Heilkräuter in Beuel Die Naturapotheke am Wegesrand

BEUEL · Wegerich, Gänseblümchen, Klee. Was dem Hobbygärtner tiefe Zornesfalten auf die Stirn treibt, das lässt Jens Albrecht zufrieden lächeln. Auf einer Exkursion erkundete er jetzt mit Besuchern Pflanzen in Beuel.

 Was wächst denn da? Heilkräuterexperte Jens Albrecht weiß es.

Was wächst denn da? Heilkräuterexperte Jens Albrecht weiß es.

Foto: Barbara Frommann

"Es ist wirklich toll, was hier abseits der Wege alles wächst", strahlt der Heilpraktiker und pflückt ein Blatt des Breitwegerichs ab. Er kennt sie alle. Ob Johanniskraut, Schafgabe oder Natternkopf - mehr als 100 Heilkräuter wachsen meist unbeachtet auch in Bonn. "An Bachläufen, auf Wiesen, Friedhöfen oder entlang der Straßen", erklärt er seinen Besuchern, die mit ihm gemeinsam die Vielfalt der heimischen Flora entdecken wollten.

Nur einen Steinwurf vom Treffpunkt am U-Bahnhof in Ramersdorf entfernt stehen die Teilnehmer bereits mitten in einer kleinen Naturapotheke: Auf dem Rondell an der viel befahrenen Kreuzung Oberkasseler-/Königswinterer Straße wachsen gleich 20 verschiedene Heilkräuter. "Man muss nicht auf die teuren Exporte aus China zurückgreifen", macht er den Spaziergängern gleich klar. "Auch hier bei uns findet man viele Gewächse, die man zur Stärkung oder Therapie einsetzen kann", appelliert er. "Man muss einfach nur einmal nach unten schauen."

Zwar wollten die meisten Teilnehmer erst einmal etwas über die verschiedenen Gewächse erfahren und sich die unterschiedlichen Erkennungsmerkmale einprägen. Manch einer hat sich jedoch bestens auf die Exkursion vorbereitet. So wie Cerstin Alteköster. Sie ist gleich mit einem Rucksack zum Treffpunkt gekommen. Darin sind zwei leere Marmeladengläser und eine Flasche Olivenöl. Wozu? Sie sammelt im Laufe der Wanderung Johanniskraut, um es in ihren Gläsern gleich frisch gepflückt mit Olivenöl aufzufüllen.

"Die Chance will ich mir nicht entgehen lassen", freut sie sich. "Wenn ich schon einen Experten dabei habe, dann will ich das auch ausnutzen." "Perfekt", lobt Jens Albrecht die Vorbereitung. Die Gläser muss sie jetzt nur noch für etwa sechs Wochen in die pralle Sonne stellen. Dann hat das Öl die wertvollen Inhaltsstoffe aus dem Kraut gezogen und die Tinktur rot gefärbt. Während Johanniskrautöl schon vor Jahrhunderten von "Kräuterhexen" zur Behandlung von Hieb- und Stickverletzungen eingesetzt wurde, empfiehlt Albrecht, es heute bei Verbrennungen und Nervenschmerzen zu verwenden. "Das werde ich ausprobieren", verspricht Alteköster.

Auch bei Naturprodukten kommt es auf die Dosierung an. "Jede Pflanze hat Hunderte Inhaltsstoffe sowie drei bis vier Hauptbestandteile", so der Heilpraktiker. Wird bei einer Therapie die ganze Pflanze verwendet, dann stellen sich meist keine Nebenwirkungen ein. Werden jedoch nur Teilstoffe extrahiert, dann verändert sich die Dosis und es können auch unangenehme Nebeneffekte auftreten.

Doch nicht alles, was in der Natur wächst, ist unbedenklich. So wie das Grünzeug, das auf einer Wiese direkt am Rhein in die Höhe sprießt. "Das ist Schierling", erklärt Jens Albrecht. Der Doldenblütler ähnelt zwar der Wilden Möhre, doch Albrecht warnt. "Finger weg. Der Schierling gehört zu den giftigsten heimischen Pflanzenarten." Selbst griechische Philosophen mussten damit schon so ihre Erfahrungen machen. Denn mit einem Trank aus Früchten und Wurzeln wurden im Altertum Verurteilte hingerichtet; auch Sokrates wurde durch den "Schierlingsbecher" getötet.

Trotzdem hofft Albrecht, dass die Heilwanderer in Zukunft öfters mal nach unten schauen, um zu sehen, was dort wächst. Wer nicht ganz sicher ist, was er pflücken kann, dem empfiehlt der Pflanzenfachmann einen Besuch im Botanischen Garten der Bonner Universität. "Dort wächst nicht nur alles, sondern die verschiedenen Pflanzen werden auch ganz genau beschrieben", so Albrecht. Ist man jedoch unsicher, dann gilt: "Hände weg", mahnt der Experte.

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