Eine Reise durch die Geschichte des Beueler Zentrums Über die wahrscheinlich kleinste Bahnschranke der Welt

BEUEL · "Damit man das Muchewasser wieder sehen könnte, müsste es wohl mehr als ein paar Wochen Dauerregen geben", schmunzelt Rainer Selmann: "Vor zwei oder drei Jahren waren aber tatsächlich wieder ein paar Gärten an der nördlichen Limpericher Straße überflutet."

 Rainer Selmann zeigt auf seinem Spaziergang alte Fotos: Die Bröltalbahn transportierte einst Güter bis nach Waldbröl.

Rainer Selmann zeigt auf seinem Spaziergang alte Fotos: Die Bröltalbahn transportierte einst Güter bis nach Waldbröl.

Foto: Leif Kubik

Das letzte Mal ist der alte Rheinarm allerdings im Jahr 1926 zum Vorschein gekommen und dank modernen Hochwasserschutzes sollte die ehemalige Stromschleife wohl ein für alle Mal der Vergangenheit angehören.

"Berufsspaziergänger" Selmann ist wieder einmal unterwegs - diesmal auf der "schäl Sick". In Kooperation mit dem Verein für Bonner Stadtgeschichte führt der bekannte Stadtführer und Historiker interessierte Besucher durch die Geschichte des rechtsrheinischen Bonns und hat, wie nicht anders zu erwarten, wieder eine Fülle fast vergessener Anekdoten und Geschichtchen im Gepäck.

Der Startpunkt ist bewusst zentral gewählt: "Los geht's vor dem bekannten Lokal Rheinlust - "mit Blick auf die richtige Rheinseite, damit meine Gäste aus dem Linksrheinischen nicht zu sehr fremdeln", scherzt der studierte Historiker zu Beginn des Rundgangs.

Hier gibt es die wahrscheinlich kleines Schranke der Welt

Vorbei am "Bahnhöfchen" geht es auf Bröltalbahnweg Richtung Combahnviertel. Das Lokal war früher ein richtiger Bahnhof. Die kleine Schmalspurbahn transportierte Güter bis nach Waldbröl im Oberbergischen. "An der Strecke gab es die wahrscheinlich kleinste Bahnschranke der Welt", erzählt Selmann und deutet auf ein historisches Foto in der Bildmappe, die er bei seinen Spaziergängen immer dabei hat.

Es zeigt die Türe eines Fachwerkhauses, die von einem Bahnbediensteten mit einem außen angebrachten Riegel gegen das Öffnen von innen gesichert wird. "Die Schienen lagen im wahrsten Sinne des Wortes direkt vor der Haustür und weil die Tür sich nach außen öffnete, wurden die Bewohner jedes Mal eingeschlossen, wenn ein Zug vorbeifuhr", erzählt er.

Weiter führt der Weg entlang der historischen Bahnstrecke, die heute ein viel frequentierter Radweg im Combahnviertel ist: "Dessen Name geht auf einen eigenen Ort zurück", erläutert er, während der Berufsspaziergänger zügig von zahlreichen Radfahrern passiert wird. "Combahn wurde erst 1892 in die Bürgermeisterei Vilich eingegliedert und so Teil der späteren Stadt Beuel.

Die heutige Bebauung geht auf Pläne des Kölner Stadtbaumeister Hermann Joseph Stübben zurück, der auch für die Anlage der Ringboulevards nach Niederlegung der Kölner Stadtmauer verantwortlich war. Das Combahnviertel mit seinen zahlreichen Stadthäusern aus der Belle Époque ist heute eines der beliebtesten Wohnquartiere im rechtsrheinischen Bonn.

Mit Anekdoten quer durch Beuel

Weiter geht's vorbei am Pfarrfriedhof Sankt Josef und der Brotfabrik zum Dr. Weis-Platz: Dessen Namensgeber, ein jüdischer Arzt, wurde von den Nationalsozialisten zur Emigration gezwungen. Nachdem Kuba den per Schiff nach Havanna Geflüchteten die Einwanderung verweigerte, sorgte der erfahrene Kommunalpolitiker dafür, dass die Vertriebenen in letzter Minute von Großbritannien aufgenommen wurden.

"Weis hat sich von seinen Patienten in Beuel je nach deren finanzieller Leistungsfähigkeit bezahlen lassen. Viele Arme behandelte er ganz umsonst", berichtet Selmann. Gleich nebenan, in der Siegfried-Leopold-Straße, befindet sich Beuels ältestes Postamt, vorbei an der ehemaligen Synagoge und dem alten Rathaus spaziert Selmann via Konrad-Adenauer-Platz weiter, weiß zu jedem Bauwerk und zu jeder Straße zumindest ein paar Worte oder eine kurze Anekdote zu erzählen.

Zwischen Josefkirche und Krankenhaus erklärt er dann den Verlauf des eingangs erwähnten ehemaligen Rheinarms: "Ungefähr hier kam das Boot an und mit einem Fuhrwerk ging es dann weiter zum Beueler Staatsbahnhof. Der Preis dürfte erträglich gewesen sein, denn die Strecke wurde von zwei Fuhrunternehmern bedient, die sich alles andere als grün waren."

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