Bauplanungs-Stau in Bonn Architekten beraten über Bonner Wohnungsnot

BONN · Um 20.000 Einwohner soll Bonn in den nächsten 15 Jahren wachsen, erwarten Demographie-Experten. Der Architektenbund diskutiert im Kunstmuseum über Wege aus dem Bauplanungs-Stau.

Die Zahl birgt zweifellos Konfliktpotenzial: Um 20 000 Einwohner soll Bonn in den nächsten 15 Jahren wachsen, erwarten Demographie-Experten. Doch schon heute macht der Wohnungsmarkt zwischen Mehlem und Tannenbusch vor allem Wohnungssuchenden mit unteren und mittleren Einkommen kaum Angebote.

Wie die Stadt sich perspektivisch besser entwickeln könnte, diskutierten gestern Abend auf Einladung des Bundes Deutscher Architekten (BDA) und moderiert von Stadtentwicklungsplaner Michael Lobeck im Auditorium des Kunstmuseums Experten aus Stadtplanung, Bauverwaltung und vonseiten der Grundeigentümer.

In seinem Eingangs-Referat nahm der Architekt Ralph Schweitzer kein Blatt vor den Mund. Bauvorhaben mit einem Kostenvolumen von 100 Millionen Euro lägen nutzlos in Bonner Architekten-Büros herum, weil die Pläne nicht genehmigt würden, habe eine BDA-Umfrage ergeben. "Hauptgrund allen Übels sind überholte Bebauungspläne, die heutigen Anforderungen nicht entsprechen."

87 Prozent seien älter als 20, 73 Prozent sogar älter als 30 Jahre. In einem ihn beschäftigenden Fall sei sogar auf preußische Fluchtlinienpläne von 1875 rekurriert worden. Das Problem: Viele Pläne enthalten heute unverständliche Regelungen, etwa dass ein Haus nur zwei Wohnungen habe und der Dachboden nicht ausgebaut werden dürfe. Damit wollte man zu Hauptstadtzeiten den Umbau der Stadt zum reinen Lobbyisten-Quartier verhindern.

Änderung sei nicht in Sicht: Beim derzeitigen Output des Kataster- und Vermessungsamtes mit noch lediglich zwei zuständigen Mitarbeitern werde es fünf Jahrzehnte dauern bis die 300 überholtesten Pläne neu gezeichnet seien, fürchtete Schweitzer.

Stadtplaner Ralf Thielecke erinnerte andererseits daran, dass Bebauungspläne als Ortssatzungen nicht nur den Bauherren, sondern auch den Anwohnern oder Mietern über Jahrzehnte klare Rechtssicherheit geben müssen. Eine pauschale Aufhebung veralteter Pläne verbiete sich deshalb. Viele Konflikte entstehen nach Thieleckes Beobachtung, weil Bauherren und Architekten sich nicht am vorhandenen Umfeld orientieren, sondern ihre Größen- und Ausstattungswünsche im Ausnahmeweg durchsetzen wollen und dann am juristischen Widerstand der Gegner scheitern.

In keiner Stadt gebe es derart viele "pensionierte Ministerialräte mit Zeit und Muße, Projekte zu torpedieren", schimpfte Haus-und-Grund-Hauptgeschäftsführer Helmut Hergarten. SPD-Ratsherr Helmut Redeker, Vorsitzender Unterausschusses Bauplanung, warnte vor der Hoffnung auf große Lösungen, zumal die rechtlichen Anforderungen an die Bebauungspläne verschärft worden seien. Man werde weiter jeden Einzelfall betrachten müssen.

Der Verwaltungsjurist Michael Nimphius forderte von der Bauverwaltung: "Es kann nicht sein, dass Projekte, die der eine darf, bei einem anderen abgelehnt werden." Mit Nimphius waren sich die Diskutanten einig, dass Bonn stärker von seiner Planungshoheit Gebrauch machen sollte.

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