Evangelischer Kirchenkreis "Klarer sehen", wenn es um Missbrauch geht

BONN · Evangelischer Kirchenkreise legt Mitarbeitern und möglichen Betroffenen einen Leitfaden zur Vermeidung sexueller Übergriffe vor. Missbrauchsfälle gab es bislang nicht

 Setzen auf Prävention: Rainer Steinbrecher und Melanie Schmidt.

Setzen auf Prävention: Rainer Steinbrecher und Melanie Schmidt.

Foto: Uta Garbisch

Missbrauchsfälle sind im Bereich der evangelischen Gemeinden des Kirchenkreises Bad Godesberg-Voreifel zwischen Plittersdorf und Rheinbach nicht vorgefallen. Und doch hat der Kirchenkreis seine Verantwortung wahrgenommen, dieses unangenehme Thema von nun an aktiv in seinen Gemeinden zu diskutieren: mit Hilfe der in 1000 Exemplaren druckfrischen Arbeitshilfe "Klarer sehen".

Auf 32 Seiten stellt der kreiskirchliche Jugendreferent Rainer Steinbrecher damit den kirchlichen Mitarbeitern, aber auch möglicherweise betroffenen jungen Leuten einen in Text und Bild übersichtlichen und verständlich formulierten Handlungsleitfaden zur Verfügung. Und er formuliert eindeutig: "Macht auszuüben und die eigene Macht über andere zu spüren, ist ein zentraler Beweggrund, sexualisierte Gewalt auszuüben." Das Machtgefälle zum Opfer sei entscheidender Antriebsgrund für im Jugendbereich agierende Täter.

Wo sexualisierte Gewalt gerade in der von Nähe und Vertrauen bestimmten Arbeit mit Kindern und Jugendlichen anfängt, schildern Steinbrecher und die Jugendleiterinnen Stefanie Rieß und Melanie Schmidt sehr genau: Wenn in der Gruppenstunde Kuscheln mit der Leiterin plötzlich zur Pflicht wird oder wenn es beim Fußballspielen nicht mehr ohne den Klaps auf den Po vom Jugendleiter abgeht. "Kinder und Jugendliche spüren dann sehr genau den Unterschied zwischen einer spielerischen, zärtlichen Zuwendung und einer unangemessenen sexualisierten Berührung. Doch häufig können sie diese Grenzüberschreitung nicht in Worte fassen", so die Autoren. Außerdem glaube ihnen meist erst niemand. Die Verantwortung, die Schuld trage aber immer und ausschließlich der Täter.

"Der Kernpunkt unseres Konzeptes ist die Achtung der individuellen Grenzen eines jeden einzelnen. Wir wollen alle Mitarbeitenden sensibilisieren, darauf zu achten und bei Grenzverletzungen deutlich Stellung zu beziehen", ergänzt Melanie Schmidt. Das Heft auch praktisch nutzbar machen zudem die Checklisten und der Vordruck eines Verdachtstagesbuches.

Auch den genauen Verlauf eines Krisenplans zeichnen die Autoren nach: bis zum Moment, in dem sich die Verdachtsmomente bewahrheiten und das Jugendamt und kirchenintern die entsprechenden Stellen eingeschaltet werden oder, wenn sich der Verdacht nicht bestätigt, das augenscheinlich in anderer Not befindliche Kind ebenfalls weiter begleitet wird. Auch das Muster einer ethischen Selbstverpflichtungserklärung für ehrenamtliche Mitarbeiter liegt bei. Denn die Evangelische Kirche im Rheinland hat sich bislang nicht dafür entschieden, die Einführungspflicht eines erweiterten polizeilichen Führungszeugnisses für hauptamtliche Mitarbeiter auch auf die Ehrenamtler auszuweiten.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort