Staatsanwaltschaft Bonn Chefankläger Jakob Klaas: Die Belastung ist sehr, sehr hoch

Bonn · Seit rund 100 Tagen ist Jakob Klaas als Chef der Bonner Staatsanwaltschaft nun im Amt, und seine entscheidende Erkenntnis in diesen ersten Monaten lautet: "Ich fühle mich hier in Bonn sehr wohl, aber die Arbeitsbelastung in der Behörde ist sehr, sehr hoch."

Für jeden einzelnen Mitarbeiter liege sie aufgrund der Personalknappheit bei über 100 Prozent. Aber: "Die Behörde geht mit den Problemen sehr gut um." Sein Fazit: "Die Einstellung der Kollegen ist großartig." Denn, so hat der neue Leitende Oberstaatsanwalt der drittgrößten Anklagebehörde in NRW festgestellt: "Hier in Bonn versucht jeder, konstruktiv mitzuarbeiten."

Und wenn Not am Mann oder an der Frau sei, sei die Devise: "Wir kriegen das hin." Und so beobachte er immer wieder, dass Kollegen bis in den Abend hinein am Schreibtisch sitzen und arbeiten. Denn Personalnot ist wie überall bei der Justiz auch bei der Bonner Behörde an der Tagesordnung, wie Klaas erklärt. Das sei in Köln, wo der 55-Jährige bis zum Wechsel nach Bonn als stellvertretender Behördenleiter tätig war, nicht anders. Und angesichts der leeren Landeskasse ist eine Besserung auch nicht in Sicht.

Sorgenfalten bekommt Klaas allerdings, wenn er über die Konsequenzen spricht: "Unter dieser hohen Belastung leidet die Bearbeitung der Verfahren." Denn die dauere entsprechend länger. "Was nicht sein dürfte im Sinne des Bürgers", bemängelt er. Das zeigt sich vor allem im Bereich der Wirtschaftskriminalität, wo sich die Bearbeitung besonders arbeitsintensiv gestaltet.

In Zahlen sieht das so aus: Zurzeit sind 56 Staatsanwältinnen und Staatsanwälte aktiv im Dienst. Die Zahl der Ermittlungsverfahren, die das Register im Jahr 2013 verzeichnet: 64.192 gegen namentlich bekannte Beschuldigte, 51.598 gegen Unbekannt. Davon entfallen auf die Dezernenten der beiden Abteilungen für Wirtschaftskriminalität und Antikorruption an die 2500 Verfahren.

Antikorruptionsabteilung wird nicht abgewickelt

Und allen anderslautenden Ankündigungen wird die Antikorruptionsabteilung nach dem Ausscheiden ihres langjährigen Chefs Fred Apostel in den Ruhestand nicht abgewickelt, wie Klaas erklärt. Allerdings wird es aufgrund der NRW-Haushaltslage noch dauern, bis ein neuer Abteilungsleiter bestimmt werden wird. Solange ist der Chef der Wirtschaftsabteilung, Roland Wangen, auch noch für die zweite Abteilung zuständig.

Grundsätzlich soll zwar seit den 1960er Jahren eine Schwerpunktabteilung der Kölner Staatsanwaltschaft die großen Wirtschaftsstrafverfahren im gesamten Bezirk bearbeiten. Aber Bonn hatte, so Klaas, als Bundeshauptstadt einen Sonderstatus und bearbeitete seine eigenen Fälle selbst. Inzwischen hat sich Bonns Status geändert, und die großen Fälle sollen nach Köln abgegeben werden.

Wirtschaftskriminalität: Verfahren am Landgericht so in der Warteschleife

Aber viele Ermittlungen fangen ja erst mal klein an. Und außerdem ist die Lage bei der Kölner Justiz in Sachen Wirtschaftskriminalität noch dramatischer als in Bonn, wie der Präsident des Oberlandesgerichts, Johannes Riedel, kürzlich mitteilte. Auch in Köln hängen die Verfahren am Landgericht so in der Warteschleife, dass drei zusätzlich Wirtschaftsstrafkammern eingerichtet werden mussten.

WCCB-Skandal sorgt für Personalnotstand

In Bonn sorgt allein die strafrechtliche Aufarbeitung des Skandals um das World Conference Center (WCCB) seit Jahren für Personalnotstand und Bearbeitungsstau und machte die Einrichtung einer weiteren Wirtschaftsstrafkammer erforderlich. Und die Staatsanwaltschaft muss in Sachen WCCB seit Beginn der Ermittlungen vor fünf Jahren immer wieder Löcher stopfen: Von den anfänglichen Ermittlern ist inzwischen keiner mehr in der Behörde. Doch es stehen noch drei Strafprozesse aus. Für diese Arbeit hat Klaas zwei Staatsanwälte eingeteilt - und ist sicher: Sie werden diese Aufgabe meistern.

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