Oberkasseler Rotbuchen Bäume erzählen Geschichten
OBERKASSEL · Die Historikerin Doris Bosselmann erläutert die Ursprünge der Oberkasseler Rotbuchen. Wir haben sie dabei begleitet.
Wir schreiben das Jahr 1885. Gottlieb Daimler startet zur Jungfernfahrt mit dem ersten Motorrad, der Amerikaner LaMarcus Adna Thompson lässt die erste Achterbahn patentieren, und Vincent van Gogh malt sein berühmtes Bild "Die Kartoffelesser".
Es ist eine bewegte Zeit Ende des 19. Jahrhunderts. Immer neue Erfindungen und Errungenschaften versetzen die Menschen in Erstaunen. Industrialisierung und Wirtschaft florieren. Der weltweite Warenhandel bringt den Wohlstand nach Europa.
So auch nach Oberkassel, wo die Unternehmer Johann Gabriel Adrian und Julius Vorster ihre Häuser in der heutigen Kinkelstraße bauen. "In der gleichen Zeit müssen sie dort auch die Rotbuchen gepflanzt haben, denn die beiden Bäume sehen aus wie ein Pärchen", sagt Doris Bosselmann.
Die Heimathistorikerin deutet auf die beiden mächtigen Bäume in der damaligen Bernsauergasse. Sie sind auf gegenüberliegenden Straßenseiten gepflanzt. Die Buche am Haus in der Kinkelstraße 14 könnte Geschichten erzählen vom Leben eines Unternehmers mit sozialem Engagement. Das Gebäude zeugt von Adrians Wohlstand, ohne dabei pompös zu wirken.
Haus und Baum stehen in einem kleinen Vorgarten neben der 1908 erbauten evangelischen Kirche. Adrian, der nach seinen Initialen nur I.G. genannt wurde (wobei es eigentlich J.G. heißen müsste), übernahm mit 27 Jahren die Geschäftsführung des Steinbruchs Limberg bei Heisterbacherrott, wie Aenne Hansmann im Buch "Oberkasseler Persönlichkeiten" berichtet. Wegen seines sozialen Engagements und seines Einsatzes für Oberkassel wurde der Steinbruchbesitzer im Jahr 1929 zum Oberkasseler Ehrenbürger ernannt.
Gegenüber wohnte Julius Vorster junior, den Heidrun Schmidt-Adler im selben Buch als "einen geradezu exemplarischen Typus des rheinischen Großindustriellen der Zeit um die Jahrhundertwende" beschreibt. Er nutzte seinen Wohlstand, so Schmidt-Adler, für ein umfassendes gesellschaftliches, soziales und politisches Engagement, "dessen deutliche Spuren auch im heutigen Oberkassel wahrzunehmen sind".
1930 wurde der Geheime Kommerzienrat Julius Vorster Ehrenbürger. 1880 kaufte er das einfache Haus in der Kinkelstraße 7 und baute es mehrfach um. So stand die Buche zunächst vor seiner Junggesellenbude, später vor dem Familienhaus, und heute ist sie Teil des Park-Geländes, auf dem sich das Wohnstift Itzel-Sanatorium befindet. Die Buchen haben auch eine besondere Verbindung zur Oberkasseler Heimatgeschichte.
"Denn das Besondere an der Kinkelstraße ist, dass dort alle drei Ehrenbürger gewohnt haben und zwei davon die Buchen vermutlich selbst gepflanzt haben", berichtet Bosselmann. Der dritte Ehrenbürger ist Stephan Rhein, er wohnte in der Nummer 3.
"Ein echtes Kuriosum gibt es im Garten des Lippeschen Palais'. Dort steht ein Baum, an dem an fast jedem Zweig zugleich Eichen- und Buchenblätter wachsen", sagt Bosselmann. Der Heimathistorikerin liegen Dokumente vor, die beschreiben, dass der Garten von Peter Josef Lenné dem Älteren um 1814 entworfen wurde.
"Die Eigenart Lennés bestand darin, dass er die Bäume auf kleinen Hügeln pflanzen ließ, das sieht man hier im Garten ganz deutlich", sagt Bosselmann. "Auch diese Bäume können Geschichten erzählen, denn alle konnten sich bis in die 50er Jahre des 20. Jahrhunderts entfalten", sagt die Oberkasselerin und ergänzt: "Erst der Testamentsvollstrecker des 1952 verstorbenen Prinzen Julius Ernst zur Lippe ließ Bäume fällen, um damit finanziellen Gewinn zu erzielen."
Der erste Tag des Baumes in Deutschland wurde 1952 gefeiert. Begründet wurde er von Robert Lehr, Präsident der Schutzgemeinschaft Deutscher Wald (SDW), zusammen mit dem ersten Bundespräsidenten, Theodor Heuss. Beide pflanzten damals einen Ahorn im Bonner Hofgarten.
Sehenswerte Bäume in Beuel
Die Humbroichskastanien stehen an der Ecke Berghovener Straße/Kucksteinweg in Oberkassel. Die zwei Kastanien pflanzte Joseph Humbroich, Gründer des Vereins zur Rettung des Siebengebirges (ging später im Verschönerungsverein für das Siebengebirge auf), berichtet Sebastian Freistedt, Vorsitzender des Heimatvereins Oberkassel. Humbroichs Schwiegersohn war Heimatdichter und schrieb ein Gedicht über die Bäume.
Daraus geht hervor, dass zwischen den Bäumen einmal eine Bank gestanden haben muss. "Es wäre schön, wenn sie dort wieder installiert werden könnte", so Freistedt. Ein Riesenmammut-Baum, der rund 150 Jahre alt ist, überragt inzwischen den hohen Dachstuhl der Stiftskirche St. Peter an der Adelheidisstraße in Vilich.
"Er steht dort, als majestätischer Solitär, auf dem Vorplatz vor dem hochgotischen Chorbau, berichtet Carl Jakob Bachem, Vorsitzender im Denkmal- und Geschichtsverein Bonn-Rechtsrheinisch. Der Kölner Großbürger Josef Röckerath hatte das Vilicher Stift um 1876 gekauft. Er richtete dort seinen Sommersitz ein und legte gärtnerische Anlagen nach englischem Vorbild an, gestaltet im Stil der Zeit, so Bachem. In dieser Zeit, also um 1875/1880, wurde der Mammutbaum dort gepflanzt.