St.-Gallus-Kirche in Küdinghoven Reliquien mit spannenden Geschichten

KÜDINGHOVEN · Jede Kirche hat ihre Geschichte - in der Sakristei der St.-Gallus-Kirche verbergen sich gleich mehrere: von einer Freundschaft mit einem Bären, der Liebe zu einer "feinen Dame" und einem Streit zwischen zwei Gemeinden mit Happy End.

 Magdalena Schmoll präsentiert stolz die Schätze der St.-Gallus-Kirche: Ein moderner Kelch von 1950 (von links), das Reliquiar, die Monstranz und ein Kelch aus dem Jahr 1897.

Magdalena Schmoll präsentiert stolz die Schätze der St.-Gallus-Kirche: Ein moderner Kelch von 1950 (von links), das Reliquiar, die Monstranz und ein Kelch aus dem Jahr 1897.

Foto: Horst Müller

"Seit über 50 Jahren gehe ich nun schon in die St. Gallu- Kirche. Mit der Zeit fing ich an, mich mehr für sie zu interessieren, und befasste mich mit all den Geschichten", erzählt Magdalena Schmoll, ehrenamtlich Engagierte und Vorsitzende der Frauengemeinschaft.

Beim Betreten der Kirche fallen die farbenfrohen Fenster auf, durch die die Kirche hell erleuchtet wird. Hergestellt wurden die Fenster nach Entwürfen des Künstlers Heinrich Dieckmann in den Jahren 1948 bis 1953. In über 300 verschiedenen Farbtönen illustrieren die Fenster die Geschichte der Pfarrei. Dargestellt sind unter anderem die maurischen Märtyrer der Thebäischen Legion, die ehemaligen Pfarrpatrone von Sankt Gallus. Ein anderes Fenster zeigt den heutigen Patron, den heiligen Gallus, der als Verkünder des Wortes Gottes und als Freund der Tiere gilt. Besonders die Kinder mögen ihn, weil er mit einem Bären dargestellt wird. Es gibt zwei Legenden, die die Freundschaft mit dem Tier erklären. Laut der ersten soll der Bär die Essensvorräte vonGallus in seiner Einsiedelei am Bodensee geplündert haben; der Heilige schimpfte ihn aus, bot ihm aber an, ihm jeden Tag Brot zu geben, wenn er ihm beim Bau seiner Hütte helfen würde. Nach einer anderen Legende soll Gallus dem Bären einen Dorn aus der Pfote gezogen haben, woraufhin das Raubtier zum Dank bei ihm blieb und ihm treu diente.

"Viele kennen auch das Reliquiar, das Schaugefäß mit der Reliquie des Pfarrpatrons, das die Kirche seit 1856 besitzt", erklärt Schmoll. Bei der Reliquie handelt es sich um das Fragment eines Armknochens des heiligen Gallus, das mit zwei Perlenkettchen in dem sonnenförmigen Reliquiar befestigt ist. "Besonders die Form der Sonne finde ich sehr passend, sie strahlt und leuchtet kräftig und zeigt, dass sich Leben in diesem Objekt befindet. Durch die sonstige Schlichtheit wird die Reliquie sehr schön hervorgehoben." In Auftrag gegeben wurde das Objekt, nachdem die Echtheit des Knochens bestätigt wurde. Bis heute befindet sich die darüber ausgestellte Urkunde eingeschlossen im Reliquiar. Am Fest des heiligen Gallus, am16. Oktober, wird das Fragment in einem abendlichen Gottesdienst auf dem Altar gezeigt.

"So, und jetzt kommen wir zu meinem Lieblingsschatz, der eleganten Prinzessin", so Magdalena Schmoll und öffnet einen schwarzen, mit blauem Samt ausstaffierten Koffer. In ihm befindet sich die goldfarbene, filigran angefertigte Monstranz der Kirche. "In ihrer neugotischen Gestalt ist sie schlank und zierlich wie eine feine Dame", fügt sie hinzu. Auf der Unterseite des Fußes steht in lateinischer Schrift: "Geschenk des Herrn Rudolf Herberz und der Anna Kreuser, Eheleute, auf der Kommende Ramersdorf, 1884". An Fronleichnam wird sie noch heute in feierlicher Prozession durch die Straßen getragen, um die Gemeinde zu segnen. Auch hinter der Monstranz steht eine spannende Geschichte.

"Anfang der 1960er Jahre wanderte sie mit Einverständnis der St.-Gallus-Kirche in die 1961 hergestellte Kirche Heilig Kreuz, die sich nach dem Kirchenbau keine eigene Monstranz leisten konnte. Auch dort gewann sie die Herzen der Menschen, und plötzlich wollte man sie nicht mehr hergeben. Als die St.-Gallus-Gemeinde 1986 um die Rückkehr nach Küdinghoven bat, kam es zu einem Streit. Schließlich einigte man sich und Heilig Kreuz war bereit, die Monstranz zurückzugeben, sobald man eine Neue erworben hätte. Damen sorgen eben leicht für Aufregung", so Schmoll augenzwinkernd.

Die Gemeinde St. Gallus trug zum Neuerwerb bei und so kehrte die Monstranz 1988 wieder zurück.

"Als Letztes würde ich Ihnen gerne noch zwei Kelche zeigen. Das ist tatsächlich sehr interessant, weil man an ihnen die Entwicklung zu modernen, einfacheren Formen sieht", erklärt Schmoll. Während der eine aufwendig verziert ist, ist der andere schlicht gehalten. Auf dem Fuße des älteren Exemplars aus dem Jahr 1897 befinden sich viele Schmuckelemente, darunter auch sechs Medaillons, die biblische Szenen darstellen. Der Kelch war ein Geschenk der Pfarrei an den damaligen Pfarrer Joseph Buschhausen. Den moderneren Kelch aus dem Jahr 1950 erhielt Heinrich Wolsing, Pfarrer von 1974 bis 2001 an Gallus, von seinen Eltern zur Priesterweihe. "Sie sehen, wie viel Mühe im Detail man sich früher gemacht hat. Heute dagegen bevorzugt man einfachere Ausführungen, nicht nur bei den Kelchen, sondern überhaupt bei der Gestaltung liturgischer Gegenstände", erklärt die Kirchenliebhaberin.

"Auch wenn unsere Schätze hier in der St.-Gallus-Kirche nicht sehr wertvoll sind - materialistisch gesehen - so sind sie für die Gemeinde doch von einzigartigem Wert und anschauliche Dokumente der Geschichte der Pfarrei."

St.-Gallus-Kirche

Der erste sichere Nachweis für das Vorhandensein eines Kirchenbaus in Küdinghoven ist ein Brief von König Konrad III aus dem Jahre 1144, in dem die "Capella Cudengouen" genannt ist. Bis heute erhalten sind die beiden unteren Geschosse des romanischen Turmes, an dessen Westseite sich das mittelalterliche Kirchenschiff befand. Um 1680 erfolgte der Wechsel des Patroziniums von den thebäischen Märtyrern, einer Legion der römischen Armee, zum heiligen Gallus hin. Wegen des schlechten Zustands des Kirchenschiffs plante der Stift Vilich noch im ausgehenden 18. Jahrhundert einen Neubau der Kirche, der jedoch erst 1843 erfolgte. Am 13. Juni konnte schließlich der Grundstein für eine neue Kirche gelegt werden. Da das Gelände für eine Vergrößerung nach Westen keinen Platz bot, erfolgte sie östlich des Chorturms. Damit wurde der Turm vom Ost- zum Westturm. 1845 folgte dann die Weihe der neuen Kirche.

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