Betrugsmasche Bonner Ermittler stoßen an Grenzen

BONN · Angebliche Microsoft-Mitarbeiter versuchen derzeit, die Menschen in Bonn und der Region mit einer raffinierten Betrugsmasche über den Tisch zu ziehen. Sie behaupten am Telefon, mit dem Computer des Angerufenen gebe es ein Problem.

Die Opfer sollen das Gerät anschalten, mit dem die Betrüger dann über das Internet eine Verbindung herstellen. Bei der angeblichen Fehlersuche versuchen sie, sensible Daten wie Bankverbindungen und Passwörter abzugreifen oder einen Trojaner zu installieren.

"In den vergangenen drei Wochen hatten wir mehrere Dutzend Hinweise auf solche Fälle", sagt Klaus Götten, der Leiter des zuständigen Kriminalkommissariats im Polizeipräsidium. Die Täter sprächen meist gebrochen Deutsch oder Englisch. Bislang hätten sie allerdings kaum Erfolg gehabt. Bei einigen Opfern seien Beträge auf südeuropäische Konten abgebucht worden - bisher nur im dreistelligen Bereich, wohl um die Banken nicht misstrauisch zu machen. In Deutschland können sich die Betrüger beim Telefonieren einigermaßen sicher fühlen: "Die Chancen, sie zu ermitteln, stehen schlecht", räumt Götten ein. Das liege auch an der fehlenden Vorratsdatenspeicherung von Telefon- und Internetverbindungen bei den Kommunikationsunternehmen. Dort werden Verbindungsdaten nur noch kurzzeitig gesichert.

An die Absender von E-Mails, mit denen Kontodaten abgefischt oder Schadprogramme auf Privatrechner geschmuggelt werden, kommen die Ermittler deshalb ebenfalls schwerer heran. Internetkriminalität nimmt auch in Bonn zu, während die Aufklärungsquote sinkt. Zwischen 2008 und 2013 waren es im Jahresdurchschnitt 1823 Anzeigen, von denen 64,5 Prozent geklärt werden konnten. Bis 2013 kletterte die Fallzahl auf 2155, und die Aufklärungsquote stürzte auf 38 Prozent ab (Zahlen für 2014 liegen noch nicht vor). Diese Entwicklung führt Ermittler Götten aber auch darauf zurück, dass viele Täter verstärkt über Provider und Rechenzentren im Ausland agieren - und ein internationales Rechtshilfeverfahren kann lange dauern. "Die Vorratsdatenspeicherung ist keine Wunderwaffe", sagt Götten. "Aber für die Aufklärung schwerer Verbrechen wie Kinderpornografie wäre sie ein wichtiges Instrument." Deswegen hat auch Uwe Jacob, Chef des NRW-Landeskriminalamtes, vor kurzem die Wiedereinführung gefordert.

Hermann-Josef Borjans vom Bund Deutscher Kriminalbeamter (BDK) spricht von rund 500 Bonner Fällen von Internetkriminalität, die ohne die Daten nicht geklärt werden können. "Hier geht es außerdem um die Sicherheit der Bürger", sagt der BDK-Bezirksvorsitzende. Gerade in der Salafisten-Hochburg Bonn sei der Zugriff auf Kommunikationsdaten wichtig, um Netzwerke zu erkennen. "In der aktuellen Bedrohungslage ist die Situation nicht akzeptabel, wie die Ereignisse in Belgien zeigen", kritisiert auch Udo Schott, Bonner Vorsitzender der Gewerkschaft der Polizei. Die Datenspeicherung sei zwingend nötig - "natürlich auf einer soliden gesetzlichen Grundlage".

Herausgabe nur mit Richterbeschluss

Das Bundesverfassungsgericht hat die pauschale und anlasslose Speicherung aller Kommunikationsdaten schon im Jahr 2010 untersagt. Der Europäische Gerichtshof kippte 2014 auch die EU-Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung .

Für eine gewisse Zeit speichern Kommunikationsunternehmen die Daten trotzdem, vor allem für Abrechnungszwecke. Darauf kann die Polizei beim Verdacht auf schwere Straftaten zugreifen - aber nur mit Zustimmung eines Richters. Die Firmen sind zur Herausgabe verpflichtet.

Die Telekom etwa speichert Internetverbindungen nach eigenen Angaben maximal sieben Tage. Beim Telefon sind es fünf Tage, sofern der Kunde eine pauschale Flatrate nutzt. Bei Einzelabrechnung werden die Daten 80 Tage gespeichert.

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