Interview mit Claudia Lücking-Michel Ärzte sind Sterbebegleiter, keine Sterbehelfer

BONN · Die Bundestagsabgeordnete Claudia Lücking-Michel referiert am Montag bei einem Treffen des Arbeitskreises Christen und Bioethik in der Thomaskapelle in Bad Godesberg über das Thema "Assistierter Suizid". Mit der Christdemokratin sprach Ebba Hagenberg-Miliu.

 Die CDU-Abgeordnete Claudia Lücking-Michel bezieht Position zum Thema Sterbehilfe.

Die CDU-Abgeordnete Claudia Lücking-Michel bezieht Position zum Thema Sterbehilfe.

Foto: Uwe Steinert

Sie gehören zur Unionsmehrheit, die jegliche organisierte Sterbehilfe verbieten will?
Claudia Lücking-Michel: Wenn Beihilfe zum Suizid zuerst ein legales, dann dadurch auch bald ein scheinbar "normales" Angebot würde, dann sehe ich die Gefahr, dass sich ältere oder lebensbedrohlich erkrankte Menschen unter ökonomischen und psychosozialen Druck gesetzt fühlen. Manche werden sich dann mit Rücksicht auf die Angehörigen fast verpflichtet fühlen, sich zu "entsorgen". Die Tür für organisierte Sterbehilfe zu öffnen, bedeutet so, die Schutzbedürftigsten womöglich über eine Schwelle zu drängen, die sie selbst gar nicht überschreiten wollten. Das wäre dann das glatte Gegenteil von Selbstbestimmung bis zum Tode.

Urteilen Sie als engagierte Katholikin?
Lücking-Michel: Natürlich bin ich geprägt davon, dass ich Christin bin. Ich sehe aber auch unabhängig davon die Verpflichtung für jede Gesellschaft, sich für die Wehrlosen und Schwachen ganz besonders einzusetzen.

Aber Sie wollen dem behandelnden Arzt im Einzelfall schon die Möglichkeit lassen, dem Patienten ein Medikament zum Suizid zur Verfügung zu stellen?
Lücking-Michel: Einerseits muss, wie schon bisher, für Ärzte genauso wie für alle anderen Menschen gelten, dass Beihilfe zum Suizid so lange keine strafrechtlichen Konsequenzen hat, wie sie nicht gewerbsmäßig und organisiert betrieben wird. Andererseits lässt sich ärztliche Beihilfe nicht mit dem Hippokratischen Eid und dem ärztlichen Berufsethos vereinbaren. Die Bundesärztekammer formuliert das sehr zutreffend. Ärzte sind Sterbebegleiter, keine Sterbehelfer.

Ihr Parteikollege Peter Hintze, auch ein Theologe, spricht sich generell für ärztliche Suizidhilfe in schweren Leidenssituationen aus.
Lücking-Michel: Die Differenzen gehen quer durch alle Fraktionen. Tatsächlich kommt Peter Hintze zu anderen Schlüssen als ich. Seine Parlamentariergruppe will Ausnahmetatbestände definieren, die regeln, wann Ärzte Beihilfe leisten dürfen. Diese werden mit "unerträglichem Leid" und "Krankheit zum Tode" beschrieben. Aber wer will das juristisch eindeutig definieren? Ich denke, es wird den vielfältigen menschlichen Situationen und Herausforderungen gerechter, hier einfach als Gesetzgeber zu schweigen und eine Entscheidung der persönlichen Gewissensentscheidung zu überantworten.

Sie fordern den konsequenten Ausbau der Palliativmedizin?
Lücking-Michel: Das ist ein absolut vordringliches Ziel. Viele Menschen fordern nur deshalb einen Zugang zu Sterbehilfe, weil sie Angst vor zu großen Schmerzen haben, vor einem als unwürdig empfundenen Ende, vor Einsamkeit und Leid. Wir müssen deshalb die gesetzgeberischen und finanziellen Voraussetzungen schaffen, um ein flächendeckendes Angebot der Palliativ- und Hospizversorgung sicherzustellen. Ich danke Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe daher ausdrücklich für seine Planungen.

Es gibt den Vorwurf, ein Verbot von Sterbehilfe treibe Todkranke ins Ausland...
Lücking-Michel: Holland und Belgien erlauben die Hilfe zum Suizid nicht bei Ausländern. Nach meinem Wissen gibt es diese Möglichkeit nur bei einem Anbieter in der Schweiz. Das haben 2013 etwa 150 Menschen getan. Im selben Jahr sind in Deutschland 840 000 Leute gestorben. Das Verhältnis rechtfertigt keine Gesetzesänderung, die dazu führen könnte, die Lebenschancen Alter, Behinderter, Dementer und Schwerkranker dramatisch einzuschränken.

Wie wird sich der Bundestag in der Sache entscheiden?
Lücking-Michel: Wir, meine Bundestagskollegen Michael Brand, Michael Frieser und ich, haben für unser Positionspapier "Begleiten statt Beenden" viel Zuspruch erhalten. Nun kommt es darauf an, überzeugend für unsere Position einzustehen. Ich denke, wir haben gute Argumente, und hoffe, dass sich diese im Gesetzestext wiederfinden werden.

Zur Person

Claudia Lücking-Michel, 52, ist promovierte katholische Theologin und seit 2013 CDU-Bundestagabgeordnete. Zuvor arbeitete die Bonnerin als Generalsekretärin des Cusanuswerks. Ehrenamtlich ist sie seit 2005 Vizepräsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).

Assistierter Suizid

Assistierter Suizid ist Beihilfe zur Selbsttötung. Das heißt, der Sterbewillige nimmt selbstständig eine Substanz zur Selbsttötung ein. Diese wurde ihm von einer anderen Person - einem Angehörigen oder nahestehenden Menschen, einem Arzt oder Sterbehelfer - zur Verfügung gestellt. In Deutschland ist die Selbsttötung nicht strafbar, also auch die Beihilfe zur Selbsttötung vom Grundsatz her nicht. Möglich ist aber die Strafbarkeit wegen eines Unterlassungsdelikts.

Info

"Begleiten statt Beenden. Schutz der Würde am Ende des Lebens" lautet der Titel des öffentlichen Vortrags, den Claudia Lücking-Michel am Montag, 9. Februar, ab 19.15 Uhr beim Arbeitskreis Christen und Bioethik in der Thomaskapelle, Kennedyallee 115, halten wird. Kontakt zum Arbeitskreis über Ilse Maresch unterTel. 02 28/44 46 04.

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