Demenzparcours im Seniorenheim "Puhmutzschittel"-Kauf im Supermarkt

PÜTZCHEN · Das Seniorenheim Sankt-Albertus-Magnus-Haus vermittelt beim Demenzparcours einen Eindruck davon, wie sich die Betroffenen fühlen.

 Will wissen, wie man sich als Demenzkranker fühlt: Ute Engelbracht (links) probiert unter der Anleitung von Susanne Kuhn Aufgaben des Demenzparcours aus. Viele sind auch für Gesunde nicht lösbar.

Will wissen, wie man sich als Demenzkranker fühlt: Ute Engelbracht (links) probiert unter der Anleitung von Susanne Kuhn Aufgaben des Demenzparcours aus. Viele sind auch für Gesunde nicht lösbar.

Foto: Max Malsch

"Puhmutzschittel." Das ist einer von zwanzig Begriffen, die es beim Demenzparcours im Sankt-Albertus-Magnus-Haus zu entschlüsseln galt. Das Seniorenheim in Pützchen veranstaltete die Aktion am Mittwoch und bietet sie noch am Donnerstag bis 16 Uhr an, um Mitarbeitern, Besuchern und allen sonstigen Interessierten die Gelegenheit zu geben, sich einen eigenen Eindruck davon zu verschaffen, wie es sich anfühlt, wenn man an Demenz leidet. Die Begriffe sind Teil einer Einkaufsliste die "phonematisch paraphrasiert" wurde, das heißt, die Worte klingen fremd und verändert, obwohl teilweise nur einzelne Buchstaben ausgetauscht wurden.

An einem Tisch sitzt Ute Engelbracht: Die Rentnerin kümmert sich schon seit Jahren mit ihrem Besuchshund um eine Heimbewohnerin. "Ich wollte einfach wissen, wie man sich als Demenzkranker fühlt", begründet sie ihre Teilnahme. Zuvor hatte ihr eine Mitarbeiterin die paraphrasierten Begriffe laut vorgelesen. Engelbracht versucht nun die Einkaufsliste abzuarbeiten; dabei darf sie die Begriffe selber allerdings gar nicht verwenden, sondern muss sie umschreiben. Aphasie oder Wortfindungsstörungen gehören nämlich bei den meisten Demenzkranken zum Alltag.

Genau wie Störungen von Merkfähigkeit, Konzentration oder Sehfähigkeit. Und genau darum geht es im zweiten Teil der Übung. Mit einer speziellen, die Sicht beeinträchtigenden Brille soll Engelbracht Geld aus einer Börse abzählen, während ihr Gegenüber sie auch noch drängt, sich zu beeilen. "Das ist ja eine ganz typische Situation an der Supermarktkasse", erläutert Organisatorin Susanne Kuhn vom Magnus-Haus die Situation. "Wir wollen ein Bewusstsein dafür schaffen, wie sich Menschen mit Demenz fühlen."

Bereits 2013 fand der erste Parcours dieser Art statt und der Erfolg hat die Einrichtung darin bestärkt, die Aktion zu wiederholen. "Es ist mir wichtig zu betonen, dass es hier nicht darum geht, eine Demenz zu diagnostizieren", erläutert Kuhn. "Wer bei unserem Parcours die eine oder andere Aufgabe nicht schafft, muss nicht befürchten, dass er an Demenz erkrankt ist."

Aus zehn einzelnen Stationen besteht der Rundgang, die Einkaufssituation war nur eine davon. An anderen Stationen geht es zum Beispiel darum, Tätigkeiten zu verrichten, die man nur in einem Spiegel sieht oder Fotos eines Handlungsablaufs in die richtige Reihenfolge zu bringen. Dabei ist der Parcours so ausgelegt, dass die Aufgaben nicht bewältigt werden können. "Es geht vielmehr darum, dass man sich in das Gefühl von Verwirrung, Machtlosigkeit, Frustration und Unsicherheit hineinfühlt, das entsteht, wenn Alltagsdinge nicht mehr klappen", so Kuhn. Übrigens - wer es noch nicht erraten hat: Bei dem eingangs erwähnten Begriff handelt es sich um ein Schuhputzmittel.

Über die Krankheit

Unter Demenz versteht man eine degenerative Gehirnerkrankung, die mit Beeinträchtigungen der kognitiven, emotionalen und sozialen Fähigkeiten einhergeht. Neben Sprachstörungen leiden Betroffene oft unter eingeschränkten motorischen Fähigkeiten oder der Unfähigkeit, Gegenstände zu identifizieren. Die am häufigsten auftretende Form der Demenz ist Alzheimer. Ab dem achten Lebensjahrzehnt steigt die Zahl der Betroffenen rapide an, bei den über Neunzigjährigen leidet jeder Dritte unter Demenz.

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