Therapiezentrum in Pützchen Sabine Rickes leitet das TZ seit dem Start vor 25 Jahren

PÜTZCHEN · Vor 25 Jahren, am 1. Mai 1989, zogen die ersten Menschen mit Behinderung in das neu gebaute Therapiezentrum Bonn (TZ) in Pützchen ein. Der Neubau auf der grünen Wiese neben der Gesamtschule war noch nicht ganz fertiggestellt. Einige dieser Bewohner wohnen noch immer in der Einrichtung an der Siegburger Straße. Auch Einrichtungsleiterin Sabine Rickes war von Anfang an dabei.

 "Wir wollen den Menschen, die hier wohnen, ein gutes Zuhause geben und den Angehörigen der Bewohner die Sicherheit, dass alle gut versorgt sind", sagt TZ-Leiterin Sabine Rickes.

"Wir wollen den Menschen, die hier wohnen, ein gutes Zuhause geben und den Angehörigen der Bewohner die Sicherheit, dass alle gut versorgt sind", sagt TZ-Leiterin Sabine Rickes.

Foto: Max Malsch

Frau Rickes, am Anfang dachten Sie, Sie würden nur kurz bleiben. Nun sind Sie schon über 25 Jahre im Therapiezentrum Bonn tätig. Macht Ihnen die Arbeit noch Spaß?
Sabine Rickes: Das kann ich uneingeschränkt sagen, ja. Aber es gibt natürlich immer Höhen und Tiefen.

Wie sahen diese Höhen und Tiefen aus?
Rickes: Es gab traurige Stunden, in denen von verstorbenen Bewohnern Abschied genommen werden musste. Schwierig sind auch immer die Finanzen, gerade in einer Einrichtung, die über Pflegesätze finanziert wird. Das, was wir bezahlen müssen, um Mitarbeiter in ausreichender Zahl vor Ort zu haben, ist nicht durch diese Sätze gedeckt - ein Dauerthema, das jedes Jahr aufs Neue bedrückt und belastet. Wenn Mitarbeiter langfristig krank sind, besteht die Angst: Wie bekomme ich den Dienst 365 Tage im Jahr besetzt? Auch die vielen bürokratischen Auflagen, die natürlich alle das Ziel haben, die Lebensqualität der Bewohner zu verbessern, bereiten die eine oder andere Sorge.

Und die Highlights?
Rickes: Die Highlights sind ganz vielfältig. Die Einrichtung hat sich in den vergangenen 25 Jahren entwickelt, es gibt Außenwohngruppen, es gibt ambulant betreutes Wohnen. Jede Eröffnung eines dieser neuen Elemente ist ein Highlight. Aber es ist auch ein Highlight, wenn ein Bewohner wieder aus dem Krankenhaus kommt und man sich fragt, ob er das schafft, und nach einer Zeit im TZ geht es dem Menschen wieder besser. Er kann nach seinen Möglichkeiten das Leben wieder zumindest stückweise genießen. Viele Bewohner haben auch in den letzten Jahren den Weg aus der Einrichtung ins ambulante Wohnen gefunden. Sie haben bei uns gelernt, Entscheidungen zu treffen und dann ganz bewusst gesagt: Wir ziehen jetzt aus. Auch das sind Highlights.

Mit welcher Idee sind Sie damals an der Start gegangen?
Rickes: Es war immer die Idee, den Menschen, die hier wohnen, ein gutes Zuhause zu geben - und den Angehörigen dieser Bewohner die Sicherheit, dass ihre erwachsenen Kinder gut versorgt sind.

Wie geht das?
Rickes: Gerade im TZ ist es besonders wichtig, Lebendigkeit ins Haus zu tragen. Die Menschen, die hier leben, gerade im Haupthaus, sind sehr schwer körperlich behindert, motorisch sehr stark eingeschränkt, zum Teil auch geistig, so dass sie für viele Dinge, die uns alltäglich erscheinen, Unterstützung brauchen. Sie können sich häufig auch sehr schlecht selbst beschäftigen. Deshalb war es von Anfang an das Ziel, das Haus zu öffnen, Leben in die Bude zu holen.

