Muschelbänke am Rhein Invasoren aus dem Reich der Mitte

OBERKASSEL · Man könnte meinen, man sei am Nordseestrand, wenn man die Muschelbänke am Rheinufer bei Oberkassel betrachtet. Beim derzeitigen Niedrigwasser fällt besonders auf, wie viele Schalen dort angespült werden.

 Muschelbänke bei Oberkassel: Körbchenmuscheln vertragen die Hitzeperiode nicht. Sie verhungern und werden angeschwemmt.

Muschelbänke bei Oberkassel: Körbchenmuscheln vertragen die Hitzeperiode nicht. Sie verhungern und werden angeschwemmt.

Foto: Knopp

So ging es auch dem ehemaligen GA-Lokalchef Hans-Dieter Weber. Er staunte, dass es so viele sind, und fragt: Was sind das für Muscheln? Kann man sie essen? Erleben wir ein Massensterben? Peter Diehl von der Rheinwasser-Untersuchungsstation Mainz-Wiesbaden und Jochen Koop, Leiter des Referats Tiere der Bundesanstalt für Gewässerschutz (BFG) haben Antworten. Es handelt sich um die Körbchenmuschel, und die hat laut Diehl ihren Ursprung in Asien.

Der Weg nach Deutschland führte ihm zufolge im 19. Jahrhundert über die USA: "Auswanderer aus China haben sie dorthin mitgebracht." Denn diese Süßwasserart kann man tatsächlich essen - sie ist das chinesische Pendant zur Miesmuschel.

Mit der Zeit verbreitete sie sich Diehls Theorie folgend nach Osten und gelangten über die Hochseeschifffahrt nach Rotterdam. "Ihre Larven wurden vermutlich mit dem Ballastwasser für die Schiffe aufgenommen", sagt er. Dieses Wasser soll das Schlingern nicht komplett beladener Schiffe ausgleichen.

"Früher war es erlaubt, das Ballastwasser im Meer abzulassen", erklärt Diehl. Weil dadurch viele Süßwasserarten im Salzwasser verendeten, ist das jetzt verboten. Einige Arten hatten aber überlebt. Koop, Professor für Zoologie und Tierökologie an der Koblenzer Universität, vermutet, dass Binnenschiffe die Larven im Kühlwasser aufnahmen und dieses Stromaufwärts wieder abließen.

"Bis vor wenigen Jahren war das die häufigste Muschel im Rhein", sagt Diehl. "Sie hat teilweise 90 Prozent der gesamten Biomasse im Rhein ausgemacht." Der bietet ideale Temperaturen für die Körbchenmuschel. Die Ausnahme in den letzten Jahren war der sehr kalte Januar 2012 mit Rheinwassertemperaturen am Gefrierpunkt.

"Die Muschel verträgt keine Temperaturen unter 2 Grad Celsius." Koop erinnert auch an die heißen Sommer 2003 und 2006, in denen das Rheinwasser zu heiß wurde. In allen Fällen ging die Muschelpopulation zurück. Auch nach diesem Sommer könne das passieren, sagt der Experte.

Das Aufheizen des Rheins liege auch am Kühlwasser vor allem der Kernkraftwerke, das nach der Nutzung warm in die Flüsse entlassen werde, sagt Diehl. Koop widerspricht: Seit der Energiewende wurden die Atomkraftwerke niedriger gefahren und stießen so weniger Kühlwasser aus.

"Es liegt momentan tatsächlich an der heißen Sonne." Die Muscheln können diesen Temperaturanstieg nur durch Hungern kompensieren - bei langen Hitzeperioden verhungern sie. Ein anderer Grund für die Muschelbänke könnte aber auch sein, dass die Tiere in Ufernähe leben - wenn der Rheinpegel sinkt, liegen sie auf dem Trockenen.

Die Körbchenmuschel im Rhein werde dadurch aber nicht aussterben, so Koop. Und vielleicht hat so mancher sie schon im Chinarestaurant gegessen. "Man sieht immer wieder asiatische Mitbürger am Rheinufer, die diese Muscheln sammeln und Suppe daraus kochen", sagt er. In Maßen könne man sie dank guter Wasserqualität gefahrlos essen. In Bonn stehen sie aber nirgends auf der Speisekarte.

Muscheln

Muscheln zählen, obwohl sie harte Schalen ausbilden, zu den Weichtieren. Sie können nur im Wasser überleben, wo sie an Steinen kleben oder sich im Grund eingraben. Sie entziehen dem Wasser Sauerstoff und Nährstoffe, indem sie es durch ihren Körper saugen. Auf diese Weise filtern diese Kiemenatmer auch andere Stoffe heraus und reinigen das Wasser.

Die meisten Arten findet man im Meer, im Lauf der Zeit haben sich aber auch Süßwassermuscheln ausgebildet. Muscheln sind in der Regel getrennt-geschlechtlich, es gibt aber auch Zwitterarten und solche, die das Geschlecht wechseln können.

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