Programm der LVR-Klinik gibt es seit 30 Jahren Gastfamilien als Retter

BONN · Vor dreieinhalb Jahren stieß Elke Wennekamp auf eine Anzeige: "Könnten Sie sich vorstellen, einen psychisch kranken Menschen als Gastfamilie aufzunehmen?"

 Hilfe für psychisch Erkrankte: Irene Doering (l.) betreut die LVR-Gastfamilien wie die von Elke Wennekamp.

Hilfe für psychisch Erkrankte: Irene Doering (l.) betreut die LVR-Gastfamilien wie die von Elke Wennekamp.

Foto: Kohls

Die 46-jährige Altenpflegerin überlegte, beriet sich mit ihren drei Kindern und meldete sich bei der "LiGa" ("Leben in Gastfamilien") - einem Team von Fachpflegekräften und Sozialarbeitern der Bonner LVR-Klinik. Bei einem Kaffeetrinken trafen Gastfamilie, "LiGa"-Mitarbeiter und die Quartiersucherin aufeinander. Wenig später wurde die 61-jährige Erkrankte Teil einer bunten Hausgemeinschaft, in der neben den eigenen Kindern immer wieder auch Pflegekinder unterkommen und seit vergangenem Jahr noch eine weitere Psychiatrieklientin lebt.

50 Familien und Einzelpersonen in Bonn, dem Rhein-Sieg-Kreis und dem Oberbergischen Kreis helfen psychisch Erkrankten oder Behinderten dabei, sich wieder ins Leben hineinzufinden. Am Donnerstag wurden sie in der LVR-Klinik dafür geehrt und waren zugleich Teil einer Jubiläumsfeier: Vor 30 Jahren zogen zum ersten Mal Klienten bei Gastfamilien ein.

Chefarzt Karl Dickopf-Kaschenbach erklärt, warum das Vorgehen für die Klienten solch positive Auswirkungen hat: "Die Stigmatisierung durch Vorurteile ist die zweite Krankheit der Betroffenen, sie leiden sehr unter der gesellschaftlichen Ausgrenzung. In den Familien machen sie die Erfahrung, dazuzugehören."

Miguel Mbengui, angolanischer Schizophrenie-Klient, trug anrührende Erfahrungen bei. Geradezu lebensrettend sei es für ihn gewesen, die Klinik nach einigen Jahren verlassen zu können, schilderte der 53-jährige Informatiker, "die Krisen meiner Mitpatienten haben mich immer richtig angesteckt. In meiner Gastfamilie waren alle anderen gesund und die kleine Enkelin hat mich genauso angenommen, wie ich bin." Per Telefon und Besuchen im Wochenrhythmus unterstützen "LiGa"-Mitarbeiter die 50 Gastgeber bei ihrer Aufgabe. Mit dem Ergebnis, das viele von ihnen einen langen Atem haben: Die dauerhafteste der heilsamen "Wohngemeinschaften" besteht schon seit 27 Jahren.

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