Denkmäler in Beuel Ein Symbol der Reformation

OBERKASSEL · Sie ist Symbol, Widerspruch und Schmuckkästchen. Und sie ist ein Verkehrshindernis. Die Alte Evangelische Kirche in Oberkassel hat eine sehr bewegte Geschichte und sie steht für die evangelische Bewegung im Rheinland.

 Klaus Großjohann hat mehrere Schriften zu der Kirche und ihrem schmuckvollen Inneren verfasst.

Klaus Großjohann hat mehrere Schriften zu der Kirche und ihrem schmuckvollen Inneren verfasst.

Foto: Max Malsch

Die evangelische Kirchengemeinde Oberkassel ist eine der ältesten des Rheinlandes und die älteste in Bonn. Ihre Wurzeln reichen bis ins Jahr 1550 zurück. Und ihre kleine ockerfarbene Kirche steht seit mehr als 330 Jahren an der Ecke Königswinterer Straße/Zipperstraße.

Das Gotteshaus ist ein schlichter verputzter Bau mit hohem Satteldach - unscheinbar auf den ersten Blick, aber voller Überraschungen. "Rund 100 Jahre hatte es gedauert, bis die Kirchengemeinde Oberkassel ihr erstes eigenes Gotteshaus errichten konnte und schon fünf Jahre später war es wieder zerstört.

Französische Soldaten brannten es im sogenannten Pfälzischen Krieg nieder", berichtet Klaus Großjohann. Dabei hatte es die kleine Gemeinde große Anstrengungen gekostet, bis die Kirche gebaut werden konnte - unter anderem mit Spenden von befreundeten, wohlhabenden Gemeinden am Niederrhein.

Erneut waren Spenden notwendig, um die Kirche wiederaufzubauen. Erst 1726 wurde der Turm ganz fertig. "Aber er enthielt eine Besonderheit, auf die die Gemeinde sicherlich sehr stolz war: eine Uhr. Denn die katholische Kirche hatte keine Turmuhr", berichtet Großjohann, der sich intensiv mit der alten Kirche beschäftigt und zahlreiche Schriften über sie veröffentlicht hat. "Heute sind Uhr und Glocke, ein Geschenk aus Amsterdam, nicht mehr vorhanden. Sie wurden, nachdem die neue Große Evangelische Kirche gebaut worden war, an eine bedürftige Gemeinde im Hunsrück verschenkt", berichtet Großjohann.

Der "Geusendaniel" ist eine Rarität

Doch ein weiterer echter Schatz ist ihr erhalten geblieben: "Auf der Spitze des Dachreiters befindet sich ein Engel mit Posaune, der sogenannte Geusendaniel. Das ist eine Rarität in unserer Region und sollte die Abgrenzung von den katholischen Kirchen mit ihren Kreuzen und Wetterhähnen dokumentieren", sagt der Oberkasseler Experte. Er steht als Symbol für die Verbundenheit der rheinischen reformierten Gemeinden mit den alten niederländischen Freikirchen.

Geusen ist vom französischen "gueux" (Bettler) abgeleitet, was zunächst ein Schimpfwort und später Ehrenname für die Freiheitskämpfer war. "Im Innern finden wir dann einen echten Widerspruch. Reformierte Kirchen sind in der Regel schlicht und schmucklos. Nicht so die Alte Evangelische", sagt Großjohann und deutet auf eine hölzerne marmorierte Säule mit kunstvollem vergoldeten Kapitell.

Dazu schmücken das Holz-Tonnengewölbe noch der schachbrettartige Marmorfußboden, der Messing-Kronleuchter und das an den Wänden in Deckenhöhe umlaufende Fries mit Blüten- und Rankenmotiven. Und auch die farbigen Fenster, die bei der Restaurierung 1966 eingebaut wurden, sind wahre Hingucker. "Ein Widerspruch ist überhaupt, dass die Kirche noch steht, denn nach dem Neubau der großen Kirche 1908 fragten sich die Leute ?Wofür brauchen wir denn jetzt noch die alte??. Zum Glück gab es seither immer wieder Initiativen, die sich für den Erhalt eingesetzt haben", berichtet der Heimathistoriker.

Es war Geheimrat Julius Vorster, der die Instandsetzung 1911 bezahlte. Seitdem hatte das Kleinod zahlreiche Verwendungen, mal war es Jugendzentrum, dann Lesesaal des Lazaretts im Ersten Weltkrieg und schließlich auch Lebensmittellager. Seit 1924 verfügt die evangelische Gemeinde wieder über die Kirche.

Bis 1973 restauriert

Doch erst nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie bis 1973 restauriert. Heute ist sie Kirchen- und Kulturraum für zahlreiche Veranstaltungen. Der Zahn der Zeit, Wetter und Verkehr haben den Grabplatten aus Andesit sowie dem Wandepitaph aus Trachyt zugesetzt, die gewissermaßen eigene Denkmäler sind. Ein Wandepitaph (Grabdenkmal) aus Marmor, der kaum noch zu entschlüsseln ist, wurde inzwischen in der Kirche angebracht.

Wer nun mit dem Auto an dem Gotteshaus vorbeifährt und sich über die Lage an der Straße wundert oder sie gar als Verkehrshindernis ansieht, sollte den Bau einmal mit anderen Augen betrachten, so wie Klaus Großjohann es tut: "Die Alte Kirche ist Symbol für die Geschichte der evangelischen Gemeinde und für den Ort Oberkassel eines der wenigen herausragenden Baudenkmale."

Regelmäßige Öffnungszeiten gibt es nicht, so dass man die Alte Evangelische Kirche, Ecke Königswinterer Straße/Zipperstraße, in Oberkassel nur zu den Gottesdiensten, Andachten und Veranstaltungen besuchen kann. Die Kirche ist anlässlich einer Ausstellung zu Gottfried Kinkels Leben und Werk am 5. und 6. September von 14 bis 18 Uhr geöffnet.

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