Offene Ganztagsschulen Die Stadt will 100 Euro pro Kind sparen

Bonn · 100 Euro pro Kind will die Stadt Bonn bei den Zuschüssen für die Betreuung an den offenen Ganztagsschulen (OGS) künftig sparen. Ihren Zuschuss will sie von 460 auf 360 Euro senken. Das geht aus einem internen Verwaltungspapier zum Haushaltsentwurf 2013/2014 hervor, das nicht nur die Ratsfraktionen in Alarmstimmung versetzt hat.

"Wenn das in die Tat umgesetzt wird, dann gibt es in der Stadt richtig Ärger", sagt Ulrich Hamacher. Der Geschäftsführer des Diakonischen Werks, das Träger von fünf offenen Ganztagsschulen in Bonn ist, kündigt schon jetzt massiven Protest aller OGS-Träger an, sollte es zu dieser Einsparung kommen. Bei derzeit 6 700 Plätzen wären das immerhin 670 000 Euro pro Jahr. Auch wenn die Stadt Bonn unter Sparzwang stehe, zeigt Hamacher kein Verständnis für den Vorschlag des Verwaltungsvorstands. "Die freien OGS- Träger müssen ohnehin schon sehr knapp kalkulieren", klagt Hamacher und warnt: "Wenn weiter gespart wird, geht das auf jeden Fall zu Lasten der Qualität."

Der Diakoniechef erinnert daran, dass seit Jahren die öffentlichen Zuschüsse für die Betreuungsplätze an den Grundschulen stagnieren, die Personalkosten dagegen kontinuierlich steigen.

Im vorigen Jahr hatten die OGS-Träger deshalb damit gedroht, unter anderem Betreuungsangebote während der Ferien drastisch zu reduzieren. Das wiederum hatte die Eltern auf den Plan gerufen. Dank einer Erhöhung der Landeszuschüsse konnten die offenen Ganztagsschulen ihre Angebote wie gehabt fortführen. Sie erhielten statt 2 000 Euro pro Kind und Jahr fortan 2115 Euro. Dem vorausgegangen war allerdings eine erbitterte Diskussion im Rathaus, weil die Verwaltung ursprünglich ihren OGS-Anteil in Höhe der zusätzlichen Landesmittel kürzen wollte. "Das versucht sie mit ihrem Vorschlag nun erneut durch die Hintertür", ärgert sich Hamacher.

In die gleiche Kerbe schlägt auch Stefan Düllberg, Sprecher der Arbeitsgemeinschaft der freien OGS-Träger. Er ist geschäftsführender Vorstand der Jugendfarm, die gleich neun OGS betreibt. "Ich verstehe Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch nicht. Das passt überhaupt nicht zu seinen Bekenntnissen über Bonn als familienfreundliche Stadt", sagte er. Der OB wisse sehr genau, dass derartige Einsparungen voll zu Lasten der Qualität der OGS gingen. "Das ist schon ein seltsamer Umgang miteinander", sagt er.

Dorothee Paß-Weingartz (Grüne) ist ebenfalls sauer auf die Stadt. "Das könne wir überhaupt nicht nachvollziehen", sagte sie, zumal bei Rat und Verwaltung bisher Einvernehmen bestehe, den Themen Kindern, Jugend und Schule trotz schwieriger Haushaltslage Vorrang einzuräumen. Für die schwarz-grüne Ratsmehrheit sicherte sie zu, im Zuge der Haushaltsberatungen einen Weg zu finden, diesen "abstrusen Sparvorschlag" wieder zu kippen. Wie das gelingen soll, ließ sie allerdings offen. Zumal der Politik noch ein anderes Thema auf den Nägeln brennt: Es gibt an zahlreichen Bonner Schulen zu wenige OGS-Plätze. Das Problem: Die räumlichen Kapazitäten sind ausgereizt. Wenn zusätzliche Plätze geschaffen werden sollen, dann muss die Stadt neu bauen. Und das kostet.

"Im Gegensatz zu anderen Kommunen, die gar keinen freiwilligen Beitrag zu OGS leisten (...), kalkuliert die Stadtverwaltung Bonn für das Schuljahr 2013/14 für über 2,5 Millionen Euro für die OGS ein", verteidigte gestern Familiendezernentin Angelika Maria Wahrheit den Sparvorschlag. So bitter das sei, auch der Kinder- und Jugendbereich müsse im Rahmen der Haushaltskonsolidierung bei den freiwilligen Leistungen einen vertretbaren Beitrag leisten.

Offene Ganztagsschulen

Insgesamt stehen an allen Bonner Grund- und Förderschulen 6700 Plätze zur Verfügung, das entspricht einem Deckungsgrad von ungefähr 40 Prozent. Die Kinder werden in aller Regel bis circa 16.30 Uhr betreut und erhalten ein warmes Mittagessen. Neben Unterstützung bei den Hausaufgaben bieten die offenen Ganztagsschulen verschiedene Freizeitangebote wie Sport, Töpfern oder Theaterspielen an. Der Elternbeitrag liegt derzeit bei maximal 150 Euro und richtet sich nach dem Einkommen. Familien, die von Sozialgeld leben oder nur ein geringes Einkommen haben zahlen nichts. Ebenfalls kostenlos ist der Platz für Geschwisterkinder. Die Stadt Bonn zahlt pro Kind und Platz derzeit einen freiwilligen Zuschuss in Höhe von 460 Euro im Jahr – deutlich mehr, als andere Kommunen zahlen. Ingesamt erhalten die Träger zur Finanzierung eines regulären OGS-Platzes 2150 Euro.

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