Interview mit Mikrobiologin Susanne Abels Bedrohlicher als Ebola: Multiresistente Keime

BONN · Rund 260 Mediziner nahmen am Samstag am Symposium "Reisemedizin, Impfschutz und internationale Gesundheit" der Gesundheitsakademie Bonn im Bundesverkehrsministerium teil. Besonderes Interesse fanden die Ausführungen von Susanne Abels, die am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn für die Überwachung von an Krankenhäusern zugezogenen Infektionen zuständig ist.

 "Eine Definition, ab wann man von einer Seuche spricht, gibt es so nicht" Mikrobiologin Susanne Abels

"Eine Definition, ab wann man von einer Seuche spricht, gibt es so nicht" Mikrobiologin Susanne Abels

Foto: barbara frommann

Die Fachärztin für Mikrobiologie hat mit Mylène Lamesch im August eine "Reise-Rückkehrer-Studie" gestartet. Darüber und über Infektionsgefahren sprach mit ihr Cem Akalin.

Frau Dr. Abels, Sie haben gerade über die "Weltseuchenlage" gesprochen. Klingt bedrohlich.

Susanne Abels: Ist es ja auch. Wenn Sie sich die Zahlen anschauen, dann sind sie, je nachdem, um welche Erkrankung es geht, schon recht hoch.

Zum Beispiel?

Abels: Tuberkulose oder Virushepatitiden.

Wann spricht man denn von einer Seuche?

Abels: Eine Definition, ab wann man von einer Seuche spricht, gibt es so nicht. Hier auf dem Symposium Erkrankungen geht es aber auch um Erreger, die vielleicht nicht eine so hohe Zahl von Erkrankten vorweisen, die aber sehr schwere Erkrankungsverläufe neh´men können.

Zum Beispiel?

Abels: Tollwut oder Hantavirus-Infektionen etwa. Es sollte eben eine Erkrankung sein, die weltweit relevant ist.

Als Westeuropäer denkt man, in Zeiten einer fortschrittlichen Medizin kann man sich gegen alles impfen, und es ist alles gar nicht so schlimm. Ist es wohl nicht?

Abels: Nein, durchaus nicht. Schauen Sie sich die Tuberkulose-Situation an: Wir haben zwar ältere Impfstoffe, aber deren Wirksamkeit ist sehr eingeschränkt, und der Einsatz wird in Deutschland nicht mehr empfohlen. Weltweit ist etwa jeder dritte Mensch mit Tuberkulose infiziert. Das heißt jedoch nicht, dass man automatisch erkrankt.

Man trägt also das Bakterium in sich?

Abels: Ja. Etwa zehn Prozent dieser Träger, so der aktuelle Stand der Wissenschaft, machen im Laufe ihres Lebens eine aktive Tuberkuloseerkrankung durch.

Wann bricht das aus?

Abels: Jederzeit dann, wenn das Immunsystem gerade nicht auf der Höhe ist. Manchmal reicht auch das fortgeschrittene Alter aus, weil das Immunsystem dann ein wenig nachlässt. Es kann sein, dass man in der Jugend das Bakterium aufgenommen hat, dieses jahrelang im Körper schlummert und wenn dann irgendwann im Verlauf eines Lebens derartige Situationen auftreten, kann es aktiviert werden.

Gibt es keine neuen Impfstoffe?

Abels: Man arbeitet zwar an der Entwicklung, aber in naher Zukunft wird es diese nicht geben.

Gibt es Regionen, in denen diese Bakterien besonders häufig verbreitet sind?

Abels: Südliches Afrika, Regionen in Osteuropa und Asien.

Was muss ich dort als Reisender beachten?

Abels: Das ist eine Tröpfcheninfektion. Ich kann mich also sehr schlecht dagegen schützen. In der Regel kann man sagen: Distanz halten.

Sie stellen hier auf dem Symposium auch Ihre Reise-Rückkehrer- Studie vor, die Sie im vergangenen August gestartet haben. Worum geht es da?

Abels: Wir haben es in unseren Krankenhäusern zunehmend mit verstärkt resistenten Bakterien zu tun. Vielen ist der MRSA bekannt. Immer mehr zum Problem werden aber die sogenannten Multi-resistenten Gram-negativen Stäbchenbakterien.

Was sind das für Bakterien?

Abels: Bei den Gram-negativen Bakterien ist es in der Regel so, dass sie bei Menschen Bestandteil der normalen, gesunden Darmflora sind. Das bedeutet nicht, dass man daran "erkrankt" ist. Wenn es jedoch - aus welchen Gründen auch immer - zu einer Erkrankung durch diese Bakterien kommt, gibt es nur eingeschränkte Therapiemöglichkeiten. Eine Verschleppung der Therapie kann dann auch schwere Konsequenzen haben.

Tod?

Abels: Auch das ist möglich. Zudem sind diese Bakterien sogenannte Umweltkeime. Sie kommen also ganz normal auf Oberflächen, im Wasser, weit verbreitet vor. Es ist wie gesagt nicht zwangsläufig so, dass man daran erkranken muss. Wir haben nun einen recht guten Überblick darüber, was sich im Bereich der Patientenversorgung tut, also bei Menschen, die im Ausland behandelt worden sind und dann in Deutschland weiterbehandelt werden.

Aber Ihnen fehlen bestimmte Erkenntnisse?

Abels: Wo uns Daten fehlen sind die Fälle, wo Leute im Ausland gewesen sind, keinen Kontakt zum dortigen Gesundheitswesen hatten, aber durchaus Kontakt mit der "normalen Umwelt", Lebensmitteln und Wasser, gehabt haben. Uns interessiert, was für Bakterien, insbesondere mit welchen Resistenzen, diese Menschen mit zurückbringen. Diese Personen müssen auch nicht selbst an diesen Bakterien erkranken, aber sie bringen sie in unsere Population ein.

Wie läuft das praktisch ab?

Abels: Es gibt zwei Fragebögen, mit denen allgemeine Information aber auch Verhaltensweisen während des Aufenthaltes abgefragt werden. Wir bitten zudem vor und nach der Reise um eine Stuhlprobe und untersuchen diese auf multi-resistente Gram-negative Keime.

Interessieren Sie auch bestimmte Regionen?

Abels: Tropen und Subtropen.

Was ist denn eigentlich die größere Bedrohung, Ebola oder Multiresistente Keime?

Abels: Auf längere Sicht sicherlich die multiresistenten Keime.

Zur Person

Susanne Abels ist Fachärztin für Mikrobiologie, Virologie und Infektionsepidemiologie und berät Krankenhäuser. Am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit ist die 48-Jährige für die Überwachung von im Krankenhaus zugezogenen Infektionen zuständig, hält die Sprechstunden zu Gelbfieberimpfung und führt die Reisemedizinische Impfambulanz.

Infos und Kontakt: Wer sich an der Studie von Dr. Susanne Abels und ihrer Doktorandin Mylène Lamesch beteiligen möchte, kann sich montags zwischen 15.30 und 16.30 Uhr sowie freitags zwischen 9 und 11 Uhr bei der Impfsprechstunde am Institut für Hygiene und Öffentliche Gesundheit der Universität Bonn, Tel. 02 28/28 71 68 06, auf dem Venusberg anmelden.

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