Foodsaver in Beuel Die Retter der Lebensmittel wollen ein Netzwerk bilden

BEUEL · Jahr für Jahr landen laut Verbraucherzentrale NRW in Deutschland elf Millionen Tonnen Lebensmittel im Müll. Das entspricht 275.000 Sattelschleppern, hintereinandergestellt würden sie von Düsseldorf bis nach Lissabon und zurück reichen.

"Das ist doch Wahnsinn", findet André Piotrowski. Vor allem, weil mit allen produzierten Lebensmitteln die Weltbevölkerung zweimal ernährt werden könnte und dennoch Menschen hungerten, meint er. Hinzu kommt der mit der Produktion verbundene, vollkommen unnötige CO2-Austoß.

Deswegen ist der 44 Jahre alte Beueler ein "Foodsaver" oder "Lebensmittelretter". Die bundesweite Bewegung setzt sich dafür ein, das überschüssige Lebensmittel nicht weggeschmissen, sondern an den Mann gebracht werden. In Bonn wollen Piotrowski und seine Mitstreiter dafür nun ein Netzwerk aufbauen. Strategietreffen im Café Fuchsbau an der Hermannstraße an einem Dienstagvormittag.

Barbara Merhart von Bernegg macht auf ihrer Deutschland-Tour in Beuel halt. Die 30 Jahre alte Frau ist Botschafterin der Plattform "Lebensmittelretten.de" in München und fährt seit zwei Wochen von Stadt zu Stadt, um sich mit anderen Lebensmittelrettern zu treffen. "Ich bin sozusagen dazu da, der Bewegung Schwung zu verleihen, ich peitsche überall an." Die letzten Nächte hat sie im Auto geschlafen, teils klappert sie mehrere Städte an einem Tag ab. Auch sonst bestimmt das Projekt "Lebensmittel retten" derzeit ihr Leben. "Ich bin hauptberuflich ehrenamtlich tätig", sagt sie und lacht.

"Acht bis zehn Stunden bin ich da auch gut mit beschäftigt." Sie habe schon immer diese soziale Ader gehabt, sagt sie. "Und die Idee hat mich einfach überzeugt." Wovon sie lebt, will sie allerdings nicht so recht verraten. "Sagen wir einfach so: Ich habe im Moment das Geld." Mit dabei ist auch der Kölner Raphael Wintrich, der als Programmierer ehrenamtlich die Internetseite betreut. Neben ihm sitzt die Beuelerin Sabine Kluge, mit Piotrowski die einzige aus der Runde der Bonner Engagierten - laut Piotrowski sind es insgesamt rund 50 - ,die zum Treffen erschienen ist. "Ich habe mit dem Alter einfach verstanden, was wichtig ist", sagt die 52-Jährige. "Dazu gehört die Erhaltung unserer Ressourcen."

Aber es geht den Lebensmittelrettern nicht nur darum, dass Privatpersonen überschüssige Lebensmittel weitergeben, wenn beispielsweise der Urlaub vor der Tür steht, der Kühlschrank aber noch voll ist oder von einer Party noch jede Menge Reste übrig geblieben sind. Auch Supermärkte und Bauernhöfe sollen sich beteiligen. Während in anderen Städten bereits Bioladenketten mit den Lebensmittelrettern kooperieren, sind Piotrowski und seine Mitstreiter mit Bonner Betrieben erst im Gespräch.

Viele Lebensmittel würden im Geschäft nicht mehr verkauft, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum - lediglich eine Qualitäts- und Geschmacksgarantie - abgelaufen oder fast abgelaufen sei, die äußeren Blätter eines Salatkopfes leicht welk seien oder der Apfel eine kleine braune Stelle habe. "All das kann man noch wunderbar essen." Für die Supermärkte könne eine Kooperation auch von Vorteil seien. "Sie sparen sich die teure Entsorgung."

Alle Foodsaver unterschrieben zudem einen Haftungsausschluss, so dass die Betriebe aus der Verantwortung entlassen würden. Fuchsbau-Betreiberin Hanne Fuchs ist von dem Konzept überzeugt. "Wenn bei mir Torten übrigbleiben, die ich nicht mehr verkaufen will, rufe ich die Lebensmittelretter an." Das sei auf jeden Fall besser, als die Torten in den Müll zu werfen.

Foodsharing

Die Online-Plattform footsharing.de wurde im Dezember 2012 zum Verteilen von überschüssigen Lebensmitteln gegründet, unter anderem von Regisseur Valentin Thurn, der damals an seinem Dokumentarfilm "Taste the Waste" arbeitete. Die "Foodsharer", Privatpersonen, Händlern und Produzenten können sich dort anmelden und überschüssige Lebensmittel kostenlos anbieten oder abholen. Wer Lebensmittel übrig hat, stellt den Essenskorb über die Seite ins Netz, so dass Interessenten sich melden und ihn abholen können. Die dort engagierten "Lebensmittelretter" oder "Foodsaver" teilen und verteilen nicht nur privat, sondern holen gespendete Lebensmittel bei Betrieben ab und verschenken sie an Vereine oder soziale Projekte weiter oder konsumieren sie selbst.

Sie setzen sich auch dafür ein, dass sogenannte "Fair-Teiler" eingerichtet werden, also Standorte, wo Lebensmittel hingebracht, gelagert und abgeholt werden können. Parallel dazu wurde die Plattform lebensmittelretten.de gegründet. Die beiden Plattformen sollen in Zukunft eng zusammenarbeiten. In Bonn werden dafür noch Standorte gesucht. Er sollte möglichst den ganzen Tag zugänglich sein. Die Bonner Lebensmittelretter sind außerdem im Gespräch mit mehren Supermärkten, um Betriebe zu finden, die ihre überschüssigen Lebensmittel spenden wollen.

Weitere Informationen unter www.lebensmittelretten.de

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