Interview mit dem Briefmarkensammler Christian Gräßler Lehrreiche Leidenschaft

Christian Gräßler hat als Kind mit dem Briefmarkensammeln angefangen. In der Jugendzeit landeten die Alben in der Ecke, er verlor das Interesse am Hobby. Irgendwann kam das Interesse aber wieder zurück, Mitte der 1990er Jahre wurde er Mitglied bei den Beueler Briefmarkenfreunden.

 Christian Gräßler will auch junge Menschen für sein Hobby begeistern.

Christian Gräßler will auch junge Menschen für sein Hobby begeistern.

Foto: Nicolas Ottersbach

Dessen Vorsitzender ist der 50-jährige Kriminalbeamte seit zwei Jahren. Über das oftmals als "uncool" abgestempelte Briefmarkensammeln sprach er mit Nicolas Ottersbach.

Herr Gräßler, haben Briefmarkenfreunde vor allem in den jüngeren Jahrgängen mit Mitgliederschwund zu kämpfen?

Christian Gräßler: Das ist nicht nur ein Problem, dass unser Briefmarkenverein hat. Die jungen Menschen sind nicht mehr so die Vereinsmeier, wie das früher einmal war, deshalb versucht jeder sie für den eigenen Verein zu begeistern. Ich habe das Thema deshalb bei der Jahreshauptversammlung offensiv angesprochen.

Was war das Ergebnis?

Gräßler: Schon im Vorfeld hatte ich bei den Vorsitzenden bei den vier anderen Briefmarkenvereine nachgehorcht. Auch da wollte niemand Ämter wie Schatzmeister oder sogar Vorsitzender übernehmen. Wir sind deshalb zu dem Schluss gekommen, dass wir Briefmarkensammler miteinander kooperieren sollten.

Wie ist das bei den Mitgliedern angekommen?

Gräßler: Wir haben als Vorstand den Auftrag bekommen, in Gesprächen die Möglichkeiten auszuloten. Konkret geht es erst einmal um einen Verein. Es muss sich natürlich für beide Seiten lohnen, beide Vereine müssen bei so einer Zusammenarbeit zufrieden sein. Für Sammler ist es natürlich schöner, wenn auf den Treffen viele Menschen sind. Wir machen beispielsweise jedes Jahr eine Vereinsauktion, bei der nur Mitglieder teilnehmen können. Für denjenigen, der sich von seinen Sachen trennen will, gäbe es mehr Interessenten. Für den Käufer gäbe es mehr Auswahl, weil eben auch neue Sachen eingeliefert würden.

Ist Briefmarkensammeln ein "uncooles" Hobby?

Gräßler: Nein, es ist nicht so verstaubt und kleinkariert, wie viele denken. Generell ist Sammeln ja eine zeitlose Leidenschaft. Ich selbst habe als Kind mit Briefmarken angefangen. Als Jugendlicher hatte ich dann andere Interessen und die Briefmarken sind in der Ecke gelandet. Irgendwann hab ich mich dieser wunderschönen Sammelleidenschaft wieder besonnen, Mitte der 1990er Jahre bin ich in den Verein eingetreten. Jetzt, wo ich Kriminalbeamter bin, kann ich mich durch die Briefmarken zurückziehen und mich vom stressigen Job erholen. Zusätzlich ist es ein sehr lehrreiches Hobby.

Warum ist es lehrreich?

Gräßler: Briefmarken sind Schaufenster der Welt. Vieles von meinem Allgemeinwissen habe ich durch Briefmarken. Man kann unheimlich viel über Geschichte, Personen oder auch Tiere lernen. Da ist der Kopf von Philipp Reis auf einer Marke, im Katalog kann ich das nachlesen. So fand ich heraus, dass er das erste funktionierende Gerät zur Übertragung von Tönen über elektrische Leitungen erfand. Reis gilt als zentraler Wegbereiter des Telefons. Und so etwas bleibt dann haften.

Kann man damit andere für das Briefmarkensammeln begeistern?

Gräßler: Ob das damit geht, weiß ich nicht. Aber zumindest Verständnis für die Leidenschaft wecken. Meine Frau zum Beispiel hat nichts für mein Hobby übrig. Als wir aber in Asien im Urlaub waren, erkannte sie Gemälde, konnte es aber nicht zuordnen. Sie hatte es auf meinen Briefmarken gesehen. Das fand sie toll.

[kein Linktext vorhanden]Wie viele Briefmarken haben sie denn?

Gräßler: Unzählige. Ich weiß es ehrlich gesagt nicht. Das ist ein ganzer Raum voll. Als Sammler schmeißt man ja nichts weg, selbst wenn man etwas doppelt und dreifach hat. Irgendwann kommt schon der Richtige, der vielleicht etwas damit anfangen kann. Wir verschenken auch Marken, meist an Jugendliche, um sie zum Sammeln zu animieren.

Wohin wird sich das Briefmarkensammeln im E-Mail-Zeitalter entwickeln?

Gräßler: Der private Brief ist durch Mail, "WhatsApp" und Co ein bisschen verschwunden, was sehr schade ist. Ich habe mal Bekannten statt einer Postkarte eine MMS geschickt. Ich kam wieder und sie sagten mir, ich solle das nächste Mal doch bitte wieder eine Postkarte schreiben. Das Entscheidende ist, dass ich einen Brief oder eine Postkarte anfassen kann. Das ist etwas Besonderes, auch wenn es länger unterwegs ist. Und wenn man dann beim Sammeln eine Postkarte oder einen alten Brief bekommt, ist das wie eine Zeitreise.

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