Gespräch am Wochenende Laura Becker und Kira Splitt klären Schulklassen über sexuelle Vielfalt auf

In Schulen und vor Jugendgruppen über sexuelle Vielfalt und geschlechtliche Identitäten sprechen: So wollen die Mitglieder von "SchLAu", die selbst noch Schüler, Azubis und Studenten sind, Diskriminierungen und Mobbing vorbeugen.

 Die Studentinnen Laura Becker (links) und Kira Splitt von "SchLAu" sprechen mit Schulklassen und Jugendgruppe auch über ihre Erfahrungen mit dem eigenen Coming-out.

Die Studentinnen Laura Becker (links) und Kira Splitt von "SchLAu" sprechen mit Schulklassen und Jugendgruppe auch über ihre Erfahrungen mit dem eigenen Coming-out.

Foto: Johanna Heinz

Seit zweieinhalb Jahren gibt es das ehrenamtliche Projekt in Bonn. Trägerverein ist die Aids-Hilfe an der Oberen Wilhelmstraße in Beuel. Mit den Koordinatorinnen des Projekts, Laura Becker und Kira Splitt, sprach Johanna Heinz.

Sich vor eine Klasse zu stellen und über Themen wie Sexualität und Identität, auch über eigene Erfahrungen zu sprechen: Das stelle ich mir nicht leicht vor ...
Kira Splitt: Es gibt von "SchLAu NRW" eine Schulung, die mehrmals im Jahr für Einsteiger_innen* stattfindet. Dort können Teilnehmer_innen ausprobieren: Wie ist das eigentlich von meinem eigenen Coming-out zu erzählen? Davon zu erzählen, wie die Eltern reagiert haben, wie Freunde reagiert haben? So gewinnt man Sicherheit. Bei uns in Bonn durchlaufen alle Neuen außerdem eine Hospitationsphase. Dreimal, oder auch vier-, fünf- oder sechsmal wenn sie wollen, laufen sie bei den Einsätzen nur mit. So können sie einen Eindruck davon bekommen, was für Fragen Schüler_innen stellen und was für Probleme auftauchen können.
Laura Becker: Diese Phase ist auch dafür gedacht, dass man sagen kann: "Okay, cooles Projekt, aber das ist doch nichts für mich." Ein gewisses Standing und Selbstbewusstsein ist bei unseren Workshops wichtig, weil auch blöde Fragen kommen können.
Splitt: Wer mitmachen will, sollte sein Coming-out schon hinter sich haben und muss eine gefestigte Persönlichkeit sein, die sich selbst akzeptiert, so wie sie ist und so wie sie lebt und liebt.
Becker: Das Coming-out ist wichtig, damit wir durch diesen Erfahrung aus unserer eigenen Lebenswelt berichten können. Wir sprechen aber explizit nicht von homosexuellen Jugendlichen, denn dann würden wir viele ausschließen, beispielsweise transsexuelle Aufklärer_innen, die sich aber heterosexuell verstehen.

Wie reagieren die Jugendlichen?
Becker: Die Reaktionen sind ganz unterschiedlich. Meist outen wir uns erst im Laufe des Workshops, erzählen dann von unseren eigenen Erfahrungen. Bei dieser biografischen Methode können die Schüler uns anonym Fragen stellen. Ich merke immer, dass sie ruhig sind und zuhören. Sie hängen uns an den Lippen und Fragen nach: "Wenn du einmal Kinder haben willst, wie machst du das dann?" Oder: "Verletzt dich das, wenn du diskriminiert wirst?"
Natürlich gibt es auch einige, die sagen: "Ich finde es trotzdem komisch oder nicht normal, wenn zwei Männer sich küssen." Das ist auch in Ordnung. Wichtig ist uns der Dialog. Wir versuchen alle Fragen so offen wie möglich zu beantworten. Viele Sachen wissen die Jugendlichen einfach nicht. Wir merken: Da kommt etwas in Gang. Das ist toll zu sehen. Mit uns haben die Jugendlichen ein lebendes Beispiel. Das ist kein Fernsehen, sondern echte Menschen.
Splitt: Alle kennen Olivia Jones und ein paar andere prominente Persönlichkeiten. Wir sind aber oft die ersten Leute aus ihrem realen Umfeld, die nicht hetero leben, die die Jugendlichen kennenlernen. Sie sehen, dass eben schwule, lesbische, bisexuelle, queere und transgender Menschen ganz normal in der Gesellschaft leben.

