Bonner Kirchengemeinden suchen nach Fehlern und Versäumnissen Der Trend geht zu späterer Taufe

BONN · Behutsam streicht Stadtdechant Wilfried Schumacher im Münster dem kleinen Anton segnend über die Stirn. Der Kleine liegt in den Armen seines Vaters Marco Schäfer und schließt die Augen.

 Taufe im Bonner Münster: Stadtdechant Wilfried Schumacher (von rechts) segnet den kleinen Anton. Seine Eltern Marco und Sylvia Schäfer sowie die beiden Paten Christopher Lott und Manuela Damm sehen es mit Freude.

Taufe im Bonner Münster: Stadtdechant Wilfried Schumacher (von rechts) segnet den kleinen Anton. Seine Eltern Marco und Sylvia Schäfer sowie die beiden Paten Christopher Lott und Manuela Damm sehen es mit Freude.

Foto: privat

Anton werde durch das Sakrament "Kind Gottes" und Mitglied der Glaubensgemeinschaft, sagt Schumacher, während Mutter Sylvia Schäfer und die Paten Kerzen entzünden. "Die Taufe gibt Anton eine Zugehörigkeit zu unserer Gemeinde. Wir bekennen damit, dass unser Kind im Glauben aufwächst und dass es Teil unserer Familie ist", wird Marco Schäfer hernach sagen. Es sei so ein schönes Gefühl dort vorne im Münster gewesen, wird seine Frau hinzufügen. "Da haben wir gespürt, dass unser Kind von einer höheren Gewalt geschützt wird."

Dieses Gefühl wollen offensichtlich immer weniger Menschen teilen. Die aktuellen "Zahlen und Fakten" der Deutschen Bischofskonferenz führen bundesweit eine eklatante Abnahme von katholischen Kindstaufen auf: Empfingen im Jahr 2000 bei knapp 310.000 Geburten von Kindern mit mindestens einem katholischen Elternteil noch fast 233.000 das Sakrament, so gingen die Taufzahlen Jahr für Jahr zurück: 2013 waren es bei 230.000 Menschen nur noch 165.700. Darunter fielen aber auch 2808 Erwachsene nach Vollendung des 14. Lebensjahrs. Bei immer weniger Menschen werde der Weg zu Gott durch die Eltern in der Taufe des Kindes vorgegeben, antwortet denn auch das Katholische Stadtdekanat auf GA-Anfrage.

Generell sei in Bonn in den Jahren 2010 bis 2013 ein Rückgang der Taufen um neun Prozent zu verzeichnen. Wurden also 2010 noch 964 Katholiken getauft, waren es 2011 noch 972, 2012 dann 919 und 2013 nur noch 875. Diese Zahlen beinhalten auch Erwachsenentaufen. Erste Erhebungen aus dem Jahr 2014 zeigten jedoch eine leichte Abschwächung des Trends, so Stadtdechant Schumacher. "Zu den vielfältigen Gründen zählen sicherlich eine zunehmende Kirchenferne wie auch Schwankungen bei den Geburtszahlen."

Aber die Verantwortlichen in Bonn fragten sich auch selbst, welche Fehler sie in den letzten Jahren gemacht hätten und welche Versäumnisse sie sich vorzuwerfen hätten, sagt jedenfalls Pressesprecher Reinhard Sentis. Der Dialogprozess nicht nur in Bonn sei nun ein guter Anfang gewesen, der bis in die Seelsorgebereiche und Pfarreien hinein Früchte trage.

"Jedes Jahr werden mehr als 800 Kinder neue Mitglieder in der Gemeinschaft der Katholischen Kirche Bonns. Ihnen wollen wir auf immer neue Art unseren Glauben bezeugen." In Bonn verzeichne man aber einen vergleichsweise leichteren Rückgang von Kindstaufen und hoffe mit Blick auf erste Erhebungen aus dem Jahr 2014 sogar auf eine Erholung vom Trend, so Sentis. Im Pfarrverband Bonn-Melbtal etwa habe es 2012 noch 104 Taufen, 2013 dann nur 76, aber 2014 schon wieder 95 Taufen gegeben.

Pressepfarrer Joachim Gerhardt sieht für seine Evangelische Kirche in Bonn ebenfalls keine deutlich sinkenden Taufzahlen, sondern nur einen leichten Rückgang. "In der Lutherkirche haben wir aber fast jeden Sonntag eine Taufe im Gottesdienst, die meisten für kleine Kinder." Es gebe allerdings auch bei den Protestanten den Trend, erst später zu taufen. Deshalb lade die Kirche auch ungetaufte Jugendliche zum "Schnupperkontakt" im Konfirmandenunterricht ein.

"Fast alle bleiben und lassen sich dann vor der Konfirmation taufen. Obwohl ihre Eltern teilweise gar nicht mehr in der Kirche sind. Da entscheiden die Jugendlichen also selbst." Er persönlich sei jedoch ein Fan der Kindertaufe, weil sie die Möglichkeit eröffne, mit kirchlichen Erfahrungen aufzuwachsen. "Selbst entscheiden, ob dieser Weg ihr Weg ist, tun die Jugendlichen dann ja immer noch", so Gerhardt.

Das sehen auch die jungen Eltern Sylvia und Marco Schäfer so. "Wir sind beide mit der Kirche aufgewachsen, Marco war Messdiener und ich in einer katholischen Schule. Die Gemeinde war immer sehr wichtig. Und das wünschen wir uns für Anton auch", sagt die Mutter. Ihr Baby solle in die Gemeinde hineinwachsen. Und ist eine Taufe zu teuer, wie Befragte angäben? Nein, Antons Taufkleid gab es noch in der Familie. Den Kuchen hätten die Tanten mitgebracht, meint Sylvia Schäfer. "Wenn ich einen Strich drunterziehe, liegen wir sehr gut im Plan", ergänzt ihr Mann lachend. Anton habe ja auch Geschenke bekommen, das Sparbuch von den Taufpaten, den Zuschuss für den Kinderwagen. "Die Taufe zu teuer? Das ist Quatsch."

Was bedeutet die Taufe?

Sie ist ein christliches Ritual, das auf die Taufe Jesu durch Johannes im Fluss Jordan zurückgeht. Mit der Taufe wird die Liebe Gottes zu den Menschen und die Eingliederung in die Gemeinschaft der Christen gefeiert. Dabei wird der Täufling mit Wasser übergossen oder untergetaucht. Für die meisten Kirchen war es bislang selbstverständlich, dass die Taufe im Kleinkindalter empfangen wurde. Mennoniten, Baptisten und Freie evangelische Gemeinden setzen jedoch eine bewusste Entscheidung zum Glauben voraus und lehnen die Taufe von Säuglingen ab. Die Kirchen erkennen die Taufen der jeweils anderen Konfession gleichermaßen an.

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