an. "Wir beobachten seit Jahren eine steigende Anzahl von Patienten mit Erschöpfung und Antriebsverlust durch anhaltend hohe Belastung am Arbeitsplatz", sagte Geiser. "Genau für diese Personen ist unser neues stationäres Behandlungskonzept gedacht. Die Kurztherapie dauert vier bis sechs Wochen und legt den Schwerpunkt auf die Arbeitsplatzanalyse und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten."

Zwar könne man durch dieses neue Angebot nicht die bestehenden Probleme im Job lösen. Aber: "Wir können Patienten zeigen, wie sie durch Eigeninitiative ihre individuelle und subjektive Belastung reduzieren", ergänzt Katrin Imbierowicz, leitende Oberärztin auf dem Venusberg. Denn oft baue man den Druck, unter dem man zunehmend auch körperlich leide, selbst auf. In der Therapie sollen Betroffene unter Anleitung erkennen, wodurch dieser Druck ausgelöst wird.

"Zudem wollen wir ihnen zeigen, was sie selbst tun können, um leistungsfähig zu bleiben. Sie sollen verstehen, wieso sie in diese Situation geraten sind." Dazu gehört für Imbierowicz auch eine Reflexion auf das eigene Leben. "Wie sieht es mit Hobbys aus, wie mit Beziehungen? Das alles sollen Betroffene unter Anleitung hinterfragen", sagte die Ärztin.

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