175 Jahre Dichterkreis "Maikäferbund" Wein trinken und gemeinsam dichten

OBERKASSEL · Farbenfroh, mit vielen amüsanten Zeichnungen und satirischen Texten über das Bonner Spießbürgertum. So präsentierte sich "Der Maikäfer. Zeitschrift für Nicht-Philister".

 Der Maikäferorden: Ein Original hat das Bonner Stadtarchiv in seiner Sammlung. Es ist acht Zentimeter lang und selbst genäht, auf den Flügeln steht "Halli Hallo".

Der Maikäferorden: Ein Original hat das Bonner Stadtarchiv in seiner Sammlung. Es ist acht Zentimeter lang und selbst genäht, auf den Flügeln steht "Halli Hallo".

Foto: Stadtarchiv Bonn

Herausgegeben wurde die wöchentliche Zeitschrift vom "Maikäferbund", einem Dichterkreis, den die Künstler Johanna Mockel, spätere Kinkel, und der Oberkasseler Gottfried Kinkel vor 175 Jahren gegründet haben. Der literarische Zirkel bestand vom 29. Juni 1840 bis zum März 1847.

"Der Dichterverein war zunächst auch ein Anlass für die regelmäßigen Treffen von Johanna und Gottfried Kinkel", erklärt Hermann Rösch aus Oberkassel. Der Professor am Informationswissenschaftlichen Institut der Fachhochschule Köln ist "Kinkel-Experte". Er hat über das Verhältnis von ästhetischer und politischer Theorie bei Gottfried Kinkel promoviert und ist Mitherausgeber der vierbändigen Edition der Maikäfer-Zeitschrift.

Schock für die bürgerliche Welt

So ein Treffpunkt war in der damaligen Zeit nötig, denn die beiden sorgten in ganz Bonn für Gerede: Die 30 Jahre alte katholische Johanna lebte in Scheidung und der fünf Jahre jüngere Pfarrerssohn Gottfried war Privatdozent für evangelische Kirchengeschichte. Das schockierte die bürgerliche Welt. "Kinkel war ein echter Nonkonformist, er liebte es zu provozieren. So gibt es die Geschichte, dass er an einem Sonntag, als die bürgerlichen Familien beim Kaffee im Schaumburger Hof saßen, in den Rhein sprang und vorbeischwamm", berichtet Rösch.

Johanna Mockel war eine Frau mit vielen Talenten: Sie war Komponistin, Musikpädagogin und Schriftstellerin. Sie hatte in Berlin gelebt und dort berühmte Zeitgenossen kennengelernt, wie den Komponisten Felix Mendelssohn Bartholdy oder die Schriftstellerin Bettina von Arnim. "Johanna und Gottfried zogen sich magisch an, bildeten ab 1840 quasi eine Schicksalsgemeinschaft gegen das bigotte Spießbürgertum", so der Experte. Sie unternahmen Wanderungen, erzählten sich Geschichten. "Sie wollten das Leben genießen, Wein trinken, gemeinsam dichten, die Natur erleben, ganz anders als die strenge bürgerliche Gesellschaft", sagt Rösch. Dabei entstand die Idee zum "Maikäfer".

Nur ein Exemplar in der Woche

"Den Namen wählten sie, weil der Maikäfer als Schädling angesehen wird und bekämpft wird. Und auch sie hatten schließlich viele Gegner. Der Maikäferbund war für sie eine Art Gegengesellschaft, der ihnen auch half, sich in schwerer Zeit mental über Wasser zu halten", sagt Rösch. Schnell schlossen sich Studenten und literarisch ambitionierte Freunde dem Paar an und schrieben am "Maikäfer" mit. Das Besondere an der wöchentlichen Zeitschrift war, dass es nur ein Exemplar gab. Der grüne Bogen kursierte unter den Mitgliedern und jeder schrieb daran mit. Bei den diensttäglichen Treffen wurde dann daraus gelesen - und nicht selten darüber viel gelacht. "Darin fanden sich romantische Gedichte und spöttische Anekdoten. Gerne wurden Professoren und bekannte Bonner veräppelt", erzählt Rösch.

Dem "Maikäferbund" gehörten aber auch bedeutendere Dichter und Akademiker an, wie Karl Simrock, Wolfgang Müller von Königswinter oder der schweizer Kulturhistoriker Jacob Burckhardt. Die Leichtigkeit der ersten Jahre wich später ernsthafteren Beiträgen. So schrieb Gottfried Kinkel etwa über "Weltschmerz und Rokoko". Der "Maikäfer" bekam einen Zug ins Politische. "Die meisten Mitglieder fühlten sich sehr rheinisch, die Kinkels zudem antipreußisch. Sie haben sich immer wieder Gegner geschaffen", so Rösch.

Auflösung vor der Revolution

Schließlich löste sich der Maikäfer im Vorfeld der Revolution von 1848/49 auf. Heute sei der "Maikäferbund" etwas in Vergessenheit geraten. "Es ist eine zu gering beachtete Quelle und dabei doch wichtig für die Literaturgeschichte und die Lokalgeschichte. Darin finden sich auch eine Menge Zeitzeugnisse für die Geschichte Bonns", resümiert Prof. Hermann Rösch.

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