Interview mit Professor Hermann Simon "Der nächste OB muss mehr tun"

BONN · Professor Hermann Simon hat für seine Bücher Standorte weltweit verglichen. Mit dem international bekannten Bonner Unternehmensberater sprach Julian Stech.

Nach Haribo zieht jetzt auch Zurich aus Bonn ab. Was bedeutet das für den Wirtschaftsstandort?

Hermann Simon: Der Wegzug von Zurich ist ein Schlag ins Kontor für Bonn. Er zeigt wieder einmal, dass Bonn im Verhältnis zu Köln echte Probleme hat.

Inwiefern?

Simon: Es hieß, die bessere Verkehrsanbindung sei ausschlaggebend für den Umzug nach Köln. Das halte ich für vorgeschoben. Die wahren Gründe liegen immer in den Personen, die entscheiden. Bei vielen gibt es eine Präferenz für Köln. Das gilt insbesondere für junge Leute. Auch unsere Unternehmensberatung hat da Schwierigkeiten. Wir haben Büros in Bonn und Köln, und Köln ist für junge Leute meist der deutlich attraktivere Standort.

Bonn kann aber mit Bildung punkten ...

Simon: Bonn ist überaltert. Das sieht man häufig bei Veranstaltungen. Man glaubt dort, in einem Altersheim zu sein. Das reflektiert sich meines Erachtens auch in Fehlentscheidungen. Dazu zähle ich die Erhaltung der Beethovenhalle. Dazu zähle ich vor allem auch die Verbannung der mehr auf Jugend ausgerichteten Musikaktivitäten etwa vom Museumsplatz in die Rheinaue. Rheinkultur gibt es nicht mehr, die Klangwelle wurde vom Münsterplatz verjagt. Es gibt also viele alte Nörgler in Bonn, vermutlich häufig Juristen, die gerne Trouble machen. Wieso die Justiz da mitspielt, ist mir ein Rätsel.

Welche Alternativen hätte es denn für Zurich und Haribo in Bonn gegeben?

Simon: Das marode Bonn-Center abreißen und neu bauen oder das Landesbehördenhaus, für Zurich hätte es Möglichkeiten gegeben. Dass Haribo mit der Produktion in die Grafschaft geht, ist verständlich. Da fehlt in Bonn einfach die Fläche. Dass Haribo auch die Verwaltung dahin verlagert, halte ich aber für einen strategischen Fehler.

Warum?

Simon: Aus dem gleichen Grund, warum Bonn gegen Köln verliert. Haribo wird in Zukunft internationale Toptalente brauchen. Diese wollen normalerweise nicht an einen ländlichen Standort, der 30 Kilometer von Bonn entfernt liegt. SER ist genau aus diesem Grund von Neustadt/Wied an den Bonner Bogen gezogen.

Was muss Bonn tun, um nicht noch weitere Unternehmen zu verlieren?

Simon: Ich habe nicht den Eindruck, dass die Stadt eine ausreichend aktive Rolle spielt. Das dürfte vor allem am Oberbürgermeister liegen. Ich glaube nicht, dass er wirklich mit den Entscheidern im Gespräch ist. Die Nimptsch-Ära sind verlorene Jahre. Der nächste OB muss mehr tun.

Ist das Klima in der Stadt nicht wirtschaftsfreundlich genug?

Simon: Bonn hat bis heute keine Businesskultur entwickelt. Es ist mentalitätsmäßig nach wie vor eher eine Beamten- oder Wissenschaftlerstadt. Ich wurde gefragt, ob ich Mitglied des Hochschulrates werde. Das ist ja so etwas wie der Aufsichtsrat der Universität. Meiner Meinung nach sollte die Universität eine Business School einrichten, die auch Angehörige anderer Fakultäten in Richtung Management, Unternehmertum etc. ausbildet.

Gibt es Vorbilder?

Simon: Vorbilder sind etwa das Massachusetts Institute of Technology oder die Stanford University. Ich fragte, ob ein solcher Vorschlag eine Chance an der Uni Bonn hätte. Die Frage wurde verneint. Daraufhin gab es für mich keinen Grund, in den Hochschulrat einzutreten. Auch Unternehmer Jörg Haas, einige Jahre sogar Vorsitzender des Hochschulrates, hat das Gremium verlassen. Die Bonner Uni ist leider weitgehend wirtschaftsfern. Mich wundert nicht, dass es hier im Vergleich zu anderen Unistädten viel weniger Unternehmensgründungen gibt. Von den 380 Start-Up-Investments des High-Tech-Gründerfonds, der sogar hier ansässig ist, entfallen nur zwei auf Bonn, aber rund 100 auf Berlin.

Zur Person

Hermann Simon (67) ist Mitgründer der Bonner Strategieberatung Simon-Kucher und gehört zu den einflussreichsten Managementdenkern im deutschsprachigen Raum. Simon, der aus Hasborn in der Eifel stammt, studierte in Köln und Bonn Volks- und Betriebswirtschaft und habilitierte in Bonn. International bekannt wurde Simon durch seine mehr als 30 Buchveröffentlichungen, vor allem über mittelständische Weltmarktführer, "Hidden Champions". Simon wohnt in Bad Godesberg.

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