Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" Folge 77 Als Arzt an der Seite de Gaulles und Kennedys

BONN · Verantwortung spielt im Leben von Karl-Wilhelm Wedel eine zentrale Rolle, und zwar von Beginn an. Er war gerade mal 20 - Medizinstudent mit eilig abgeschlossenem Physikum -, als er 1945 auf dem Lazarettschiff Monte Rosa die Betreuung von 200 Verwundeten übernehmen musste.

 Neben seinem Hauptberuf übernahm der Kunstfreund Karl-Wilhelm Wedel, hier in seiner Wohnung in der Bonner Südstadt, auch zahlreiche ehrenamtliche Aufgaben.

Neben seinem Hauptberuf übernahm der Kunstfreund Karl-Wilhelm Wedel, hier in seiner Wohnung in der Bonner Südstadt, auch zahlreiche ehrenamtliche Aufgaben.

Foto: Franz Fischer

Irgendwo auf den anderen Decks gab es auch einen "echten" Arzt, aber solche Unterscheidungen wurden angesichts der Versorgungsnot hinfällig. Der alte Herr mit den leuchtenden blauen Augen, der sich am Esstisch seiner Wohnung in der Prinz-Albert-Straße an diese Zeit zurückerinnert, feiert heute seinen 90. Geburtstag.

Die Erfahrungen von damals, die Konfrontation mit Schwerverletzten und Sterbenden, haben ihn geprägt, aber nicht beschädigt. "Es war für mich eine Selbstverständlichkeit, da zu helfen." Trotz dieser Praxiserfahrung brauchte der Medizinstudent in den zerrissenen Strukturen Nachkriegsdeutschlands dann noch viel Hartnäckigkeit, um sein Staatsexamen ablegen zu können. Die Zurückweisungen mancher Fakultäten empfand er als ungerecht, und es klingt eine leise Genugtuung durch, wenn der Facharzt für Chirurgie heute feststellt: "Ich habe es trotzdem geschafft, mit 25 Jahren fertig zu sein."

Nach Bonn verschlug es Wedel 1957, als er - inzwischen Ehemann und Vater - in den Marinesanitätsdienst der Bundeswehr eintrat. Die spätere Fortsetzung seiner Karriere beim Bundesverteidigungsministerium brachte dem gebürtigen Görlitzer auch höchst ungewöhnliche Aufträge ein: 1962 und 1963 übertrug man ihm die ärztliche Begleitung der Staatsgäste Charles de Gaulle und John F. Kennedy.

Während die Präsidenten die nordrhein-westfälischen Protokollstrecken in Staatskarossen am Boden zurücklegten, hielt sich der Mediziner in darüberfliegenden Hubschraubern bereit für Notfälle - die zum Glück nicht eintraten. Geblieben sind ihm aus jener Zeit eine Sammlung selbst fotografierter Luftaufnahmen und die verschmitzt geäußerte Freude darüber, "dass man mich anscheinend für diese Aufgaben geeignet fand".

Damals konnte er nicht ahnen, dass ihn das Schicksal in seinem Privatleben vor eine weit größere, traurige Herausforderung stellen würde: Als Mitte der 1960er Jahre seine erste Ehefrau Brigitte starb, blieb Wedel allein mit fünf Kindern zurück.

Dass es am heutigen Tag sogar sechs sind, die ihm samt zehn Enkeln zum runden Geburtstag gratulieren, ist ein schöner Beleg dafür, dass das Familienleben schon bald darauf zurück in glückliche Bahnen kam. "Ohne die Zuneigung und die Treue meiner zweiten Frau wäre ich wahrscheinlich nicht so alt geworden", sagt der Jubilar über die erfolgreiche Künstlerin Tina Wedel. 47 Jahre Ehe verbinden die beiden - und eine große Leidenschaft für die Kunst.

Die brachte Wedel unter anderem dazu, im Jahr 1985 den "Verein der Freunde des Kunstmuseums Bonn" ins Leben zu rufen, der das Haus bei Neuerwerbungen finanziell unterstützt. Auch heute noch ist der Kunstfreund trotz gesundheitlicher Einschränkungen auf Vernissagen anzutreffen. "Dann nehme ich meinen Schiebewagen und rolle durch die Ausstellung." Noch viele andere Institutionen haben im Laufe der Jahre vom Wedelschen Verantwortungsgefühl profitiert.

Lange stand der Mediziner dem Malteser Hilfsdienst ehrenamtlich als Leitender Bundesarzt zur Seite, half bei der Ausbildung von Ersthelfern und Schwesternhelferinnen. An seinem früheren Wohnort Buschdorf engagierte er sich im Ortsfestausschuss und begründete die Bürgerstiftung mit. Zehn Jahre lang war er Präsident und später Ehrenpräsident der "Deutschen Gesellschaft für Wehrmedizin und Wehrpharmazie", deren Bundesgeschäftsstelle in Bad Godesberg seit 2011 den Namen "Karl-Wilhelm-Wedel-Haus" trägt.

"Ich habe mich darüber gewundert, dass so eine Ehrung zu Lebzeiten geschieht", befindet der geistig hellwache Senior. "Das ist ja eigentlich selten." Die größte Ehre allerdings wurde Wedel mit einer Privataudienz bei Papst Johannes Paul II. zuteil, als er 1980 für die Gesundheit auch dieses wichtigen Deutschland-Besuchers zuständig war. Fünf Tage lang reiste er im Gefolge des Heiligen Vaters mit dem Zug von Köln nach Altötting, zum Abschluss traf er ihn ganz allein zum Gespräch.

Wer allerdings vermutet, der Mann mit der ellenlangen Erlebnisliste könnte sich zumindest auf diese Episode etwas einbilden, der irrt: "Sie haben einfach jemanden gesucht, der katholisch, Unfallchirurg und Sanitätsoffizier war."

Typisch bönnsch

An Bonn gefällt mir...

...die offene Art der Menschen, zu der ich einen guten Zugang gefunden habe. Und die Lage inmitten einer wunderbaren Landschaft.

Ich vermisse...

... eine gewisse Zugewandtheit dem Fortschritt gegenüber - besonders in infrastruktureller Hinsicht.

Mein Lieblingsplatz...

...ist die Terrasse des Hotels Königshof mit Blick auf die andere Rheinseite und das Siebengebirge.

Typisch bönnsch...

...ist für mich der Bonner Humor. Die Art der Menschen, mit vielen Situationen auf gelassene Art fertigzuwerden.

Die Serie (Folge 77)

Eine Stadt ist so vielfältig wie die Gesichter der Menschen, die hier wohnen und arbeiten, lernen und kreativ sind. Es gibt Erfolgsgeschichten, Liebesgeschichten, Lebensgeschichten oder Alltagsgeschichten. In der Serie "100 Köpfe: Wir sind Bonn" porträtieren wir jeweils einen Bonner Kopf.

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