30 Jahre gemeinsames Lernen Nicht nur Lob und Freude

BEUEL · Mit viel Freude und Lob ist das Jubiläum begangen worden: 1985, also vor inzwischen 30 Jahren, wurde an der Integrierten Gesamtschule Bonn-Beuel (IGS) das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderung eingeführt - als eine der ersten Einrichtungen in Deutschland wandte sich die Bonner Bildungseinrichtung also dem Thema Inklusion zu.

 Die Sechstklässler der Gesamtschule Beuel singen zur Feier des Tages auf der Bühne das Schullied.

Die Sechstklässler der Gesamtschule Beuel singen zur Feier des Tages auf der Bühne das Schullied.

Foto: Max Malsch

Doch auch Trauer und kritische Töne blieben beim Festakt gestern Nachmittag in der Aula an der Siegburger Straße nicht aus. Sven (Name geändert) leidet am Asperger-Syndrom, einer speziellen Form des Autismus. Auf der Bühne berichtete er, wie er seine Schulzeit auf der Gesamtschule erlebt hat. "Hier in der Schule ist man immer auf meine Bedürfnisse eingegangen, ohne mich zu besonders zu behandeln." 2011 hat er sein Abitur gemacht, inzwischen studiert er Geologie an der Uni Bonn. "Ich habe hier gelernt, wie andere denken und warum sie erstaunt sind, wenn ich mich anders verhalte als die Norm."

Auf einer einen Seite Kinder mit, auf der anderen Kinder ohne Behinderung oder Förderbedarf: Diese Unterscheidung sei in seinen Augen sehr schwierig, sagte der Vorsitzende der Schulpflegschaft. Schließlich müsse sein Sohn auf Grund seiner Legasthenie auf gewisse Weise auch besonders gefördert werden. "Seit 30 Jahren ist die IGS eine Schule für alle. Punkt."

Oberbürgermeister Jürgen Nimptsch, von 1996 bis 2009 selbst dort Schulleiter, hob die große Akzeptanz des gemeinsamen Unterrichts in der Elternschaft hervor. Nahezu alle Eltern würden sich dafür aussprechen, dass ihr Kind in eine der Integrationsklassen komme. "Der so praktizierte gemeinsame Unterricht war immer Motivation und Impuls für die Erfolgsgeschichte der Schule."

Doch neben Lob und Freude gab es auch Momente der Trauer: In einer Schweigeminute gedachten die Anwesenden Christa Roebke. Die Wegbereiterin der Inklusion war wie berichtet mit ihrem Mann Wolfgang und ihrem Sohn Uli bei einem Verkehrsunfall Ende Mai ums Leben gekommen.

Auch zahlreiche kritische Töne wurden angeschlagen. Einerseits hätten Eltern inzwischen einen Rechtsanspruch darauf, dass ihre Kindern an einer Regelschule unterrichtet werden, andererseits seien die entsprechenden Vorkehrungen dafür aber nicht getroffen, sagte Ingrid Gerber, Mitglied der Schulpflegschaft und Sprecherin des Vereins "Gemeinsam Leben - Gemeinsam Lernen Bonn e.V".

Die Elternpflegschaften aller fünf Bonner Gesamtschulen hatten Anfang dieses Jahres einem Brandbrief an die Stadt und die Bezirksregierung gesandt, in dem sie eine bessere personelle Ausstattung und mehr Verantwortung auch der Gymnasien für die Inklusion forderten. "Die Ansprüche an uns werden größer, an der Ausstattung wird gespart", sagte Thomas Wingenroth, didaktischer Leiter der Gesamtschule. Er hoffe, dass die aktuellen Probleme aber nur ein vorübergehende Erscheinung auf einem eigentlich guten und richtigen Weg sei, so Wingenroth.

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