Gesamtschule Beuel Zu wenig Lehrer für Inklusion

PÜTZCHEN · Die Gesamtschule Beuel will die Zahl der Schüler mit Behinderung wegen eines neuen Landesgesetzes senken. Gemeinsamer Unterricht von Schülern mit und ohne Behinderung: Das wurde an der Gesamtschule Beuel schon betrieben, bevor die Inklusion in aller Munde war. Ab Sommer hat in Nordrhein-Westfalen nun jeder Schüler mit Förderbedarf Rechtsanspruch auf einen Platz an einer Regelschule.

 Ein Beispiel von integrativem Unterricht. Symbolfoto: dpa.

Ein Beispiel von integrativem Unterricht. Symbolfoto: dpa.

Doch während an vielen anderen Schulen die Zahl der Integrationsklassen steigt, will die Gesamtschule Beuel die Anzahl der Schüler mit Förderbedarf für die im kommenden Schuljahr startenden Klassen verringern. Diesen Beschluss hat die Schulkonferenz gefasst, wie Schulleiter Stefan Ludwig auf GA-Anfrage bestätigte. Grund sei laut Ludwig die veränderte Personalsituation, die sich aus der nun landesweit eingeführten schulischen Inklusion ergebe. Der nordrhein-westfälische Landtag hatte im November eine Änderung des Schulrechts beschlossen.

"Fakt ist, dass durch die Änderungen bei uns in Zukunft weniger Lehrer für den integrativen Unterricht zur Verfügung stehen", sagte Ludwig. Zwar bleibe die Zahl der Sonderpädagogen zukünftig wohl etwa gleich, die Zahl der Regelschullehrer, die Stunden in den Integrationsklassen gäben, würden künftig neu zugewiesen und somit um rund die Hälfte gekürzt. Insgesamt bedeute das nach seinen Einschätzungen, dass, wenn in den kommenden Jahren weiterhin 18 Schüler pro Jahrgang aufgenommen würden, in einigen Jahren ein Viertel weniger Personal für die Betreuung dieser Klassen zur Verfügung stünde. Deshalb hätten sich alle Gremien der Schule dafür ausgesprochen, ab dem kommenden Schuljahr nur noch zwölf Schüler mit Förderbedarf pro Jahr aufzunehmen.

"Unser Konzept sieht vor, dass nach Möglichkeit immer zwei Pädagogen im Raum sind", sagte Ludwig. Diese Doppelbesetzung werde derzeit in etwa 75 Prozent der Unterrichtsstunden erreicht. "Dieses Konzept nach den Änderungen aufrechtzuerhalten, wird aller Voraussicht nach nicht möglich sein." Denn nach seinen Schätzungen könnten dann nur noch in rund 50 Prozent der Stunden zwei Lehrer anwesend sein. Es sei aber gerade diese Doppelbesetzung, die sich als Erfolgsmodell der Schule erwiesen habe. "Genau das ist es, was uns den deutschen Schulpreis eingebracht hat." Schließlich profitierten von ihr nicht nur die Schüler mit Förderbedarf, sondern auch die übrigen Kinder und Jugendlichen im Klassenraum. "Nur so ist und bleibt der gemeinsame Unterricht eine sogenannte Win-win-Situation für alle Beteiligten."

Seit 26 Jahren gibt es an der Beueler Gesamtschule integrativen Unterricht. Derzeit lernen laut Ludwig mehr als 80 Kinder und Jugendliche mit Behinderung an der Beueler IGS mit insgesamt rund 1360 Schülern. Die Beeinträchtigungen reichen von körperlich-motorischen und geistigen Behinderungen bis hin zu Lern- und sozial-emotionalen Störungen. Erst zum Schuljahr 2012/13 hatte die Schule die Zahl der Integrationsklassen mit jeweils sechs behinderten Schülern von zwei auf drei pro Jahrgang aufgestockt.

Der Wunsch der Schule sei der Stadt Bonn als Schulträger und der Bezirksregierung Köln als zuständiger Schulaufsichtsbehörde mitgeteilt worden, sagte Ludwig. Die Stadt Bonn äußerte sich auf Anfrage nicht inhaltlich zu den Befürchtungen des Schulleiters. Die Frage nach der sachgerechten Ausstattung der Gesamtschule mit den entsprechenden Personalressourcen sei an das Land zu richten, teilte das Familiendezernat mit.

Grundsätzlich sei es eine gemeinsame Aufgabe von Schulaufsicht und Schulträger, Eltern für ihr Kind mit Förderbedarf einen Schulplatz im Regelschulsystem zur Verfügung zu stellen. Wo wie viele Kinder mit Förderbedarf untergebracht würden, solle im Einvernehmen zwischen Schulträger und Schulaufsicht entschieden werden. Sollte es zum kommenden Schuljahr allerdings mehr Schüler als Plätze geben, könne die Bezirksregierung letztlich die Schüler zuordnen.

Das Bedauern über diese Entwicklung sei unter den Eltern sehr groß, sagte Volker Börchers, Vorsitzender der Schulpflegschaft. Schließlich habe man sich nach langen Diskussionen 2011 für eine Aufstockung der Integrationsklassen auf drei Klassen pro Jahrgang ab 2012 entschieden. Bei der Entscheidung, eine dritte Integrationsklasse einzuführen, sei von der Bezirksregierung noch versichert worden, dass sich an den Personalbedingungen in den Integrationsklassen nichts ändern werde.

Das Gegenteil sei jetzt offenbar der Fall. Zudem sei der gemeinsame Unterricht das Markenzeichen der Gesamtschule. Dennoch trügen die Schulpflegschaft und die Eltern den Wunsch der Schule mit. "Unter den neuen Bedingungen 18 Schüler pro Jahr mit Förderbedarf aufzunehmen, würde bedeuten, dass wir an anderer Stelle sparen müssten: Das wäre wohl kaum gerecht." Auch eine schlechtere Qualität des Unterrichts in den integrativen Klassen in Kauf zu nehmen, komme für die Eltern nicht infrage.

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