Das sind für Jugendliche heutzutage keine Tabuthemen mehr. Gibt es dennoch Vorurteile?
Becker: Es kommen die klassischen Vorurteile in allen Richtungen. Wir arbeiten aber gerade mit diesen Vorurteilen und hinterfragen sie. Das gilt aber beispielsweise auch für Vorurteile gegenüber Muslimen. Wir versuchen, zu zeigen, das bestimmte Äußerungen Vorurteile sind und dass diese Vorurteile durch Unwissenheit entstehen.

Woher kommt diese Unwissenheit? Leisten Eltern in diesem Bereich keine Aufklärungsarbeit?
Splitt: Ich glaube, Eltern leisten generell zu wenig Aufklärungsarbeit. Die wenigsten Jugendlichen reden mit ihren Eltern gerne und offen über Sexualität, über Liebe, über Begehren. Und über nicht hetero-konformes Begehren wird da, glaube ich, gar nicht gesprochen.
Becker: Es ist eine Thematik, mit der sich nicht alle Menschen auseinandersetzen. Das ist ja auch völlig in Ordnung. Das müssen sie ja auch nicht. Was Familien nicht abdecken können oder wollen, weil es auch nicht in ihrer Lebenswirklichkeit vorkommt, muss die Schule übernehmen. Viele Schulen machen das. Sie laden uns nicht nur im Rahmen des Sexualkundeunterrichts ein, sondern auch in den Philosophie- oder Religionsunterricht. Es geht ja schließlich auch um gesellschaftliche Fragen. Unwissenheit gibt es aber oft auch bei Lehrer_innen. Ich befinde mich gerade in der Lehrer_innen-Ausbildung: Wir haben überhaupt keine Seminare dazu.

Beispielsweise in Baden-Württemberg gibt es Bürgerinitiativen, die sich gegen Homosexualität als Unterrichtsthema wenden ...
Becker: Es geht uns nicht darum, irgendwen umzuerziehen oder Werbung zu machen, im Gegenteil: Unsere Workshops richten sich an alle. Es geht darum, Vorurteile abzubauen, Antidiskriminierungsarbeit zu leisten und Gewaltprävention zu stärken. Das leitet sich ganz einfach aus den Grundrechten und Menschenrechten ab. Es geht darum, die Vielfältigkeit unserer Gesellschaft zu zeigen, zu sagen: Du bist so, und du bist so, aber das ist völlig in Ordnung. Es gibt verschiedene Lebensweisen und die sind gleichwertig und es geht letztendlich darum, dass ihr glücklich seid - die Erwartungen, die von außen, von der Gesellschaft, an euch herangetragen werden, dass ihr die nicht erfüllen müsst, wenn ihr das nicht wollt.

* Auf Wunsch der Interviewpartnerinnen und auch, weil die die Begriffe im Gespräch entsprechend ausgesprochen wurden, verwenden wir im Text einen sogenannten "Gender Gap" (deutsch: Geschlechter-Zwischenraum) - einen Unterstrich als gefüllte Lücke zwischen maskuliner und femininer Endung, die wie auch das Binnen-I bei Bezeichnungen von Gruppen kenntlich machen soll, dass sowohl männliche als auch weibliche Personen gemeint sind, aber auch jene Menschen abseits des vorherrschenden Zweigeschlechtersystems.

Zur Person

Laura Becker, 26, studiert in Bonn Deutsch und Philosophie auf Lehramt. Sie engagiert sich seit zweieinhalb Jahren im Projekt "SchLAu Bonn" und für "SchLAu NRW". Dass sie Frauen liebt, hat sie bereits mit 13 Jahren gemerkt.

Kira Splitt, 25, studiert Psychologie in Bonn und arbeitet neben "SchLAu" auch für die LSBT-Jugendfachstelle in Köln, die Projekte für schwule, lesbische, bisexuelle und transgender Jugendliche in NRW koordiniert. Mit 16 hat sie sich in eine Frau verliebt.

"SchLAu Bonn"

Alle 15 Teammitglieder des Projekts "SchLAu Bonn" sind im Alter zwischen 16 und 26 Jahren und arbeiten ehrenamtlich. Die beiden Koordinatorinnen bekommen eine kleine Aufwandsentschädigung, die durch die Jugendhilfe Stiftung der Sparkasse finanziert wird. Wer mitmachen will, kann sich an das Team wenden. Wegen der Einarbeitung anderer neuer Mitarbeiter kann die Aufnahme ins Team jedoch etwas dauern.

Mehr Informationen gibt es auf schlaubonn.wordpress.com, unter Tel. 0228/9 49 09 14 oder per E-Mail an bonn-ist-schlau@schlau-nrw.de.

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