Palliativmediziner informiert in Holzlar Respektvoller Umgang mit dem Sterbewunsch

HOLZLAR · Seit Jahren suchen Politik und Ärzte Antworten, welche Hilfe Todkranken beim Sterben gegeben werden soll und darf: Todeswunsch - Wunsch zu Sterben, unter diesem Titel stand der Vortrag, den der Palliativmediziner Lukas Radbruch Dienstagabend im Gemeindehaus der evangelischen Gemeinde in Holzlar hielt und in dem er die Thematik aus Sicht eines Arztes darstellte.

Der Mediziner traf offenbar einen Nerv: Denn rund fünfzig interessierte Gemeindemitglieder hatten den Weg ins Gemeindehaus am Heideweg gefunden. "Uns alle eint wohl der Wunsch, in Würde gehen zu können", begrüßt die stellvertretende Vorsitzende des Presbyteriums, Martina Brüssel, die Gäste. Brüssel führte als Moderatorin durch den Abend, der nach dem Vortrag auch die Gelegenheit zu einer Diskussion vorsah.

"Zunächst einmal geht es auch um eine Begriffsklärung", führte der Mediziner das Publikum in die Thematik ein: Die in Deutschland verbotene aktive Sterbehilfe sei ausschließlich Töten auf Verlangen, also das absichtliche und aktive Eingreifen zur Beschleunigung des Todeseintritts auf ausdrücklichen Wunsch des Patienten.

Unterhalb dieser Schwelle sei aber auch bei der aktuellen Gesetzeslage bereits vieles möglich: Sowohl der Verzicht auf oder die Beendigung von Maßnahmen, die das menschliche Sterben verlängern oder eine Symptomkontrolle, bei der der vorzeitige Tod des Patienten als unvermeidliche Nebenwirkung in Kauf genommen wird, seien als passive und indirekte Sterbehilfe rechtlich schon heute möglich. Allerdings räumt der Fachmann auch das Problem ein, dass selbst vielen Ärzten die Unterschiede oftmals nicht bewusst seien.

Grundsätzlich sieht Radbruch aber keine Notwendigkeit zu Gesetzesänderungen. "Es ist wichtig, den Wunsch des Patienten zu verstehen", erläuterte er. "Wir müssen herausfinden, aus welchen Gründen ein Mensch nach Sterbehilfe verlangt." Die Vorstellung, Hilfe annehmen zu müssen, sei für viele ein Zeichen von Schwäche. "Ich möchte meinen Angehörigen nicht zur Last fallen", sei einer der am häufigsten genannten Gründe.

"Ich will nicht mehr leben - können Sie mir nicht etwas geben, damit mein Leiden ein Ende hat?" Solche Äußerungen schienen eindeutig, relativierten sich aber oft, wenn man dem Patienten zum Beispiel anbiete, als ersten Schritt die Infusion einzustellen. "Schwerkranke Menschen, die den Wunsch zu sterben äußern, wünschen sich nicht zwingend den sofortigen Tod, sondern oftmals das Ende einer unerträglichen Situation", so Radbruch. Und da sei die Medizin heute deutlich weiter, als viele annähmen: "Die Palliativmedizin kann dafür sorgen, dass todkranke Patienten auch in der letzten Phase von Schmerzen verschont bleiben."

Zur Person

Lukas Radbruch ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Palliativmedizin, Direktor der Klinik für Palliativmedizin am Universitätsklinikum Bonn und Leiter des Zentrums für Palliativmedizin am Malteser Krankenhaus Bonn/Rhein-Sieg. Radbruch gilt als ausgewiesener Experte auf dem Gebiet.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort