Oldtimer-Restaurierung Eine abenteuerliche Reise von Kabul an den Rhein

BEUEL · Könnte ein altes Auto seine Geschichte erzählen, würden die Zuhörer oftmals staunen. Beispielsweise über die Erlebnisse eines Mercedes-Benz 219 Ponton, der den größten Teil seines Autolebens im Morgenland verbracht hat. Auf verschlungenen Wegen ist er jetzt beim Karosseriebauer Dirk Vögeli in Beuel aufgetaucht.

Der Mercedes-Benz 219 Ponton.

Der Mercedes-Benz 219 Ponton.

Foto: Max Malsch

Wenn er so aufgebockt auf der Hebebühne fixiert ist, vermutet der unbedarfte Betrachter nichts Außergewöhnliches. In der Oldtimer-Werkstatt des Karosserie-Unternehmens von Dirk Vögeli wird ein alter Wagen wieder flott gemacht - das ist der Arbeitsalltag. Aber wenn der Mercedes-Benz 219 Ponton erzählen könnte, dann würde sich der Betrachter einen Stuhl und eine Tasse Kaffee holen und gebannt zuhören. Die Rolle des Erzählers übernimmt ersatzweise Dirk Vögeli.

Es ist die Geschichte von zwei Männern und einem Auto, die den Zuhörer rasch in ihren Bann zieht: Sie beginnt mit dem Vater von Otto Spieth, einem Industriellen aus Süddeutschland, der seinen Sohn Otto 1953 nach Afghanistan schickte, um dort eine Lederfabrik aufzubauen. Otto, gerade erst 23 Jahre alt, gehorcht, wird in Afghanistan heimisch und ist bald bestens vernetzt. Als sich zu seinem alten Diesel-Mercedes ein zweiter Wagen gesellen soll, lässt er seine Kontakte spielen und bestellt bei dem damaligen Mercedes-Exportleiter einen 219 Ponton, der 1959 von Spieth in Stuttgart abgeholt und in Genua auf ein Schiff verladen wird, das Gefährt und Fahrer bis nach Karachi in Pakistan verfrachtet. Von dort fährt Otto Spieth die rund 2000 Kilometer bis nach Kabul selbst.

Neben dem roten Dach und der senfbraunen Farbe des restlichen Wagens hatte der Mercedes noch weitere Besonderheiten: Wegen der vielen Steine auf den Schotterpisten wurde die Karosserie ab Werk höhergelegt. Außerdem wurden Platten zum Schutz des Motors und des Unterbodens angebracht. Durch die ungewöhnliche Farbgebung war der ohnehin seltene 219 bald in ganz Afghanistan bekannt.

Doch das Schicksal des Landes sollte bald in eine Richtung gelenkt werden, die auch das Leben von Spieth veränderte: 1978 wurde er während der kommunistischen Revolution von russischen Soldaten beschossen, ein Jahr vor der Invasion der Roten Armee. Spieth wurde schwer verletzt und war aus politischen Gründen zur Ausreise gezwungen. Heute ist er darüber glücklich, denkt er an die Entwicklung, die Afghanistan seitdem genommen hat. Er musste damals alles zurücklassen: Sein Haus, seine Fabrik und auch den Mercedes-Benz 219.

Und hier kommt Wilfried Sefke ins Spiel. Er war 1976 an Weiberfastnacht mit seiner Frau in den diplomatischen Dienst in der deutschen Botschaft in Afghanistan berufen worden und mit Spieth befreundet. Als dieser nach Deutschland zurückkehren musste, versuchte Sefke, ihm zumindest die Mitnahme von persönlichen Dingen zu ermöglichen.

Der Mercedes war nicht dabei. Er gehörte von nun an Wilfried Sefke. Der zerlegte den Wagen komplett, lackierte ihn Ikonengold mit kardinalrotem Dach und baute neben einigen technischen Veränderungen auch Stahlplatten in die Türen ein. Die waren schusshemmend, haben das Auto sicherer gemacht. Bei der Farbwahl musste er sich an der Originallackierung orientieren, sonst hätte es Probleme bei der Ausfuhr gegeben.

