Christoph Sieber im Pantheon "Luftholen können Sie später"

BONN · Silber im Blick, Munition im Mund und Gummi in den Beinen: Das gilt für den Kabarettisten Christoph Sieber. Am Donnerstag, 6. November, gastiert er mit seinem Programm "Alles ist nie genug" im Pantheon. Mit Christoph Sieber sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

Haben Sie eigentlich schon mal Ihre Sprechgeschwindigkeit auf der Bühne ermittelt?
Christoph Sieber: Ich könnte noch viel schneller, aber ich halte mich zurück. Außerdem genießen viele das auch mal, wenn sie nicht unterfordert werden. Die Gesellschaft krankt ja nicht an Überforderung. Oder wie hat es einer mal formuliert: "Schauen Sie sich den Sieber an! Luftholen können Sie später!"

Und wie redet der private Christoph Sieber?
Sieber: Wenn ich mich in Rage rede über Ungerechtigkeit, Dummheit und Ignoranz, dann bin ich privat noch viel schneller. Ich errege mich auf der Bühne ja nicht aus beruflichen Gründen, sondern weil es mir keine Ruhe lässt. Allerdings kann ich privat auch mal ganz friedlich die Klappe halten. Meine Frau weiß das, glaube ich, sehr zu schätzen.

Sie schonen Ihr Publikum nicht. Wie reagiert es auf Sätze wie "Die Würde stirbt vor Lampedusa"?
Sieber: Der Satz beginnt so: Die Würde des Menschen ist antastbar! Die meisten, die so etwas nicht hören wollen, kommen ja gar nicht ins Programm. Und wenn sich mal einer aus Versehen hinein verirrt, dann kann es schon mal längere Diskussionen im Anschluss ans Programm geben. Es tut den Menschen natürlich weh, wenn ihr Weltbild in sich zusammenbricht.

Und: Stirbt die Würde vor Lampedusa?
Sieber: Mir tat die Erkenntnis ja auch weh, aber Tatsache bleibt: Unser Wohlstand ist auf der Ausbeutung und der Zerstörung des Planeten aufgebaut. Der Kapitalismus kennt keine Würde.

Der Weg von Grün zu Olivgrün sei kurz, sagen Sie...
Sieber: Tja, die Grünen haben nun wohl endgültig alle ihre Inhalte meistbietend verhökert. Die kamen ja ursprünglich mal aus der Friedensbewegung und sind nun die ersten, die einen Einsatz von Bodentruppen im Nordirak fordern. Und Cem Özdemir behauptet tatsächlich, dass man Menschenrechte auch mit Waffen verteidigen könne. Da füge ich hinzu: Sofern die Kalaschnikow aus artgerechter Haltung stammt. Amt frisst Haltung - das zeigt sich nicht nur hier, sondern auch im Asylkompromiss von Herrn Kretschmann.

Kommt Post vom Anwalt?
Sieber: Nee. Noch nie. Jede Aussage stützt sich am Ende immer auf eine gute Recherche. Außerdem greife ich nie die Person an sich an, sondern immer ihre Haltung. Meist aber die Tatsache, dass diese Haltung fehlt.

Harter Tobak: Ihr "Ich will mich nicht daran gewöhnen"...
Sieber: Ein Text aus dem neuen Programm. Die Grundfrage, mit der ich mich darin beschäftige, ist die, was man über uns in 20 Jahren sagen wird. Wer werden wir gewesen sein? Die, die das Ruder im letzten Moment rumgerissen haben, oder diejenigen, die schweigend und tatenlos zugeschaut haben, wie die Welt vor die Hunde ging. Eine Frage, die sich jeder stellen muss.

Sie wollen Ihr Publikum beunruhigen. Was kann Kabarett bewirken?
Sieber: Es kann die richtigen Fragen stellen. Viel mehr geht wahrscheinlich nicht. Und wenn die Menschen mit mehr Fragen als vorher aus meinem Abend rausgehen, dann ist schon viel erreicht. Wir leben in einer Zeit, in der wir wieder hinter die Aufklärung zurückzufallen drohen. Ich arbeite an der Rückkehr des mündigen Bürgers.

Und was sagt Ihre über 90-jährige Oma zum Programm?
Sieber: Die macht sich um ganz andere Dinge Sorgen. Die beschäftigt mehr die Frage, ob ich im fernen Köln auch Heizung habe und ob ich jeden Tag eine warme Mahlzeit bekomme. An ihr ist die Globalisierung bisher spurlos vorbeigegangen.

Karten zu 21,90/17,50 Euro für "Alles ist nie genug" am Donnerstag, 6. November, um 20 Uhr im Pantheon, Bundeskanzlerplatz, gibt es in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen

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