Provokante Werbung eines Mobilfunkanbieters Geschäfte mit der Angst

BONN · Angelika Müller ist entsetzt: "Unglaublich, dass mit Verbrechen und der Angst der Bürger Werbung gemacht wird", schimpft sie. "Das haben weder die Stadt, noch die Menschen, die hier wohnen, verdient." Mit dem Bus ist sie vergangene Woche von Kessenich nach Bad Godesberg gefahren. Unterwegs fielen ihr gleich mehrfach die grellgrünen Plakate eines Mobilfunkanbieters auf. Darauf wirbt das Unternehmen mit dem Slogan "Bonn, Hauptstadt der Einbrecher. Wir machen Ihr Zuhause sicher" für seine App und Software, mit denen sich das eigene Heim jederzeit und überall per Livestream überwachen lasse.

 An dieser Bushaltestelle am Hochstadenring sowie an 140 weiteren Stellen im Bonn Stadtgebiet hängt das Werbeplakat des Mobilfunkunternehmens.

An dieser Bushaltestelle am Hochstadenring sowie an 140 weiteren Stellen im Bonn Stadtgebiet hängt das Werbeplakat des Mobilfunkunternehmens.

Foto: Volker Lannert

Per Kamera habe man so die eigenen vier Wände immer im Blick. Platziert wurde die provokante Werbung meist in der Nähe von Bus- und Bahnhaltestellen Die Plakate sind auch an Bushaltestellen der Stadtwerke Bonn zu sehen. Jetzt werden sie aber kurzfristig aus dem gesamten Netz entfernt. "Wir halten diese Werbeaussage für unglücklich und haben den Vermarkter unserer Werbeflächen noch einmal entsprechend sensibilisiert", erklärt SWB-Sprecherin Veronika John auf Anfrage. Die Stadtwerke hätten sich strenge Regeln für die Installation von Werbebannern auferlegt.

Als Vermarkter hat die Ströer Media mit Sitz in Köln die Werbung des Mobilfunkbetreibers Mobilcom Debitel angebracht. Auf rund 140 Flächen im ganzen Stadtgebiet sind die Motive noch bis einschließlich kommenden Montag zu sehen. "Wir sind nicht für die Inhalte und die Gestaltung der Werbung verantwortlich. Selbstverständlich prüfen wir, ob ein Plakat sittenwidrige oder strafrechtlich relevante Inhalte enthält und behalten uns vor, Aufträge in diesem Fall abzulehnen", erklärt Andrea Breyther, PR-Managerin bei Ströer.

Debitel bezieht sich mit der Werbung auf die Entwicklung der Wohnungseinbrüche im vergangenen Jahr. Bundesweit hat demnach die Zahl der Haus- und Wohnungseinbrüche den höchsten Stand seit 15 Jahren erreicht. Laut Kriminalstatistik ist Bonn bundesweit spitze, was die Zahl der Wohnungseinbrüche angeht.

"Werbung polarisiert und soll das auch", erklärt Kerstin Köder, Leiterin Marketing bei Mobilcom Debitel. "Es ist in keiner Weise unsere Intention, die Einwohner von Bonn gegen uns aufzubringen, sondern ganz im Gegenteil: Wir wollten auf den traurigen Sachverhalt, dass die Anzahl der Einbrüche rasant steigt, aufmerksam machen und eine sehr einfache Lösung anbieten." Das Unternehmen verfolge mit der Kampagne einen Aufklärungsgedanken. "Wir möchten die Einwohner Bonns sensibilisieren, dass es einfach ist, das eigene Zuhause sicherer zu machen - ohne hohe Investitionen. Sollte dies zu Irritationen geführt haben, entschuldigen wir uns an dieser Stelle."

Für Angelika Müller gelten diese Argumente nicht. "Es tut mir in der Seele weh, wenn ich so etwas lese. Das erinnert mich an Benetton, die auch vor Jahren Geschäfte mit Tabubrüchen gemacht haben. Wenn wir uns nicht gegen so etwas wehren, dann zerstören wir unsere eigenen Strukturen." Und sie ergänzt: "Was müssen nur Besucher denken, wenn sie in Bonn ankommen und dann so etwas lesen? Wir wohnen in einer solch schönen Landschaft, haben eine tolle Stadt. Aber mit dieser geschmacklosen Werbung wird alles zerstört, was über Jahrzehnte aufgebaut worden ist."

"Eine solche Werbung ist nicht akzeptabel", meint auch Sebastian Kelm, Vize-Vorsitzender im Bonner Wirtschaftsausschuss. "Mit dieser Aussage wird der Standort Bonn geschädigt. Da muss sich die Firma Ströer als Vertragspartner der Stadt fragen lassen, wieso sie solche Werbung aufgestellt hat."

Einbruchstatistik

Erstmals seit fast zehn Jahren ist die Zahl der Wohnungseinbrüche in NRW wieder gesunken. Im ersten Halbjahr 2014 meldete die Polizei 29.066 Einbrüche - ein Rückgang um 4,8 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Die stärksten Rückgänge verzeichneten Oberhausen (- 37,4 Prozent), Kreis Olpe (- 36,7), Bonn (- 32,7) und Hagen (- 30,5). Nach der Kriminalstatistik 2013 stieg die Zahl der Haus- und Wohnungseinbrüche bundesweit um 3,7 Prozent auf insgesamt 149.500 - dem höchsten Wert seit 15 Jahren. Bundesweiter Spitzenreiter in der Städterangliste war Bonn mit 563 Einbrüchen pro 100.000 Einwohner.

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