Interview mit Jürgen Nimptsch "Kultur muss rund zehn Millionen sparen"

BONN · Der Oberbürgermeister lässt nicht locker: Um die Bonner Finanznot zu lindern, schlägt er massive Einschnitte im Kulturbereich vor. Über seine Bilanz des Jahres 2013 sprach er im GA-Interview.

Was waren Ihre drei größten Erfolge in diesem Jahr?
Jürgen Nimptsch: Für mich zählt nicht, ob der OB persönliche Erfolge hatte, sondern ob er dazu beitragen konnte, dass es gute Nachrichten für Bonn gab. An erster Stelle ist unsere wirtschaftliche Stärke zu nennen, die gewachsen ist. Bonn nimmt mit einem Bruttoinlandsprodukt von mehr als 83.000 Euro pro Kopf den Spitzenplatz in NRW ein. Zweiter Punkt: Der Ausbau zur internationalen Stadt ist gut vorangekommen. Zu nennen sind die Ansiedlung von Partnern wie der GIZ und vor allem die absehbare Fertigstellung des WCCB. Dann freut mich, dass die Balance zwischen Kultur und Sport wieder in einer guten Einschwingphase ist. Da ist ein guter Dialog für die Zukunft möglich.

Und was waren die drei größten Misserfolge?
Nimptsch: In erster Linie die immer weiter wachsenden Schulden der Stadt. Es ist kaum hinnehmbar, dass wir 1,6 Milliarden Euro Schulden haben. Das ist eine Pro-Kopf-Verschuldung von rund 5200 Euro, die höchste, die Bonn je hatte, Platz 11 der "Schuldenstädte" in Deutschland. Da sehe ich extremen Veränderungsbedarf. Ein weiteres Negativereignis war für mich das zweite Jahrhunderthochwasser, das wir binnen drei Jahren hatten. Da sind einige Investitionen erforderlich, die Planungen laufen bereits. Als drittes schlägt das Zensus-Ergebnis für uns ins Kontor. Wenn es bei den durch den Zensus festgelegten neuen Einwohnerzahlen bleibt, bedeutet das für die Stadt rund zehn Millionen Euro weniger Steuereinnahmen pro Jahr. Deshalb klagen wir gegen das Land NRW, weil man uns die Ergebnisse dieser hochgerechneten Zufallszählung nicht transparent machen konnte.

Ein Misserfolg war auch die Rüge, die Sie vom Rat kassiert haben, weil Sie einen geheimen WCCB-Bericht des Rechnungsprüfungsamtes an Ihre ehemalige Wahlkampf-Agentur weitergeleitet haben.
Nimptsch: CDU und Grüne haben schon mehrfach zum Mittel der "Rüge" oder "Beschwerde" gegriffen; die Überprüfung durch die Kommunalaufsicht hat immer ergeben, dass ich korrekt gearbeitet hatte. Darüber wurde dann übrigens kaum berichtet. Seit der Dezembersitzung des Stadtrats wissen wir, dass viele Größen nahe von oder aus CDU und Grünen auch bei dieser Agentur arbeiten lassen; das wird langsam zu einer Werbeveranstaltung für diese Firma. Ich habe nicht nur dieser Agentur, sondern elf Personen und Institutionen die Gelegenheit zur Stellungnahme vor der Herausgabe des Berichts gegeben, weil sich das so gehört. Dazu gibt es einschlägige Rechtsprechung. So habe ich es übrigens 2011 bei einem anderen Bericht des Rechnungsprüfungsamtes auch gemacht, und da fand das jeder in Ordnung.

Sie haben das WCCB als Erfolg genannt. Der Rat hat die Fertigstellungssumme gedeckelt. Glauben Sie, das Geld reicht?
Nimptsch: Die Gestaltungsmehrheit aus CDU und Grünen hat den Deckel gegen den Vorschlag der Verwaltung bei 65 Millionen Euro angesetzt und hat ihn dann prompt kurz danach selbst angehoben, weil man zusätzliche Baumaßnahmen will. Wir liegen bei 69,5 Millionen Euro. Mit dem Geld werden wir auskommen müssen. Wenn es normal läuft, wird es reichen. Wir gehen davon aus, dass wir die Probephase für das Kongresszentrum im Januar 2015 starten können; der erste große UNO-Kongress ist für Juni 2015 vorgesehen.

Wie hoch wird das Defizit, mit dem der WCCB-Betrieb den Stadthaushalt jährlich belastet?
Nimptsch: Diese Frage wird man erst beantworten können, wenn man weiß, was das WCCB an Einnahmen bringt. Ich habe die Hoffnung, dass wir am Ende an städtischen Mitteln nicht mehr als 100 Millionen Euro für die Übernahme und Fertigstellung des WCCB investieren mussten.

Damit schließen Sie aus, dass die Stadt für die WCCB-Bürgschaft gegenüber der Sparkasse KölnBonn von rund 80 Millionen Euro aufkommt?
Nimptsch: Wir sind überzeugt, dass unsere Rechtsposition trägt. Derzeit läuft ein Mediationsverfahren, zu dem der Sparkassenverband eingeladen hat.

Hat die Stadt für den Fall aller Fälle eine Rücklage gebildet?
Nimptsch: Nein. Dazu besteht kein Anlass.

Sie haben in einer Kanzelrede vorgeschlagen, die Bundestagswahl für eine Bürgerbefragung zum Etat zu nutzen. Es gab große Aufregung im Rat, passiert ist gar nichts. Ein Beispiel dafür, wie man als OB für viel Unruhe sorgt, ohne etwas zu erreichen?
Nimptsch: Es ist etwas passiert. Mein Vorschlag hat unter anderem dazu geführt, dass der Rat danach schnell lieber selbst beschlossen hat, was ich wegen seiner Zögerlichkeit einer Bürgerbefragung zuführen wollte: Dass wir spätestens 2020 einen ausgeglichenen Haushalt haben müssen. So bohrt man dicke Bretter.