Und die ließ nicht lange auf sich warten. In Afghanistan herrschte Anfang der 80er Jahre Bürgerkrieg und Sefke wurde nach Argentinien versetzt. Der Mercedes wurde in einem Container an die russische Grenze transportiert, auf verschlungenen Wegen kam er ein Vierteljahr später in Nürnberg an, wo ihn Sefkes Schwiegervater in Empfang nahm. Mit neuen Reifen wurde der 219 Ponton nun in Troisdorf bei Freunden in einer Garage untergebracht.

Immer wenn Sefkes auf Heimaturlaub waren, bewegten sie ihr in die Jahre gekommenes Schätzchen. 1988, gerade aus Argentinien zurückgekehrt, sollte der Mercedes dann in den Bonner Alltag eingebaut werden. Doch es dauerte nicht lange, bis der Ruf aus Sankt Petersburg kam. Stationen in Albanien, Kuba, Berlin und Estland folgten, bis das Ehepaar schließlich 2008 endgültig nach Bonn zurückkehrte. An Weiberfastnacht.

Wohl ahnend, dass er keine rechte Verwendung für den 219 hat, hatte Sefke den Wagen allerdings in den 90ern an den Neffen seiner Frau verkauft, der ihn wiederum weiterverkaufte. Seitdem muss der Mercedes in einer Bonner Garage verstaubt sein, vermutet Sefke. Am Ostermontag 2014 hat der Neffe seiner Frau den Wagen dann zufällig bei der Firma Vögeli in Beuel wiederentdeckt.

Der langjährige Besitzer machte sich direkt auf den Weg. Es waren immer noch die alten Reifen montiert, und die Kisten mit Ersatzteilen standen so im Kofferraum, wie er sie eingeräumt hatte.

Für den 219er bricht eine ganz neue Zeit an. "Wir haben den Wagen komplett zerlegt und bauen ihn derzeit wieder neu auf", erklärte gestern Dirk Vögeli. In seiner Werkstatt im Industriegebiet in Beuel-Kohlkaul sind er und seine Mitarbeiter gerade dabei, die restaurierten Achsen wieder einzubauen.

Die Oldtimer-Abteilung von Mercedes berät das Beueler "Schrauberteam" und liefert pünktlich alle Ersatzteile. Der Motor, der bislang rund 120 000 Kilometer gelaufen ist, wird derzeit von der Motorentechnik-Firma Riemschoss aus Hennef wieder auf Vordermann gebracht. "Wenn der Wagen aus unserer Lackierabteilung kommt, werden wir nach und nach wieder alles einbauen", sagte Karosseriebaumeister Christoph Müller.

Spätestens im Sommer soll der Mercedes fertig sein. "Wenn alles so funktioniert, wie wir uns das vorstellen, dann werden wir Mitte Juli erstmals mit dem Wagen bei den Rheinbach Classics an den Start gehen", verrät Dirk Vögeli. Und in welchem Farbton soll der Mercedes lackiert werden? Da sind sich Chef und Meister noch nicht einig. Vögeli liebt's klassisch: Weißes Dach, ansonsten Grau. Müller bevorzugt Silbermetallic.

Zahlen, Daten, Fakten

Der Mercedes 219 Ponton stammt aus dem Jahr 1959. Der Motor hat einen Hubraum von 2180 Kubikzentimetern und leistet 66 Kilowattstunden. Der Wagen ist 4,68 Meter lang, 1,74 Meter breit und 1,56 Meter hoch.

Die Höchstgeschwindigkeit liegt bei 150 Kilometern in der Stunde, bei einer maximalen Umdrehung von 4800 in der Minute.

Rheinbach Classics

Das bekannteste Oldtimer-Treffen in der Region Bonn/Rhein-Sieg findet von Freitag, 17. Juli, bis Sonntag, 19. Juli, in Rheinbach statt. Mehr als 130 Oldtimer werden an diesen Tagen gezeigt. Die Rock-Formation Sweet wird die Rheinbach Classics am 17. Juli ab 19 Uhr mit einem Open Air Konzert auf dem Himmeroder Wall in Rheinbach eröffnen. Vorverkauf: www.bonnticket.de.

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