Zum Beispiel durch viele Veranstaltungen im Haus ...
Rickes: Genau. Das Sommerfest habe ich beispielsweise von meinem vorherigen Arbeitgeber mitgebracht. Die Tradition wurde von den Angehörigen im TZ direkt aufgegriffen. Das Fest kann nur jedes Jahr stattfinden, weil sich ganz viele Menschen freiwillig engagieren und sich einen Tag hinstellen, Würstchen grillen, Bier zapfen und Marmeladen kochen.

Nachtcafé und Sonntags-Café finden statt, weil Mitarbeiter sich diese Projekte auf die Fahne geschrieben haben und sich hierfür unglaublich engagieren. Aber das alles ist natürlich nur eine Säule. Genauso gehört eine gute Pflege dazu. Sie ist anspruchsvoller geworden, weil die Menschen älter geworden sind, Krankheiten dazugekommen sind. Das wichtigste Standbein ist die Pädagogik, die Förderung der Menschen - ihnen Möglichkeiten zu erschließen, selbst zu gestalten, Entscheidungen zu treffen.

Was hat sich verändert seit dem Beginn?
Rickes: Das TZ ist gewachsen und vielfältig geworden. Die Haltung der Gesellschaft gegenüber behinderten Menschen hat sich in den vergangenen 25 Jahren verändert. Der Gedanke der Selbstbestimmung ist wichtiger geworden. Diese Entwicklung ist das TZ mitgegangen. Das fing nach einigen Monaten schon an, indem mit Hilfe des Landschaftsverbands eine Tagesbetreuung für Bewohner eingerichtet wurde, die tagsüber nicht in die Werkstätten konnten.

Nach zehn Jahren haben wir die erste Außenwohngruppe gegründet. Inzwischen unterstützen wir auch Menschen, die allein in ihrer eigenen Wohnung leben - und das trotz schwerster Körperbehinderung auch schaffen. Gleich geblieben ist, dass wir in all den Jahren ganz viel Unterstützung bekommen haben. Das sind einzelne Menschen, die Hilfestellung geben, Spender, aber auch Organisationen, die Stadt Bonn, Verwaltungseinheiten, die einem immer wieder positiv entgegentreten und dadurch letztendlich die Bewohner unterstützen. Dafür sind wir unendlich dankbar.

Wie wurden Sie in Pützchen aufgenommen?
Rickes: Als ich mir 1988 das erste Mal den Rohbau angeschaut habe, habe ich gedacht: Rundherum freie Fläche, keine Nachbarn. Wie kann man hier ein Haus für Menschen mit Behinderungen hinstellen? Wir sind aber von Anfang an total herzlich begrüßt worden, insbesondere von den Kirchengemeinden.

Über die Kirchen sind wir dann ein Stück ins Dorf gerückt. Die Zusammenarbeit mit der Gesamtschule hat sich auch sehr nett entwickelt. Es gibt immer wieder Berührungspunkte. Und die Bewohner haben sich selbst den Weg ins Dorf gesucht. Diejenigen, die mobil sind, fahren mit den Elektro-Rollstühlen ins Dorf. Und die Anwohner in Pützchen kümmern sich. Der Gipfel dieser Zugehörigkeit ist, dass wir unser Jubiläum am 24. August gemeinsam mit den Ortsvereinen, die seit 50 Jahren bestehen, bei einem großen Straßenfest feiern.

Zur Person

Sabine Rickes wurde 1958 in Bergneustadt im Oberbergischen geboren. Sie studierte in Köln zunächst Sonderpädagogik, dann den Diplomstudiengang Pädagogik. Parallel arbeitete sie im Jugendhaus Sürth, , einer damals modellhaften integrativen offenen Tür für Kinder und Jugendliche. Seit 1988 leitet sie das Therapiezentrum Bonn. Rickes ist verheiratet und lebt in Vinxel.

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