Werden Sie jetzt eine Bürgerbefragung für die Kommunalwahl 2014 vorschlagen?
Nimptsch: Der Rat hat die "Bonner Schuldenbremse" selbst beschlossen. Wenn nicht genügend weitere Mittel vom Bund kommen und wir bei den eigenen Sparanstrengungen nicht entschlossen genug vorangehen, kann es notwendig werden, die Bürger zu einem späteren Zeitpunkt zu befragen, ob sie einen bestimmten Standard unbedingt erhalten wollen, zum Beispiel die hohe Zahl der Friedhöfe; dann müsste dafür die Grundsteuer um den erforderlichen Satz angehoben werden.

Wo sehen Sie die großen Stellschrauben, abgesehen von einer Grundsteuererhöhung?
Nimptsch: Wir haben 2011 bei "Bonn packt's an" 108 Sparvorschläge der Verwaltung ins Netz gestellt. Von unseren Vorschlägen ist weniger als die Hälfte umgesetzt worden. Auf dieser Liste sind also noch Posten offen.

Was planen Sie konkret?
Nimptsch: Denkbar ist die Kürzung von Zuschüssen, die Einschränkung von Baumaßnahmen, die zeitliche Streckung von Projekten, Veränderungen bei den Bibliotheken und den Bädern - alles bekannte Themen.

Bitte konkreter...
Nimptsch: Wir werden ab Januar die Eckpunkte des Doppelhaushaltes 2015/16 beraten. Im Frühjahr werden wir erste Ergebnisse vorstellen können.

Sagen Sie zu, dass im Sommer alle Freibäder öffnen?
Nimptsch: Die Verwaltung hat Bäder zur Schließung vorgeschlagen, weil wir elf Bäder haben, während das doppelt so große Düsseldorf und das dreimal so große Köln mit 13 bzw. 14 auskommen. Die Ratsmehrheit hat das mehrfach abgelehnt, obwohl selbst die Mehrheit der Bürger bei einer Telefonumfrage dafür war, ein Bad zu schließen. Deshalb gehe ich davon aus, dass alle Freibäder öffnen werden.

Die Neujahrsansprache von OB Nimptsch:

Bonn könnte 500.000 Euro sparen, wenn Sie nicht am OB-Wahltermin 2015 festhalten, sondern ihn mit der Kommunalwahl zusammenlegen würden. Warum tun Sie das nicht?
Nimptsch: Wenn man mich 2009 gefragt hätte, ob ich für viereinhalb Jahre kandidiere, hätte ich dankend abgelehnt. Ich bin 2009 für sechs Jahre gewählt worden und bin vertragstreu.

Treten Sie 2015 noch einmal an?
Nimptsch: Das möchte ich erst ein Jahr vorher entscheiden. Also im September 2014.

Sie haben die Fusion der Opern Köln und Bonn angeregt. Jetzt gibt es das Bürgerbegehren gegen die Oper. Haben Sie mit ihrem Vorstoß das Ganze forciert?
Nimptsch: Nein. Diese Frage wird überall in Deutschland diskutiert, und es wurden und werden Spielstätten geschlossen, weil das Geld nicht mehr reicht. Ich war immer dafür zu prüfen, ob wir dem Beispiel von Düsseldorf und Duisburg folgen sollten, die gemeinsam die "Deutsche Oper am Rhein" mit zwei Spielstätten betreiben. 2018, wenn der neue Intendantenvertrag ansteht, muss man zu Veränderungen bei der Oper kommen. Dann müssen wir das tun, was der Kämmerer und ich bei der Entwicklung des Kulturkonzeptes schon gesagt haben, nämlich rund 10 Millionen Euro im Kulturhaushalt insgesamt einzusparen. Sonst werden wir den Haushaltsausgleich nicht hinbekommen.

Muss die freie Kultur bluten?
Nimptsch: Nein, sie sollte nach meiner Auffassung eher etwas mehr bekommen. Düsseldorf und Duisburg haben zusammen 35 Millionen Euro öffentliche Zuschüsse für ihre Oper, Köln und Bonn zusammen über 50 Millionen. Dazwischen ist also Luft.

Die rund zehn Millionen sollen bei Oper und Schauspiel gestrichen werden?
Nimptsch: Im Wesentlichen und vor allem durch verstärkte Zusammenarbeit mit anderen Häusern.

Durch eine Fusion der Opern Köln und Bonn?
Nimptsch: Das schlägt der Bund der Steuerzahler vor, und ich meine, dass das einen Prüfauftrag wert ist. Gerecht wäre auch, der Rhein-Sieg-Kreis würde sich an der Finanzierung beteiligen, da mindestens 50 Prozent der Zuschauer von dort kommen. Wenn alles bleiben soll, wie es ist, dann müsste die Grundsteuer entsprechend erhöht werden. Dazu könnte man die Bürger in der Tat befragen.

Zur Person

Jürgen Nimptsch hat Germanistik und Sport an der Universität Bonn studiert. Von 1980 an arbeitete er als Studienrat, bis er 1996 Leiter der Integrierten Gesamtschule in Beuel wurde. 2009 wählten ihn die Bonner als Nachfolger von Bärbel Dieckmann zum Oberbürgermeister. Der 59-jährige Nimptsch ist mit Hanne Hufschmidt, der didaktischen Leiterin der Europaschule Bornheim, verheiratet und hat zwei erwachsene Stiefkinder.

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